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Roter Bodenschimmer

Farbe & Inspiration
Roter Bodenschimmer

Quer durch die Republik trifft man auf erloschene Industriequartiere, die städtebaulich und ästhetisch jedoch einen besonderen Reiz behalten haben und nun zeitgemäß umgenutzt werden. So auch in Esslingen am Neckar.

Susanne Hildebrand, Caparol

Von der Gründerzeit des 19. Jahrhunderts zeugt in Esslingen vor allem die „Weststadt“, ein zusammenhängendes Industriequartier unweit des Bahnhofes. Viele der dort ansässigen Unternehmen verlegten in den vergangenen Jahrzehnten ihren Standort oder lösten sich auf. So standen ab Mitte der neunziger Jahre die meisten der ziegelsichtigen, historischen Fabrikationsgebäude leer. Die Stadt Esslingen machte sich deren Sanierung zur Aufgabe, wobei die Abrissbirne sparsam zum Einsatz kam.
Die erste Sanierungsmaßnahme bildete 1998 die Umnutzung der ehemaligen Feilen- und Messerfabrik Dick in ein Dienstleistungs- und Kulturcenter mit Läden, Fitness-Studios, Gastronomie, Volkshochschule und dem Multiplex-Kinocenter „Moviedick“. Doch während das Konzept als vorbildlich gepriesen wurde, klingelten die Kassen nicht so richtig: Das „Moviedick“ meldete Insolvenz an. Nach umfangreichen Renovierungsmaßnahmen, einer Umgestaltung der Kinosäle und der Modernisierung der Kinotechnik wurde es unter dem Namen „Traumpalast“ schließlich wiedereröffnet.
Wie schon bei der ersten Neugestaltung, wurde erneut die historische Bausubstanz zum Ausgangspunkt eines Spiels mit industriellen Versatzstücken, Materialien und Elementen. Das spannungsreiche Neben- und Miteinander unbehandelter Industriebaustoffe von anno dazumal und aufwändigen, edlen Materialien sowie modernsten Beschichtungstechniken macht den Reiz des neuen Kinocenters aus. Hier wurden unverwechselbare Räume geschaffen, in denen sich die Industrie- und Hallenatmosphäre der ehemaligen Fertigungsstätte fortsetzt und mit moderner Architektursprache verbindet.
Schon der Eingang zum „Traumpalast“ macht Lust auf mehr: Die in die Backsteinfassade „geschnittene“ Stahl-Glas-Konstruktion gibt den Blick frei auf einen blau lasierten Aufzugturm aus Beton, das historische Ziegelsichtmauerwerk und die mit Aluminiumriffelblech belegte Treppe. Der Boden im Eingangsbereich wurde monochrom in Schwarz gestaltet. Im Obergeschoss ist das Foyer mit den Kinokassen und einem großzügigen Barbereich angelegt. Die gesamte Tragkonstruktion und die Installationen aus verzinktem Blech für Lüftung, Sprinkler und Kabelpritschen liegen offen und werden zu wichtigen gestalterischen Elementen.
In diesem vielfältigen Materialkanon wirkt auch der Fußboden: auf die Verlaufsbeschichtung in Orange wurde ein roter Farbton nass-in-nass aufgebracht und mit der Traufel verschlichtet, so dass die ganze Fläche wie lasiert wirkt.
Alle Wände erhielten die ihrer Materialität entsprechende Farbigkeit zurück. So wurden die Ziegelwände in oxidroter Farbpalette mit hellen Fugen bemalt, die tragenden Säulen zeigen eine Betonimitation. Wandflächen am Treppenaufgang zu den Kinosälen zieren cineastische Illusionsmalereien mit Jimmy Dean und Marilyn Monroe. Passend hierzu erscheinen die mit Schlagmetall vergoldeten Betonstützen als luxuriöse Glanzpunkte in dem ansonsten von roher Industriekultur geprägten Ambiente.
Auch die Rückwand des großzügigen Barbereiches wird zum Blickfang. Hinter der fast 25 Meter langen, mit Aluminiumlochblech verkleideten Theke verläuft eine Wandfläche in Rostoptik. Diese Rostimitation ist im Detail äußerst raffiniert: Die Grundfarbe besteht aus dunklen Grautönen, der metallische Schimmer wurde mit Eisenglimmerpigmenten und blau irisierender Farbe erzeugt. Die „Rostflächen“ enthalten außerdem Anstriche in Terrakotta und eisenoxidroten Farbtönen, denen Quarzsand beigemischt wurde, um die raue Oberfläche von ausblühendem Rost und das scheinbare Zersetzen des Eisens zu inszenieren.
Mittlerweile entwickeln sich die Besucherzahlen wie erwünscht, und der neu gestaltete „Traumpalast“ trägt wesentlich zur Belebung des gesamten Areals bei.
Bauherr: Heinz Lochmann, Rudersberg Farbkonzept: Atelier Allgaier, Krautheim Malerbetrieb Fußboden/Wände: Franz Portele, Schorndorf Immitationstechniken und Vergoldung: Achim Merath, Ludwigsburg
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