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Gestaltung schafft Adressen

Farbe & Inspiration
Gestaltung schafft Adressen

Der Düsseldorfer Stadtteil Pempelfort beeindruckt nicht nur durch seine lebendige Architektur und bunten Fassaden, sondern auch durch die erfrischende Individualität der Eingangsbereiche.

Marc Nagel

Düsseldorf-Pempelfort – was nicht gerade nach einem absoluten In-Viertel klingt, mausert sich im Moment aber zu einem solchen. In der Mai-Ausgabe des Malerblattes haben wir berichtet, wie auf dem ehemaligen Gelände des Derendorfer Güterbahnhofs ein neues Wohnquartier entstand. Besonders charakteristisch bei den Bauten, die unter anderem mit dem Namen „Les Halles“ vermarktet werden, sind dabei die verschiedenen Fassaden. Denn statt, wie heute leider üblich, eine Einheitsfassade für ganze Wohnblocks zu schaffen, bemühte man sich bei diesem Projekt darum, Lebendigkeit entstehen zu lassen. So wurden einzelne Abschnitte von Häusern von unterschiedlichen Architekten gestaltet und nach den Vorgaben der Heterogenität statt der Homogenität umgesetzt. Die Entwürfe der Architekten nehmen dabei Anleihen an den Fassaden der Bestandsgebäude in den gewachsenen Stadtstrukturen der Nachbarschaft, die heute vor allem von jungen Kreativen, Anhängern der alternativen Szene oder Studenten bewohnt werden.
Was aber das Projekt in Düsseldorf-Pempelfort besonders macht, das sieht man nach einem Blick hinter die bunten und abwechslungsreichen Putz- oder Klinkerfassaden. Denn wo viele Projekte angedachte Konzepte aus Kosten-, Zeit- und Koordinationsgründen nicht weiterführen, wurde der Ansatz eines bereits bei Baufertigstellung lebendig wirkenden und attraktiven Wohnblocks auch im Inneren weiter verfolgt. Und so trifft man beim Betreten der Häuser nicht die immer gleiche Bodenplatte, nicht den immer gleichen Handlauf an den Treppen und eben auch nicht die immer gleiche Farbgestaltung an. Stattdessen erwartet den Besucher jedes Treppenhaus mit individueller Gestaltung und eigenem Charakter. Dies geht soweit, dass selbst Lampen und Klingel- sowie Briefkastenanlagen an den jeweiligen Stil des Hauses angepasst wurden. Dabei richteten sich die Planer nach den Vorschlägen und Vorgaben der Architekten, die auch den jeweiligen Abschnitt in Fassade und Grundriss gestaltet hatten. Dies jedoch nicht, ohne dabei ebenfalls die Vorgaben des Generalplaners Interboden zu berücksichtigen und somit auf eine wirtschaftliche Umsetzung zu achten.
Das Ergebnis ist ebenso erfrischend wie der Blick auf die unterschiedlichen Fassaden. Denn betritt man die Treppenhäuser, dann ist man nicht gezwungen, noch einmal nach außen zu gehen und sich mit einem Blick auf die Hausnummer zu versichern, auch im richtigen Gebäude zu sein. Alleine die individuelle Gestaltung, die passende Verwendung von Materialien und Farben, die ausgewählten Lampen und Beschläge, geben jedem Treppenhaus einen eigenen Charakter und damit auch eine eigene, gestalterische Adresse.
Besonders erwähnenswert ist dabei das Treppenhaus des Hauses 55. Es ist nicht nur in seiner Gestaltung, sondern auch in seiner Art keine alltägliche Lösung. Im Stile eines mexikanischen Hofhauses gehalten, betritt man zuerst einen Innenhof, von dem aus die Wohneinheiten erschlossen werden. Dabei machten die Architekten aus der Not eine Tugend und setzten die Vorgaben des Bebauungsrechts so um, dass der geforderte große Wohnblock realisiert werden konnte und trotzdem eine sehr gute Belichtungssituation für Wohnungen und Treppenhaus erreicht wird. So sind ein repräsentativer Eingang, die obligatorischen Briefkastenanlagen, Erschließungstreppen und interne Wege um einen Innenhof gruppiert, der mit einem kleinen römischen Brunnen und seiner Glasüberdachung einen Hauch mediterraner Atmosphäre schafft. Dass der Gesamteindruck des Treppenhauses trotzdem modern wirkt, liegt vor allem an den verwendeten Materialien und Farben. Die Kombination aus großen Sichtbetonflächen, weiß getünchten Wänden und Farbakzenten in Lindgrün, tut diesem großen Raum gut.
Aber auch die anderen Erschließungsbereiche können sich sehen lassen. So sind je nach Fassade dunkle Erdtöne vorhanden und ergänzen einen eher rustikalen Eindruck oder es wurden helle, bunte Farben eingesetzt, um eine jugendlich-frische Farbstimmung zu erzeugen. Wie konsequent das Konzept umgesetzt wurde, sieht man am Treppenhaus der sogenannten Fabrik. Hierbei handelt es sich um einen Neubau, der so angelegt wurde, dass er mit seiner Klinkerfassade und dem Aufbau aus Aluminium wie eine verlassene und zu Loft-Wohnungen umgebaute, ehemalige Fabrik wirkt. Ein Effekt, der durch die lebendige und unlasierte Klinkerhaut ebenso unterstrichen wird wie durch die Gestaltung des Treppenhauses. Auch hier wurden Farben und Materialien verwendet, die in einer ehemaligen Fabrik anzutreffen wären. So betonen die verputzten und grob gestrichenen Wände den Charakter des ungewöhnlich großzügigen Treppenraumes im gleichen Maße wie der raue, industriell wirkende, versiegelte Estrichboden. Auch die immer wieder auftauchenden Wände mit Klinker passen zur Gestaltung und lassen nicht vermuten, dass man sich in einem Stahlbeton-Gebäude aktuellen Baujahrs befindet. Einziger, gelungener Ausreißer sind die grellgrün gestrichenen Laubengänge, die vom Treppenhaus abgehen und weitere Loft-Wohnungen erschließen.
Insgesamt lässt sich über „Les Halles“ in Düsseldorf mit Sicherheit auch streiten, da aus ökonomischer Sicht immer die Frage zu stellen ist, ob eine solche Vielfalt noch wirtschaftlich umsetzbar bleibt. Doch lässt man dieses Argument beiseite, was leider zu selten geschieht, dann kann man nicht umhin, die Wohnanlage als Gesamtprojekt mit dem Prädikat gelungen zu versehen. Sowohl die Fassaden als auch die unterschiedlich gestalteten Treppenhäuser vermitteln den Eindruck, nicht in einer dieser uniformen Wohnmaschinen zu leben, die auch heute noch zigfach gestaltet und gebaut werden. Stattdessen erleichtern die individuellen Lösungen pro Haus und Einheit die Identifikation mit dem Ort, dem Haus oder eben der eigenen Wohnung und tragen so dazu bei, sehr schnell den Eindruck zu gewinnen, in einem zwar noch neuen, jedoch bereits lebendigen Wohnquartier zu sein. Dass zudem direkt nebenan ein neuer Stadtpark entsteht, zum Konzept des Projekts auch ein erweiterter Bewohnerservice mit geplanter Kindertagesstätte, mietbaren Räumen für Feiern sowie Ansprechpartner für die alltäglichen Probleme gehören, runden den hohen Wohnwert ab. Interessant wäre es zu sehen, wie all diese Angebote angenommen, wie gut die mit viel Nachdenken gestalteten Innen- und Außenräume gepflegt und wie sich die neuen Wohneinheiten auf die alten Strukturen im Stadtteil auswirken werden. Doch eine solche Untersuchung kann nicht heute und auch nicht morgen geschehen, so etwas zeigt sich erst mit der Zeit. Für den Moment aber gilt: Das Projekt am ehemaligen Güterbahnhof kann als gelungenes Beispiel für eine städtebauliche Neuordnung gelten – auch wenn leider, wie in diesem Fall, die Subkultur weichen musste und ein klassischer Verdrängungseffekt zu befürchten ist, bei dem die zahlungskräftigen Neubewohner die eingesessenen Anwohner vertreiben werden.

kompakt
Der Stadtteil Düsseldorf-Pempelfort mausert sich zu einem In-Wohnviertel. Doch nicht nur die lebendig wirkenden Fassaden beeindrucken, sondern auch das Innere der Wohnblocks. Jedes
Treppenhaus besitzt seine eigene Individualität.
Projektentwickler:
Interboden Innovative Lebenswelten
Simone Hamann, Ratingen
Architekten:
ASTOC GmbH & Co. KG, Köln
Klaus Theo Brenner
Stadtarchitektur, Berlin
Dr. Reiner Götzen, Creatives Planen
Franz Stadler , Ratingen
Büro Toepel , Jörg Toepel
Le Beausset , Frankreich
Ringleben & Langenbahn Architekten
Prof. Ursula Ringleben , Düsseldorf
Atelier Fritschi Stahl Baum
Prof. Niklaus Fritschi , Düsseldorf
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