Startseite » Gestaltung » Farbe & Inspiration »

Überlagerung und Symbiose

Farbe & Inspiration
Überlagerung und Symbiose

Nur wenigen Architekten gelingt es, so souverän Farbe ins Spiel zu bringen, wie Otto Steidle. Und das auch dann, wenn die Farbe so frei ist, sich von der Architektur zu lösen.

Armin Scharf

Seit über 20 Jahren arbeitet der Münchner Otto Steidle mit dem Berliner Erich Wiesner zusammen, wenn es um die Farbe geht. Wiesner ist kein Architekt, sondern Künstler – und nähert sich den Projekten Steidles auf eigenen Pfaden. Dabei scheint er wenig Respekt vor der architektonischen Konzeption der Volumen zu besitzen: Wiesner zerlegt die Körper in Flächen, sein schärfs-tes Werkzeug ist der Farbwechsel direkt auf den Gebäudekanten, der auch recht drastisch ausfallen kann. Dann trifft Blau beispielsweise auf Orangerot oder Grün auf Gelb. Kraftvoll, kontrastreich und leuchtend sind die Farben des Duos Wiesner und Steidle – Lasuren allerdings haben keine Chance, schließlich geht es Wiesner nicht ums „Färbeln“. Trotz der Dynamik sind Wiesners Kompositionen behutsam entwickelte Farbklänge, die stets im Zusammenhang zu sehen sind – tut man dies, so wird plötzlich klar, dass die Farbe durchaus mit dem baulichen Konzept korrespondiert. Steidles Projekte versuchen stets, neue städtebauliche Qualitäten zu schaffen, was besonders bei seinen Wohnbauten zum Tragen kommt. Wege, Höfe, Zwischenräume entstehen nicht durch Zufall, sondern durch sensible Planung und Eingehen auf den Ort. Auch Wiesner schafft mit seinen flächigen Interpretationen ganz eigene Bezüge zwischen den Bauten, auch er betont Räume, Zusammenhänge, schafft Identität durch Polychromie. Beide, Wiesner wie Steidle, sind nicht Jünger der Konformität, sondern suchen nach Möglichkeiten, trotz der wirtschaftlichen Zwänge, die gerne als Alibi für uniforme Siedlungen dienen, Vielfalt und Eigenheiten zu entwickeln. Insofern irritieren die Farbklänge Wiesners nur auf den ersten Blick, die sich übrigens auch erfrischend von jenen Konzepten lösen, die Beliebigkeit oder Rigidität ausstrahlen. Dabei stößt der Berliner immer wieder an die Grenzen der Farbtechnik, weil er sich keiner Farbsysteme bedient und seine kräftigen Töne Pigmentierungshöhen verlangen, die manchen Techniker schockieren. So wundert es nicht, dass die Umsetzung der Konzepte oft Annäherungen sind zwischen dem künstlerischen Wunsch und dem technisch Machbaren.
Aber der Effekt ist stets grandios. So schwärmt der Architekturkritiker Oliver Hamm in der Frankfurter Rundschau angesichts der Neubebauung der Münchner Theresienhöhe: „Die von Weiß über Grau, Gelb, Orange und Grün bis Schwarz changierende Farbpalette (…) lässt den großvolumigen Bau beinahe tanzen – ohne dass es dazu einer postmodernen, dekonstruktivistischen oder Blob-Attitüde bedarf.“
Weil Otto Steidle kürzlich sechzig wurde, widmet ihm das Architekturmuseum der TU München eine Ausstellung in der Pinakothek der Moderne – die man auch als Hommage an die Farbe verstehen darf.
Produkt des Monats
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 4
Ausgabe
4.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de