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Nebel des Grauens

Farben
Nebel des Grauens

Das Phänomen der plötzlichen Schwarzstaubablagerungen in Wohnräumen ist seit einigen Jahren unter dem Begriff „Fogging-Effekt“ bekannt.

Susanne Sachsenmaier

Unter dem Fogging-Effekt (engl. „fog“ = Nebel) versteht man plötzlich auftretende, schwarze Flecken und rußähnliche, schwarzgraue und ölig schmierige Ablagerungen auf Decken und Wänden, aber auch an Fensterrahmen, Fliesen, Einrichtungsgegenständen oder Lichtschaltern. Diese Ablagerungen entstehen – meist im Winter – innerhalb weniger Tage oder Wochen und lassen sich nur schwer, z.B. mit scharfen Reinigungsmitteln, entfernen.
Sie sind – dies ergab eine Ende der neunziger Jahre vom Umweltbundesamt durchgeführte Fragebogenaktion – nicht auf undichte Schornsteine, defekte Heizungsanlagen oder rußende Verbrennungsvorgänge in der Wohnung (Kerzen, Öllampen) zurückzuführen. Auch Industrie- oder Kfz-Abgase konnten als Ursache für die Ablagerungen ausgeschlossen werden, da in Mehrfamilienhäusern in der Regel nur einzelne Wohnungen betroffen waren.
Sind Weichmacher die Ursache?
Bei der Analyse der Inhaltsstoffe der schwarzen Ablagerungen fand man statt dessen schwerflüchtige, organische Verbindungen (engl. „SVOC“). Alle befallenen Wohnungen hatten, den Ergebnissen der Fragebogenaktion des Umweltbundesamtes zufolge, eines gemeinsam: es handelte sich entweder um Neubauten, oder die Wohnung war kurz zuvor umgebaut oder frisch renoviert worden. Die Ablagerungen traten in den meisten Fällen in der der Renovierung oder Errichtung folgenden Heizperiode auf, in Einzelfällen auch erst in der zweiten Heizperiode.
Dies legte die Vermutung nahe, dass bei der Errichtung oder Renovierung der Wohnungen Produkte eingesetzt wurden, die verstärkt SVOC in die Raumluft abgeben. SVOC, auch besser bekannt als „Weichmacher“ oder „Hochsieder“, sind z.B. in vielen Farben, Lacken und Klebern, aber auch in Teppichböden (insbesondere in solchen mit Schaumrü-cken), Vinyltapeten, Laminaten, Isolierschäumen und Einrichtungsgegenständen enthalten. Die schwerflüchtigen, organischen Verbindungen können monatelang aus den Produkten ausgasen. Dass die schwarzen Ablagerungen hauptsächlich im Winter auftauchen, liegt daran, dass sich das Konzentrationsniveau an SVOC erhöht, wenn geheizt und weniger gelüftet wird. Die SVOC können sich offensichtlich unter bestimmten Bedingungen mit den in der Raumluft vorhandenen Schwebstaubpartikeln zu größeren Teilchen verbinden und sich dann als schmierige Beläge absetzen. Bevorzugt geschieht dies an Außenwandflächen, Wärmebrücken, Kunststoffoberflächen oder im Bereich stromdurchflossener Leiter.
Einen endgültigen Beweis für den Einfluss der Weichmacher auf den Fogging-Effekt gibt es zwar bislang nicht. Jedoch gibt bzw. gab es in der Automobilbranche ein vergleichbares Phänomen (von dort wurde übrigens auch der Begriff „Fogging“ übernommen). Die aus den Kunststoffen im Interieur des Fahrzeugs ausgasenden Weichmacher führ-(t)en zur Bildung eines schmierigen Films auf der Windschutzscheibe. Seit die Automobilhersteller den Einsatz von Weichmachern in den verwendeten Kunststoffen reduziert haben, taucht der Effekt wesentlich seltener auf.
Fogging– ein neues Phänomen?
Bereits in den 70er Jahren wurde von plötzlichen Schwarzstaubablagerungen berichtet. Völlig neu ist das Phänomen also nicht, allerdings tritt es in den letzten Jahren gehäuft auf.
Viele Hersteller von Bau- und Renovierungsprodukten und Einrichtungsgegenständen sind seit einigen Jahren bestrebt, anstelle leichtflüchtiger, organischer Verbindungen (VOC) vermehrt SVOC einzusetzen. Diese Stoffe sind meist nicht zu riechen, in der Regel weniger gesundheitsbedenklich und müssen außerdem nicht als Lösemittel deklariert werden. Denn organische Verbindungen, die einen Siedepunkt über etwa 200 °C besitzen, gelten nicht als Lösemittel. Produkte, die SVOC enthalten, können somit als „lösemittelfrei“ angeboten werden, was heute als gutes Werbe- und Verkaufsargument gilt.
Daneben wird seit der Einführung der Wärmeschutzverordnung von 1995 verstärkt darauf geachtet, dass Gebäude eine besser gedämmte und dichtere Hülle erhalten, um so Wärmeverluste zu vermeiden. Die Kombination von eingeschränktem Luftaustausch im abgedichteten Gebäude einerseits und vermehrt in die Raumluft abgegebener, schwerflüchtiger, organischer Verbindungen andererseits steht im Verdacht, den Fogging-Effekt zu begünstigen.
Obwohl von den Schwarzstaubablagerungen nach gegenwärtigem Kenntnisstand keine Gesundheitsgefährdung ausgeht, so stellen sie doch ein bedeutendes ästhetisches Problem dar, und dieses führt nicht selten zu Streitigkeiten – und das nicht nur zwischen Mieter und Vermieter.
Rechtliche Probleme
Dem Maler kann die Schuld für das Entstehen der schwarzen Ablagerungen jedoch nicht zugewiesen werden. Ausgeführte Malerarbeiten alleine führen nicht zum Fogging-Effekt, denn sonst müssten in allen Fällen, in denen Malerprodukte zum Einsatz kommen, anschließend schwarze Ablagerungen entstehen. Dies ist eindeutig nicht der Fall. In vielen neu errichteten oder renovierten Mietshäusern, in denen in allen Wohnungen identische Bau- oder Renovierungsprodukte eingesetzt wurden, lagerten sich die Beläge nämlich nur in einzelnen Wohnungen ab. Demnach kann man davon ausgehen, dass schwerflüchtige, organische Verbindungen alleine noch nicht zu Schwarzstaubablagerungen führen, sondern dass mehrere auslösende Faktoren zusammenwirken müssen, damit der Effekt ausgelöst wird.
Auch ist es für den Maler schwierig zu überblicken, welche Produkte Weichmacher oder andere SVOC enthalten bzw. emittieren und welche nicht. Auf Herstellerseite gibt es bis heute nur wenige Anbieter, die auf ihren Produkten Weichmacher kennzeichnen. Da vermutlich nicht jedes weichmacherhaltige Produkt die Entstehung der Schwarzstaubablagerungen begünstigt und bis heute kein Produkt ausfindig gemacht werden konnte, das nachweislich zu dem Phänomen führt, sehen die meisten Hersteller bislang keine Notwendigkeit zu einer derartigen Kennzeichnung.
Einige (wenige) Farbenhersteller haben dennoch reagiert und kennzeichnen ihre Produkte eindeutig als „lösemittel- und weichmacherfrei“.
Insbesondere dann, wenn in der Wohnung schon einmal Probleme mit Schwarzstaubablagerungen entstanden sind, ist der Maler gut beraten, diese Farben, Kleber oder Lacke ohne Weichmacher einzusetzen. So dürfte er im Falle eines Rechtsstreits auf der sicheren Seite sein und der Fogging-Effekt für ihn nicht zum „Nebel des Grauens“ werden.
Information:
Weichmacherfreie Innenfarben werden unter anderem von folgenden Herstellern angeboten: Brillux, Caparol, Herbol und Sto.
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