Kosmisches Weiß

Armin Scharf

Abermals machte sich das Institute International Trendscout-ing (IIT) in Hildesheim ans Werk, um die gegenwärtige und kommende Farbtrendwelt auszuleuchten. 2006 schon entstand eine höchst interessante und zugleich üppige Studie, die nach zwei Jahren naturgemäß an Aktualität eingebüßt hat.

Nun also steht ganz frisch die Neuauflage als Quelle der Orientierung, Inspiration und Diskussion bereit – in Form eines kompakten Trendbuches, herausgegeben von Caparol, jenem Unternehmen, dessen Farbstudio maßgeblich hinter der Trendanalyse steht. Dabei greift man weit aus und gibt der Studie großzügig den Jahreszusatz 2009/2010. Wer die „alte“ mit der „neuen“ Studie aufmerksam vergleicht wird dabei bekannte Elemente wiederfinden, zwar nicht in identischer Form, sondern als Weiterführung, als Fortentwicklung.

Gleich sechs Haupttrends hat man am IIT aus der Fülle der Beobachtungen, Informationen und Prognosen gesiebt – sechs Strömungen, die sich in konkreten Farbstimmungen, Materialien und Strukturen belegen ließen. Daraus wiederum extrahierte man drei Trends, die direkt in die massenkompatible Raumgestaltung einfließen können – die drei anderen erschienen den Expertinnen und Experten des Caparol-Farbstudios wohl zu speziell.

Diese nicht weiter verfolgten Welten hören auf die Namen „Organic Sense“, „Plastic Pop“ und „Strong Black“. Letztere Strömung weist extrem dunkle Blau-, Grau- und Schwarztöne auf – tief, geheimnisvoll, in der Masse eher bedrückend. Und damit für Interieurs wenig kompatibel – was nicht heißen soll, dass diese Töne nicht im einen oder andern avantgardistischen Konzept auftauchen können. Laden-, Gastro- oder auch Showroomdesign findet hier spektakuläres Basismaterial.

Das genaue Gegenteil dazu ist „Plastic Pop“ mit einer unbekümmerten, knalligen Buntheit, die sich bereits seit geraumer Zeit beobachten lässt, aber für Interieurs schlichtweg zu plakativ ist. Ebenfalls nicht grundsätzlich neu ist „Organic Sense“, eine warmtonige Farbwelt mit eher geringen Farbkontrasten, mit Tönen aus dem Bereich Beige, Braun, Ocker und Grün. Ganz anders die drei anderen Trends: „Sie stehen noch am Anfang ihres Aufschwungs und werden für die nächsten Jahre richtungsweisend sein“, sagt Andrea Girgzdies vom Farbstudio. Also wurden sie detailliert betrachtet.

Die Bezeichnung „Royal Beige“ lässt schon erahnen, welche Farbstimmung sich dahinter verbirgt. In gewisser Weise ist sie zwar verwandt mit „Organic Sense“, aber monochromer, dezenter und luxuriöser. Auch hier spielen Beigevarianten eine zentrale Rolle, ergänzt von Mokkatönen und – jetzt kommt das Charakteristikum – Bronze- sowie Goldakzenten. Matter Glanz, Geschimmer und vielschichtige Anmutungen von Oberflächen differenzieren diesen Trend, der sich insgesamt keineswegs extrovertiert oder rustikal darstellt, sondern elegant und wertig. „Royal Beige ist der wohl gegenwärtigste Trend“, erläutert Martina Lehmann vom Farbstudio.

Vintage, also auf alt getrimmt, dominiert bei „Velvet Affair“. Hier tauchen kühle Pastellfarben auf, dezent-verhüllt und romantisch gedacht. Oberflächen sind leicht patiniert verfeinert, die Formen organisch-verspielt und die Strukturen vielfältig. Hochglanz und Schimmer haben hier keine Chance. Kurz: „Velvet Affair“ zeigt eine feine, elegante Anmutung, die aber weder plüschig noch real gealtert daherkommt.

Wie nicht von dieser Welt erscheint der dritte, wohl massivste Trend der Zukunft, vielleicht deshalb auch als „Cosmic White“ bezeichnet. Während die reale Welt recht hilflos Klimaveränderung, kriegerischen Konflikten, Migrationswellen und Globalisierungsfolgen gegenübersteht, wird das Innenleben vom exakten Gegenteil erfasst. Fast entmaterialisiert, schwerelos und bar jeglicher irdenen Beeinträchtigung zeigt sich die „Cosmic White“-Stimmung. Sehr hell, silbrig-kühl, hochglänzend – das sind die passenden Attribute einer Atmosphäre, die man durchaus auch als abgehoben-realitätsfern bezeichnen kann. Oder als zukunftsverbunden. Jedenfalls tauchen kaum Farbwerte auf, dafür die so genannten Off-Whites, kaum wahrnehmbare Graus und leichte Formen.

Interessant wäre nun, ob und wie diese Trends auch auf die Fassadengestaltung Einfluss haben. „Natürlich wird sich das auch auf außen niederschlagen“, sagt Martina Lehmann, allerdings wohl sehr zeitverzögert und weniger ausgeprägt.

Momentan zeichnet sich ganz deutlich die Hinwendung zu „Strong Black“ ab, erkennnbar an den aktuellen Tönen mit Hellbezugswerten unter 15. Auch „Organic Sense“, kombiniert mit farbigen Akzenten ist an der Fassade erkennbar.

Und Weiß? Auch das zeichnet sich ab, schon jetzt ist Weiß im Fahrzeugbereich hoch aktuell. Allerdings nicht das jahrelang geschmähte Weiß der Firmenwagen, sondern eine edlere, hellere und leuchtendere Weißvariante.

Der Höhepunkt starker Farbigkeiten und starker Farbkontraste ist überschritten, es wird wieder verhüllter, gleichtoniger. Zumindest in den nächsten Jahren. Was dann kommt, könnte spannend werden. Denn: „Die kontinuierlichen Wellenbewegungen der letzten 50 Jahre sind vorbei. Die Designwelt des 21. Jahrhunderts wird von kürzeren, stärker variierenden Trends geprägt. Und es werden mehrere, unterschiedlich lange anhaltende Trends nebeneinander bestehen“, so Andrea Girgzdies und Martina Lehmann.

Die aktuelle Trendstudie für den Innenraum ist zusammengefasst im „Trendbuch 2009/ 2010“ . Dort werden die einzelnen Trends detailliert gezeigt – mit fünf Trendfarben auf einer Farbkarte, dazu jeweils eine Oberfläche als Originalmuster. Alle Muster sind entnehmbar und können so direkt in der Praxis genutzt werden.

Zu haben ist das „Trendbuch“ direkt beim Werbemittelservice von Caparol via www.caparol.de