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Nur ein kleiner Eingriff?

Bautenschutz & Denkmalpflege
Nur ein kleiner Eingriff?

Entscheidend für die Funktionsfähigkeit eines Gebäudes, und damit auch für die Schimmelfreiheit von Innenräumen, ist, dass die gesamte Bauphysik nicht zum Negativen hin verändert werden darf. Alle Änderungen an der Gebäudelüftung, Heizungsart und Wärmedämmung der einzelnen Bauteile müssen aufeinander abgestimmt sein, will man nicht riskieren, dass sich vermeintliche Modernisierungen negativ auf die Bauphysik auswirken.

Rainer Jütte, Brillux

Keine Wärmedämmung, Einfachverglasung, luftdurchlässige Fensterfugen und Einzelöfen. In der kalten Jahreszeit ist die Fensterverglasung die kälteste Fläche im Raum, hier kann die überschüssige Luftfeuchtigkeit kondensieren, läuft über den Fensterrahmen in die Wasserrinne und wird von dort über ein kleines Röhrchen nach außen abgeführt.
Die Einzelöfen mit ihrem hohen Anteil an Strahlungswärme sorgen für eine vergleichsweise hohe Wandoberflächentemperatur, die wiederum einer Kondensatbildung entgegenwirkt. Durch ihren hohen Luftbedarf erzeugen die Einzelöfen einen leichten Unterdruck im Raum, der wiederum ein ständiges Nachströmen von Frischluft in die beheizten Räume bewirkt. Eine permanente Lüftung der Räume ist somit auch bei geschlossenen Fenstern gegeben. Die Frischluft strömt über Fenster- und Türfugen in die Räume und die verbrauchte Luft verlässt den Raum durch den Schornstein.
Dieses bauphysikalische System sorgt seit Jahrzehnten für ein gutes Raumklima und schimmelfreie Räume. Es hat natürlich nicht nur Vorteile. Die Sicht durch die Fenster kann an einigen Tage im Jahr durch Eisbildung auf dem Glas eingeschränkt sein und die Beheizung mit z. B. Kohleöfen ist mit einer Portion Arbeit verbunden.
Änderung der Raumheizung als Einzelmaßnahme
Der Einbau einer Zentralheizung mit Konvektionsheizkörpern bewirkt eine Verringerung der Wandoberflächentemperatur und kann allein hierdurch schon zum Tauwasseranfall auf Wandoberflächen führen; Schimmelpilzbefall wird möglich. Der Raumluftwechsel verringert sich durch den nun nicht mehr vorhandenen Unterdruck. Als Folge kann die relative Luftfeuchte, bei gleichem Lüftungsverhalten, steigen, was wiederum die Tauwassermenge auf den kalten Flächen erhöht. Durch diesen Eingriff in die Bauphysik kann nun erstmals eine Lebensgrundlage für Schimmelpilze geboten werden. Und das in Gebäuden, die vorher 50 Jahre schimmelpilzfrei waren.
Änderung der Fenster als Einzelmaßnahme
Nachdem der Einbau einer neuen Heizung in kleinerem Umfang für Schimmelpilzbefall verantwortlich sein kann, wird das Risiko durch den Einbau neuer, dicht schließender Fenster mit Isolierverglasung unter Umständen für größere Probleme sorgen.
Auch wenn der Unterdruck in den Räumen durch eine neue Heizung nicht mehr vorhanden ist, so sorgen die geschlossenen Altbaufenster immer noch für eine hohe Luftwechselrate auf Grund ihrer hohen Fugendurchlässigkeit. Die Luftwechselrate liegt auch bei Windstille im Bereich von einem Luftwechsel pro Stunde.
Durch den Einbau von neuen Fenstern wird sich die Luftwechselrate auf 0,1 – 0,3 Luftwechsel pro Stunde reduzieren. Das spart Heizenergie, führt aber bei höherem Feuchtigkeitsaufkommen zu einer erhöhten relativen Luftfeuchte. Um nun auf die gleiche Luftwechselrate wie vorher, bei geschlossenem Altfenster, zu kommen, muss das neue Fenster etwa sechs Minuten je Stunde weit geöffnet werden.
Weiterhin ist zu beachten, dass nicht nur die Luftwechselrate verringert wird. Die neue Isolierverglasung ist auf der Scheibeninnenseite deutlich wärmer als das bei der Einfachverglasung der Fall ist. Auf zeitgemäßen Isoliergläsern fällt Tauwasser so gut wie nicht mehr an. Selbst bei einer Außentemperatur von –10 Grad Celsius und einer Raumtemperatur von +20 Grad Celsius beträgt die Oberflächentemperatur des Glases ca. +14 Grad Celsius. Erst bei einer relativen Luftfeuchte ab 70 Prozent ist mit Kondensat zu rechnen.
Nun ist es ja erfreulich, wenn die Fensterscheiben nicht mehr durch Tauwasser beschlagen, wären nun nicht die Innenseiten von Gebäudeecken, ebenso wie die Fensterleibungen, mit weniger als +10 Grad Celsius die kältesten Bereiche des Raumes. Mit Kondensatbildung ist bereits bei einer relativen Luftfeuchte von 55 Prozent zu rechnen. Während das Kondenswasser, welches sich auf den Altbaufenstern angesammelt hatte, nach außen abgeführt oder trockengewischt wurde und damit keine Probleme bereitete, führt das Kondensat in Raumecken und Fensterleibungen zwangsläufig dazu, dass den Schimmelpilzen eine wesentliche Lebensgrundlage geboten wird. Genau in den vorgenannten Bereichen findet man nach dem Einbau von neuen Fenstern dann auch den ersten Schimmelpilzbefall. Gleiches gilt auch für andere kühle Flächen im Raum, die durch Wärmebrücken hervorgerufen werden.
Der Einbau neuer, dichter Fenster, in Altbauten mit Konvektionsheizung und geringer Wärmedämmung, ist somit ein Garant für die Entstehung von Schimmelpilzen. Durch vermehrtes Lüften – wie häufig gefordert – ist dem nicht in jedem Fall beizukommen, da Kondensat im Winter bereits bei niedrigen Luftfeuchten (55 Prozent relative Feuchte) anfallen wird.
Anbringen eines WärmedämmVerbundsystems als Einzelmaßnahme
Das alleinige Anbringen einer außenseitigen Wärmedämmung führt zu keinen Nachteilen, wenn Planung und Ausführung fachgerecht erfolgen. Es gilt Wärmebrücken zu vermeiden. Daher müssen im Rahmen dieser Arbeiten auch angrenzende Bereiche (z.B. Kellerdecken, oberste Geschossdecke/Dachboden) beachtet und, falls erforderlich, gedämmt werden. Mit dieser alleinigen Maßnahme wird der Wärmeverlust über die Außenwand verringert und die Innenwandtemperatur angehoben. Der Lüftungswärmeverlust über die Fugen der alten Fenster und Türen bleibt allerdings erhalten, wodurch diese alleinige Maßnahme nicht in jedem Fall zu den erhofften Einsparungen im Bereich der Heizkosten führen wird.
Planung und Kopplung von Maßnahmen
Werden die vorgenannten Einzelmaßnahmen unter Beachtung der ursprünglich vorhandenen Bauphysik gekoppelt, ist es möglich, einen Altbau tatsächlich aufzuwerten und dabei Heizkosten zu sparen. Bei fachgerechter Planung und Ausführung ist eine schädliche Kondensatbildung, die ein Schimmelpilzwachstum begünstigt, auszuschließen.
Bleibt nun noch der Raumnutzer, der einen erheblichen Anteil am Gelingen einer solchen Maßnahme zu tragen hat. Er muss über die Zusammenhänge aufgeklärt sein und braucht darüber hinaus konkrete Hinweise, wie er dazu beitragen kann, dass einerseits Heizenergie eingespart und andererseits das Raumklima als angenehm empfunden wird. Im Wesentlichen müssen nach einer solchen Maßnahme die Lüftungsgewohnheiten angepasst/geändert werden, da die „natürliche“ Fugenlüftung der Altbaufenster entfällt und somit die Luftqualität und die Luftfeuchte nur über ein Öffnen der neuen Fenster angepasst werden kann. Wer viel Feuchtigkeit produziert, muss häufiger lüften. Neben dem Kochen und Duschen sind Topfpflanzen, wenn sie in größerer Menge vorhanden sind, als Feuchtigkeitsproduzenten nicht zu unterschätzen. Die Pflanzen nutzen das Gießwasser fast ausschließlich als Transportmittel für Nährstoffe und geben es anschließend an die Raumluft ab.
Schimmelpilzbefall durch Tauwasser
Wenn die Bauphysik eines Gebäudes negativ beeinflusst worden ist und sich hierdurch Schimmelpilze ansiedeln konnten, gilt es, die Ursachen zu beseitigen. Anregungen dazu finden sich in den vorausgehenden Absätzen.
Wenn die Kosten für die Ursachenbeseitigung in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen, kann der Einsatz einer biozid ausgerüsteten Schimmelschutzfarbe in Erwägung gezogen werden. Dies ist aber nur dann sinnvoll, wenn das Tauwasser z.B. nur in sehr strengen Wintern anfällt oder es um einen kleinflächigen Schimmelbefall geht, wie er häufig in fensterlosen Badezimmern vorkommt.
Da eine Schimmelschutzfarbe die Ursache für die auftretende Feuchtigkeit nicht beseitigt, kann sie auch nicht verhindern, dass sich Tapeten oder Raufaser durch das Tauwasser vom Untergrund lösen. Der Einsatz dieser Anstrichstoffe sollte sich daher auf mineralische Untergründe beschränken.
Auch bei kleinflächigem Oberflächenbefall muss im Rahmen der notwendigen Arbeiten alles vermieden werden, was die Pilzsporen oder Pilzbestandteile aufwirbelt. Befallene Tapeten können satt mit Kleister eingestrichen werden, bevor sie entfernt werden. Dieses verhindert eine Verbreitung der Pilzbestandteile im Raum. Da auch abgetötete Pilzbestandteile allergische Reaktionen hervorrufen können, ist die Reinigung aller Oberflächen, einschließlich der Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände, zu empfehlen.
Nach dem Abtöten des Befalls können Schimmelschutzfarben, direkt auf den Untergrund aufgetragen, einen erneuten Befall langfristig verhindern. Da die Wirkstoffe nicht ausgasen, ist auch mit keiner Gesundheitsgefährdung zu rechnen. Nur bei langanhaltender, hoher Feuchte mit Wassertropfenbildung verringert sich die Wirksamkeit, durch Auswaschen der Wirkstoffe.
Zur Anwendung in bewohnten Räumen sollten nur Schimmelschutzfarben eingesetzt werden, die nach dem AgBB-Schema geprüft und damit ausdrücklich für die Verwendung in Innenräumen geeignet sind. Der Ausschuss für die Bewertung von Bauprodukten, AgBB, hat eine Prüfung erarbeitet, die Bauprodukte unter Gesundheitsaspekten bewertet.
Schimmelpilzsanierungen
Sollte ein großflächiger Schimmelbefall vorliegen, sei er nun durch Kondensatbildung, einen Rohrbruch oder andere Feuchtigkeitseinwirkungen hervorgerufen worden, ist eine Schimmelpilzsanierung – die ein hohes Maß an Fachwissen erfordert – meist unumgänglich.
Vor der Ursachenbeseitigung und der eigentlichen Sanierung muss festgelegt werden, welche Gefährdungen zu erwarten und welche Schutzmaßnahmen daher notwendig sind. Hierbei ist neben dem Arbeitsschutzgesetz auch die Biostoffverordnung zu beachten, da Pilze zu den biologischen Arbeitsstoffen gehören, die gesundheitliche Beeinträchtigungen verursachen können. Bei der Risikoabschätzung gilt es mit Fingerspitzengefühl vorzugehen, da nicht jeder Schimmelpilzbefall automatisch eine Gefahr für den gesunden Raumnutzer oder die Bausubstanz darstellt.
Die umfangreichsten Informationen zum Thema Schimmelsanierung finden sich in den beiden unten genannten Broschüren. Sie sind allerdings nur als Orientierungshilfe zu sehen. Darüber hinaus bieten z.B. die Landesinnungsverbände Lehrgänge an, die mit der Erlangung eines Sachkundenachweises zur Schimmelpilzsanierung abgeschlossen werden. Mit Blick in die Zukunft sollte bei der Auswahl der Lehrgänge auf eine Anerkennung durch die Bau-BG geachtet werden.
Folgende Publikationen sollten beachtet werden: Umweltbundesamt – Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen, http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2951.pdf
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg – Handlungsempfehlung für die Sanierung von mit Schimmelpilzen befallenen Innenräumen, http://www.landesgesundheitsamt.de/servlet/PB/show/1154726/0204_Handlungsempfehlung_ Schimmelpilze.pdf
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