Startseite » Gestaltung » Farbe & Inspiration »

Hilfreich

Farbe & Inspiration
Hilfreich

Die Farbgebung historischer Gebäude kann sich nicht immer auf einen spezifischen Befund stützen – spätestens dann ist Erfahrung gefragt. Oder die Unterstützung einer neuen Farbkollektion mit befundgesicherten Farbreihen.

Armin Scharf

Die Diskussion um Sinn oder Unsinn des Erhaltes historischer Bausubstanz ist so alt wie die institutionalisierte Denkmalpflege selbst – und die wurde erst im 19. Jahrhundert ins Leben gerufen. Damals wie heute ist die Denkmalpflege im Grunde konservativ orientiert, stellt das Bewahren in den Vordergrund aller Aktivitäten. Nun lässt sich ausgiebig darüber streiten, was denn überhaupt bewahrt werden soll. Denn Gebäude sind ja bekanntlich nicht statisch, sondern verändern sich im Laufe der Zeit – und damit auch ihre farbige Erscheinung. Welcher Moment im Werdegang eines Gebäudes ist es also wert, erhalten oder rekonstruiert zu werden? Und: In welchem Umfang soll dies geschehen? Müssen spätere Farbfassungen weichen, obwohl diese wichtig sein können, um den „Werdegang“ eines Gebäudes zu erkennen? Dies sind Fragen, die sich bei jeder Restaurierung neu stellen – und sich meist nicht abschließend beantworten lassen.
Überspitzt betrachtet müsste man sich also auch die Frage stellen, ob auch Baufehler erhalten oder sogar wieder hergestellt werden müssen. Schließlich sind auch sie authentische Zeugnisse jener bautechnischen Umstände, aus der das spezifische Bauwerk hervorgegangen ist. Sprich: Was tun mit den notorisch undichten Flachdächern der klassischen Moderne, die einfach nicht über die entsprechenden Materialien verfügen? Oder: Was ist mit der energetischen Seite? Was, wenn sich Gebäude im originalgetreu-ungedämmten Zustand heute nicht wirtschaftlich nutzen lassen? Und: Während prestigeträchtige Objekte mit großem Aufwand hergerichtet werden, stehen für viele nicht einmal genügend minimale Sicherungsgelder zur Verfügung.
Oberfläche statt Substanz
Vielleicht liegt es am Grundverständnis der Denkmalpflege: „In den meisten Fällen steht die Materialechtheit und die Authentizität der Oberfläche im Vordergrund. Bauphysikalische Aspekte spielen untergeordnete Rollen“, beschreibt Peter Neri die Situation. Und Neri weiß, wovon er spricht: Seit Jahrzehnten verbindet ihn die Farbe mit dem Baudenkmal, er kennt die Chancen, aber auch die Widersprüche im deutschen Denkmalschutzsystem. Beispielsweise die Tatsache, dass in Deutschland 16 unterschiedliche Gesetze existieren, weil im Rahmen ihrer Kulturhoheit die einzelnen Bundesländer dafür zuständig sind. Und das bedeutet, dass in Hamburg andere Definitionen und Richtlinien gelten als in Bayern oder Berlin. „Wir sprechen daher auch nicht von Denkmalschutz, sondern von der Pflege und Renovierung historischer Bausubstanz“, erklärt Neri. Wir, das ist die Abteilung Baudenkmalpflege von Caparol, die Peter Neri zusammen mit Dr. Christian Brandes verantwortet. Beide nähern sich pragmatisch den vielen erhaltenswerten Objekten in der Republik.
Dazu gehört auch ein engagiertes, auf die Farbigkeit ausgerichtetes Projekt, das im Rahmen der „Histolith“-Produktfamilie gedeiht. Ende 2005 beschloss man bei Caparol auf Initiative von Dr. Brandes und Peter Neri, sich intensiver der Historie anzunehmen – und schuf die neue Dachmarke „Histolith“. Darunter versammeln sich heute nicht nur optimierte bewährte Produkte, sondern auch neue, etwa Trass-Sanierputze oder Kalkmaterialien.
Befundete Farbkollektion
Und nicht zuletzt gehört eine eigenständige Farbkollektion dazu, mit insgesamt 300 Farbtönen in 47 Farbreihen. Momentan basieren 60 dieser Töne auf konkreten, objektbezogenen Befundungen – erstellt in Zusammenarbeit mit den Landesdenkmalämtern Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Bistum Mainz. Jedem dieser Töne ist das zugehörige Objekt, die Region und Bauepoche hinterlegt. „Die Kollektion ist eine Hilfestellung für den Alltag. Denn nicht immer kann ein Befund erstellt werden“, weiß Peter Neri. „Die Farbkarte soll verhindern, dass völlig epochen- und regionenfremde Töne verwendet werden.“ Weil befundet, erleichtere die Kollektion auch das Gespräch mit den Denkmalämtern.
Zwar ist derzeit das Gros der Töne noch ohne Befund, doch das soll sich ändern: „In drei bis fünf Jahren haben wir alle Töne befundet.“ Schon die nächste Auflage der Farbkollektion, die Anfang 2009 erscheinen soll, wird konkretes Material aus Potsdam und Berlin einbeziehen. Dies betrifft auch die momentan im 10-Prozent-Raster erstellten Aufhellungsreihen, wobei Befunde dann auch leicht von der Systematik abweichen können. Insgesamt aber bleibt es bei der Gesamtzahl von 300 Tönen – der Handhabbarkeit wegen.
Online abrufbare Farben
Die eigentliche Herausforderung aber ist die Integration aller Erkenntnisse in eine Datenbank, auf die dereinst berechtigte Nutzer online zugreifen sollen. Diese elektronische Farbsammlung wird per regionaler Suchanfrage entsprechende Töne anzeigen – noch aber befindet sich das auf mehrere Tausend Töne ausgelegte Projekt in der Entwicklung.
Galt der Denkmalbereich bis vor kurzem als wirtschaftlich wackelig, hat sich die Situation verbessert – zumindest im kirchlichen Bereich. „Da der Kirchenneubau heute nahezu brach liegt, fließen die Mittel in den Erhalt bestehender Gotteshäuser“, so Peter Neri. Und das scheint lukrativ zu sein – auch vor dem Hintergrund, dass nur noch wenige Firmen die passenden Beschichtungsstoffe anbieten. „Silikatfarben sind nach wie vor die wichtigsten Materialien.“

kompakt
Bis 1945 waren knapp 50 Hersteller von Silikatfarben am deutschen Markt präsent. Mit der bereits in den dreißiger Jahren eingeführten Dispersionsfarbe ging die Nachfrage nach den damals zweikomponentigen Anstrichsystemen kontinuierlich zurück. Vor allem die Denkmalpflege forderte weiterhin den Einsatz von Silikatfarben, die sonst als unmodern galten. In jüngster Zeit treten die Silikatfarben, auch im Innenbereich, wieder stärker in Erscheinung. Neben dem mineralischen Charakter der inzwischen einkomponentig eingestellten Materialien beflügeln Faktoren wie ökologische und gesundheitliche Unbedenklichkeit, alkalische Einstellung (Schimmelhemmung) und Lösemittel- sowie Weichmacherfreiheit die aktuelle Nachfrage. Und: Silikatfarben werden ebenso wie Kalkmaterialien mit steigenden Rohstoffpreisen der erdölbasierten Dispersionen künftig noch interessanter.
Produkt des Monats
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 4
Ausgabe
4.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de