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Zwischen Licht und Dunkelheit

Farbe & Inspiration
Zwischen Licht und Dunkelheit

Häufig trügt der Schein, auch Farben. Je nach Beleuchtung kann sich ihre Erscheinung dramatisch ändern. Diesen Phänomenen geht ein Forschungsprojekt in Zürich nach.

Interview und Text: Andrea Eschbach

Farbige Schatten, Hell-Dunkel-Effekte und Simultankontrast: Wer mit Farben arbeitet, weiß, dass Farben Gefühle hervorrufen, Täuschungen inklusive. Diese Phänomene haben Künstler, Schriftsteller und Naturwissenschaftler stets beschäftigt. Auch der Zürcher Künstler Ulrich Bachmann, seit 2002 Professor an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich (HGKZ), bewegt sich seit Jahren mit seinen Arbeiten im Feld zwischen Kunst und Forschung.
Bachmanns jüngstes Forschungsprojekt an der HGKZ trägt den Titel „FarbLichtLabor“. In Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater Zürich, und unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds DORE, untersuchten unter Bachmanns Leitung wissenschaftliche Mitarbeitende und Studierende verschiedener Bereiche Phänomene der sinnlichen Wahrnehmung von Farbe und Licht. Die Ergebnisse dokumentiert das Buch „Farben zwischen Licht und Dunkelheit“. Die Publikation aus Buch, CD-Rom und Farbkarten ist dank zahlreicher interaktiver Tools besonders nützlich für Maler: Mit umfangreichem Foto- und Videomaterial, Illustrationen und Animationen kann man die Farb-Licht-Beziehungen auf spielerische Art und Weise entdecken, in die Welt der Farben eintauchen und Situationen modellhaft nachvollziehen. Ist Farbe ein Material, ein physikalisches Phänomen oder eine Empfindung? Dieser Frage geht das multimediale Werk nach. Unsere Wahrnehmung wird darin auf eine harte Probe gestellt. Bachmann verdeutlicht in mehreren Versuchen die Widersprüche zwischen physikalischer Wirklichkeit und visueller Wahrnehmung. „Es macht keinen Sinn, über eine Farbe zu sprechen, die von einem Pigment ausgeht, ohne dass wir auch über das Licht sprechen, das es beleuchtet und den visuellen Kontext, in dem es gesehen wird“, wird der Künstler James Turrell zitiert. In der Tat: Bei Farben trügt der Schein oft. Das Problem kennt jeder Maler. Eine zitronengelb gestrichene Wand erscheint, wenn sich das Licht ändert, dem Betrachter plötzlich in Olivgrün. Farben können uns irritieren: Das gleiche Gelb mutiert unter unterschiedlicher Beleuchtung von Braun-Schwarz über mattes Ocker bis zu strahlendem Sonnengelb. Kaum meinen wir, eine Farbe wahrgenommen zu haben, entzieht sie sich wieder der Zuordnung. Auch weitere Beispiele im Buch und auf der CD-ROM zeigen, wie irritierend unsere Wahrnehmung sein kann. In der Installation „Zwischenfarben“ kann man beobachten, wie unterschiedlich Licht- und Pigmentfarben auf farbiges Licht reagieren. Mit dem Einbezug der Dimension Licht sorgt Bachmanns Projekt für neue Denkanstöße. Ein Ansatz, dem zu wünschen ist, dass er weiterentwickelt wird.
Herr Bachmann, was bringt Ihr Forschungsprojekt dem Fachmann im Malerhandwerk?
Der Handwerker bekommt ein anderes Bewusstsein für die Farbe. Schließlich ist es ja häufig so, dass der Kunde eine Farbe nach Katalog bestellt, die dann – zu seiner größten Überraschung – völlig anders auf der Wand wirkt.
Das ist ja nicht ganz neu.
Nein, aber das Neue an unserem Forschungsprojekt ist, dass es auf die Wechselwirkung zwischen Licht und Farbe fokussiert. Und da gibt es viele überraschende Momente. Beispielsweise kann sich eine Farbe unter dem Einfluss von Licht von hell nach dunkel komplett verändern, ja sogar zu einer anderen Farbe werden: Rottöne erscheinen bei schwacher Beleuchtung braun. Für den Anwender heißt das konkret, dass er immer auch die herrschenden Lichtverhältnisse bei seinen Überlegungen miteinbeziehen muss.
Farben muss man also immer im Zusammenhang mit dem Licht sehen?
Ja, ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn ich abends durch mein Wohnquartier spaziere, werden bei guten Witterungsverhältnissen farbige Schatten sichtbar. Die orangefarbenen Straßenlaternen lassen in der Dämmerung die Schatten blau erscheinen. Das sind alles Beobachtungen, die man modellhaft im Buch nachvollziehen kann.
Wie kann sich jemand, der professionell mit Farbe arbeitet, orientieren?
Die Farbenlehre war und ist ja auch heute noch meist auf das Material Farbe beschränkt. Wir haben ein neues Farbsystem entwickelt, das die Dimension Licht mit berücksichtigt.
Wie funktioniert das?
„Farbdimensionen“ ist ein Set aus 25 beidseitig bedruckten Farbkarten. Auf der einen Seite ist die Karte einfarbig, auf der anderen Seite sind vier Buntgrade gegen Schwarz, Weiss, Hell- und Dunkelgrau abgebildet. Insgesamt sind das also 125 Farben: Mit wenig Karten erhält man also sehr viele Informationen. Es ist ein Malfarbensystem, das auf Gouache-Farben basiert und sich auf Pantone-Farben bezieht. Das System ergänzen Filterfarben, mit denen man additive Farbmischungen herstellen kann.
Wie kann man denn nun zwischen den an das Material gebundenen Farben und ihren Erscheinungen unterscheiden?
Das ist sehr schwierig. Denn es gibt immer nur eine Empfindung von Farbe, die aus dem Zusammenwirken von Oberfläche und Licht resultiert. Alles spielt sich nur im Gehirn ab. Jeder macht sich die Farbe selbst.
Und was raten Sie dem gestaltenden Maler?
Man muss sich für solche Fragen sensibilisieren, damit man in der Praxis kompetent entscheiden kann. Man trifft ja im Alltag immer wieder auf solche Wahrnehmungsphänomene. Man kann also auf diesem Gebiet ständig neue Entdeckungen machen und die eigenen Erfahrungen erweitern.

MEHR INFOS
Im Buch: Farben zwischen Licht und Dunkelheit.
Ulrich Bachmann, Verlag Niggli AG, Sulgen/Zürich 2006; 42 Euro.
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