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Fenstersanierung mit Leinölfarben

Lasuren
Rund um die Uhr

1918 eröffnete Junghans den sogenannten Terrassenbau als Produktionsstätte für hochwertige Uhren. 100 Jahre später wird das einzigartige Industriegebäude als Uhrenmuseum wiedereröffnet. Im Zuge der Sanierung wurden unter anderem die zahlreichen großformatigen Eichenfenster denkmalgerecht mit Leinölfarben saniert.

Autor: Achim Pilz

Die Uhrenproduktion im Schwarzwald hatte über 100 Jahre lang internationale Bedeutung. Junghans, gegründet 1861 in Schramberg, baute von 1916 bis 1918 westlich an das Firmenareal den sogenannten Terrassenbau. Das moderne Gebäude folgt in Stufen der steilen Topografie. Seine neun schmalen, langen Terrassen bieten Arbeitsplätze direkt am Fenster und Tageslicht für die Fertigung der feinmechanischen Produkte. Die atelierartigen Ebenen öffnen sich auf rund 42 Metern talwärts, Richtung Osten mit einer durchgehenden Fensterfront. Durch den Wandel der Produktion stand das Gebäude seit den 1990er-Jahren leer. Dr. Hans-Jochem Steim und sein Sohn Hannes Steim kauften es 2012. Hans-Jochem Steim beauftragte Jürgen Bihlmaier vom Architekturbüro Rapp+Bihlmaier aus Schramberg mit der Sanierung und Umnutzung als Museum für seine große Uhrensammlung.

Kastenfenster aus Eichenholz

Bauzeitlich waren Kastenfenster, Vorgänger der Isolierglasfenster, eingebaut worden. Sie sind aus Eichenholz, meist fest verglast und durchgängig mit Doppelscheiben besetzt. Die größten messen 3,5 x 1,8 Meter. „Das waren damals revolutionäre Fenster“, ist der Architekt begeistert. Ursprünglich waren sie nur mit Leinölprodukten geölt gewesen. In den unteren Etagen waren sie zwischenzeitlich weiß mit Leinölfarben lackiert worden. Die außerordentlich nachhaltigen Bauteile waren gut erhalten und sollten handwerklich instand gesetzt werden. Auf den Austausch der Scheiben und neue Falzdichtungen wurde dabei verzichtet. Die Schreiner glasten zu fünft vier Monate lang die alten Scheiben aus. Viele Scheiben waren noch bauzeitlich und hatten Luftblasen. Auch die Beschläge entlackten und reparierten sie. Die Denkmalpflege forderte eine Überarbeitung des Eichenholzes mit Leinölfarben.

Fenstersanierung mit Leinölfarben

Stefan Glück von „Lehmbau Glück Maler & Stuckateur“ aus Lauterbach arbeitet seit Anfang der 1990er Jahre mit Naturmaterialien. Die aufwendigen aber dauerhaften Leinölfarben benutzt er gerne, auch für Fenster. „Von der Schönheit her geht nichts über ein handgestrichenes Fenster“, betont er. „Ich arbeite immer noch mit einem richtigen Voranstrich. Das muss sein. Der 1, 2, 3-Lack ist nichts für mich. Auch auf normalen Baustellen, bei denen es nicht auf einen Tag mehr ankommt, nehmen wir gerne Standölprodukte für innen und außen.“ Über 8.000 Meter Leisten waren dreifach zu streichen. „Das macht nicht jeder“, weiß der Malermeister. „Ein Angebot für solche Denkmalschutzfenster gibt kaum jemanden ab, obwohl das eigentlich eine sehr schöne Arbeit ist. Und der Preis ist halt auch anders. Ich habe mit 20 Prozent Risikozuschlag angeboten.“ Den Zuschlag hatte er angesetzt, um ggf. sechs Wochen Mehrarbeit aufzufangen. „Und von den 6 Wochen haben wir 2 ½ gebraucht“, berichtet er. „Also gut kalkuliert. Es ist alles sauber gelaufen.“

Bauzeitliche Holz- und Glaswände

Ebenfalls Leinölanstriche erhielten die bauzeitlichen Holz- und Glaswände zwischen Terrassen und Treppenhäusern. Wegen des Brandschutzes hätten die Treppenhäuser von den Terrassenräumen abgetrennt werden müssen. Die Holz- und Glaswände waren dazu aber brandschutztechnisch nicht qualifizierbar. Sie hätten stark verändert werden müssen. „Wir wollten die Eingangstüren zu den Terrassen nicht zerstören“, spitzt Architekt Bihlmaier zu. Nachdem die Terrassen in der Mitte durch Glaswände getrennt waren, konnten beide Teile eigenständig entfluchtet und die Holz- und Glaswände original aufgearbeitet werden.

Professionelle Ausführung

Glück schliff mit sechs Arbeitern sechs Wochen lang die Holzoberflächen gut an. Die alte Leinölfarbe mussten sie dabei nicht gänzlich entfernen. Danach besserten die Schreiner noch einmal zwei Monate lang zu dritt die Hölzer aus. Hierfür verwendeten sie bauzeitliches Eichenholz von ausgebauten Fenstern wieder. Die Rahmen blieben fest montiert. Auch die wenigen Öffnungsflügel wurden vor Ort aufgearbeitet. Dann strichen 2 bis 3 Mitarbeiter Glücks rohe Holzstellen außen mit Ölgrund, innen mit Holzgrund. Nach dem Trocknen behandelten sie innen alles dünnschichtig, ansatzlos und gleichmäßig mit der deutlich fetteren Standöl Vorstreichfarbe und einer weiteren Lage Standölfarbe, beide je nach Terrasse weiß pigmentiert. Die Standölfarben enthalten keine Trockenstoffe und vernetzen durch Aufnahme von Sauerstoff zu einem wasserfesten aber diffusionsfähigen Öllackfilm. Bevor sie überarbeitet werden können, müssen sie mehrere Tage trocknen, was bei den vielen Flächen nicht besonders organisiert werden musste. „Bis wir von oben nach unten einmal durch waren, war alles trocken“, berichtet Glück und ergänzt: „Leinöl muss so aufgetragen werden, dass kein Glanz mehr stehen bleibt.“ Am Tagesschluss ging ein Mitarbeiter durch und beseitigte die extrem selten vorhandenen Glanzstellen mit einem Lappen. Am Ende wurde innen alles mit einer pigmentierten Leinöllasur überstrichen, worauf die Schreiner die Scheiben einsetzten.

Öl – auch für das Parkett

Auf dem Boden der Terrassenräume befand sich ein knapp drei Zentimeter starkes Fischgrätparkett aus Eichenholz. Aufgrund der starken Abnutzungen wurde etwa die Hälfte des Parketts erneuert. Die übrigen Böden wurden repariert, gereinigt und abschließend wieder geölt.

2018 erhielt das Junghans Terrassenbau-Museum den Denkmalschutzpreis des Landes Baden-Württemberg. Honoriert wird damit unter anderem die außerordentliche Denkmalverträglichkeit der Umnutzung.


PraxisPlus

Bautafel: Fenstersanierung am Junghans Terrassenbau

  • Baujahr: 1918, Umnutzung: 2018
  • Bauherr: Immobilienverwaltung Geißhalde GbR
  • Planung, Bauleitung: Architekturbüro Rapp & Bihlmaier, Schramberg
  • Instandsetzung Fenster: Maler & Stuckateur Lehmbau Glück, Lauterbach, King Schreiner, Lauterbach
  • Materialien innen: Holzgrund, Vorstreichfarbe weiß, Standölinnenfarbe seidenmatt weiß, alternativ: Holzöl, 2x Standölinnenfarbe seidenmatt pigmentiert im Eichenton lasiert; alle von Beeck
  • Materialien außen: Halböl, 2x Leinölfarbe dunkelbraun pigmentiert; alle von Caparol Histolith

Mehr Informationen zum Museum sowie ein Video gibt es hier:

https://bit.ly/3yS7gDG

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