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Mehr Atmosphäre

Farbe & Inspiration
Mehr Atmosphäre

Eingänge und Treppenhäuser haben zwar eine funktionale Bestimmung, durch eine prägnante Gestaltung können sie jedoch zu stimulierenden Erlebnisräumen werden.

Martina Lehmann

Eingänge und Treppenhäuser werden in der Regel sehr funktional betrachtet und die farbliche Gestaltung wird eher stiefmütterlich behandelt. Dies muss nicht sein und sollte es auch nicht, denn der gezielte Einsatz von Farbe und Material schafft Atmosphäre, prägt den Raum und dient maßgeblich der Orientierung. Dies gilt für Treppenhäuser im Wohnungsbau genauso wie für alle anderen im gewerblichen und öffentlichen Bereich. Abhängig von der jeweiligen Architektur und Nutzung, präsentieren sich Treppenhäuser sehr unterschiedlich. Die Spanne reicht von schlichter, funktionaler bis hin zu hochwertiger, repräsentativer Gestaltung. Besonders individuelle Gestaltungskonzepte finden sich oft in Bauten, die auch eine spezielle Funktion erfüllen und diese zum Ausdruck bringen wollen. Eingänge und Treppenhäuser bereiten hier den Besucher auf dem Weg zum Zielraum „atmosphärisch“ vor. Der Transferbereich wird bewusst inszeniert, um einen prägnanten Übergang zwischen Außen- und Innenwelt herzustellen. So werden funktionale Treppenräume zu stimulierenden Erlebnisräumen. Dies zeigt sich besonders deutlich in kulturellen Institutionen wie Theatern, Kinos und Museen.
Das Kocherquartier ist hierfür ein Beispiel. Eine ehemalige Justizvollzugsanstalt in Schwäbisch Hall wurde in ein lebendiges, kulturelles Stadtviertel verwandelt. Die Besonderheit dieses Quartiers zeigt sich unter anderem auch durch die individuelle und sehr plakative Farbgebung des Treppenhauses im zentralen Erschließungsturm. Die Farbkombination in Rot und Pink strahlt durch die großen Glasflächen bei Dunkelheit intensiv nach außen. Durch die auffällige Farbgebung wird der Blick fast magisch angezogen. Aber auch im Gebäude schafft der unkonventionelle Einsatz der starken Farbakzente an Untersichten und Decken spannende, ungewohnte Perspektiven, die das einzigartige dieses Quartiers betonen.
Ganz anders präsentiert sich eines der Treppenhäuser in der Bremer Kunsthalle. Hier wurde ganz bewusst auf Farbe verzichtet, denn die Ausstellungsobjekte sollen farbig im Vordergrund stehen. Deshalb ist konsequent alles in Schwarz und Weiss gehalten. So entsteht ein fast skulpturales Bild des Aufgangs, der sich durch die Lichtführung an der Wand verstärkt. Die Konturen des Treppenlaufs sind durch die seitliche, ebenfalls schwarze Einfassung kaum noch wahrnehmbar. Menschen mit Seheinschränkungen dürfte dieses Treppenhaus deshalb Schwierigkeiten bereiten. Türen und Durchgänge, auch in Schwarz, irritieren zusätzlich und machen den Raum schwer ablesbar. Dies weckt aber auch Neugierde. Ein genaues Hinsehen ist erforderlich und macht aus dem Treppenhaus Baukunst passend, aber nicht konkurrierend zu den ausgestellten Kunstobjekten in den angrenzenden Räumen. Der extreme Hell-Dunkel-Kontrast verleiht dem Raum seine besondere Note, wirkt aber gleichzeitig hart, dominant und kompromisslos.
Allgemein ist die Verweildauer in den Verkehrszonen kurz. Hierzu zählen Flure, Empfangsbereiche und Treppenhäuser. Daher kann in diesen Bereichen Farbe intensiver und stärker gesättigt zum Einsatz kommen, um so bewusst Aufmerksamkeit zu erzeugen und den Ort zu „markieren“. Die Farbprägnanz unterstützt auf diese Weise die Orientierung. Gleiches gilt auch für starke polarisierende Kontraste. Alles Auffällige brennt sich in unserem Erinnerungsvermögen besonders gut ein. Dies bedeutet aber nicht, dass krasse Farben und Kontraste immer die beste Farbwahl sind. Denn grundsätzlich sollten Farben und Materialien zu Architektur und Baustil passen. Die Rahmenbedingungen definieren daher, ob die Gestaltung in eine klassisch-historische, funktional-sachliche oder hochwertig-repräsentative Richtung gehen sollte.
Neben der starken Aussagekraft der Farbe hat aber auch die Art der Beschichtung und die formale Gestaltung großen Einfluss auf die Wirkung. Ein Treppenelement, komplett in goldener Effektbeschichtung wie beim Kino Cineplex in Singen, unterstreicht das besondere Erlebnis, die Wertigkeit sowie das Vielseitige und Lebendige der speziellen Kinoatmosphäre. Die Struktur der Oberfläche wird besonders wirkungsvoll mit einem durchdachten Beleuchtungskonzept in Szene gesetzt.
Das Klimahaus in Bremerhaven stellt mit der reliefartigen Wandgestaltung nicht nur einen Bezug zu klimatischen Wellenbewegungen her, sondern auch zu den Bewegungsströmen auf der Treppe. Die großzügige Treppenbreite lädt sogar zum Sitzen und Verweilen ein. Dadurch hat der Besucher die Möglichkeit, den imposanten Raum auf sich wirken zu lassen.
Das Bewusstsein für die ästhetische Qualität der Raumatmosphären nimmt allgemein zu, jedoch fehlt vielfach der Mut, ein deutliches, farbliches Statement zu setzen. Außergewöhnliche Gestaltungen sind daher eher die Ausnahme. Wünschenswert wäre jedoch das „Abfärben“ individueller Konzept- ideen auch auf weniger spektakulären Eingangs- und Treppenhaussituationen für einen Mehrwert an Atmosphäre für alle.
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