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Historische Pigmente als Konrast zum "Einheitsweiß"

Historische Pigmente
Zeitlos schön

Historische Gebäude setzen einen willkommenen Kontrast zum „Einheitsweiß“ moderner Bauten. Die Farbigkeit passt sich fast immer perfekt in die Umgebung ein, verleiht den Gebäuden ein Gesicht, ohne dabei „laut“ zu wirken. Weshalb das so ist, wird deutlich, wenn man sich mit der Gewinnung historischer Pigmente auseinandersetzt.

Autorin: Susanne Sachsenmaier-Wahl | Fotos: Caparol

Wer in historischen Innenstädten den Blick über die Fassaden schweifen lässt, stellt schnell fest, dass hier zwar deutlich mehr Farbe im Spiel ist als in modernen Wohnsiedlungen, die Palette aber dennoch reduziert ist. „Das früher zur Verfügung stehende Spektrum an Pigmenten war im Vergleich zu heute stark eingeschränkt“, bestätigt Dr. Christian Brandes von der Caparol Baudenkmalpflege. „Für den Anstrich von Gebäuden hat man natürliche Pigmente verwendet, die man entweder aus dem Boden gewann, so genannte Erdpigmente, oder sie wurden bergmännisch abgebaut.“ Ockerfarbtöne beispielsweise werden an historischen Fassaden häufig vorgefunden. Kein Wunder, waren natürliche Ockerpigmente doch leicht aus dem Boden zu gewinnen und somit relativ günstig.

Regionale Unterschiede

Die Gewinnung von Pigmenten aus Erden oder dem Bergbau erklärt auch die regionalen Unterschiede in der historischen Farbigkeit. „Ein gutes Beispiel für die regionale Farbigkeit ist das Pigment Terra di Siena, ein Ockerpigment, das früher aus dem Boden in der Toskana gewonnen wurde. Daher sind alle Fassaden in der Altstadt von Siena ockergelb“, erklärt Dr. Brandes. Und der Experte kennt noch mehr solcher Beispiele: „In Ober- und Niederbayern baute man grüne Erden ab und verwendete diese für Fassadenanstriche, was die Häufigkeit von grünen historischen Fassaden in Bayern erklärt.“ Und dann ist da noch das beliebte Schwedenrot: „In Skandinavien werden Holzhäuser traditionell in einem kräftigen Rot, Schwedenrot oder Falunrot genannt, gestrichen. Bei dem Pigment handelt es sich um ein Abfallprodukt aus dem Erzbergbau im schwedischen Ort Falun.“ Diese regionaltypischen Farben waren erschwinglich und deshalb weit verbreitet.

Vielfarbig oder gar bunt wurde es dagegen nur in Einzelfällen. „Grundsätzlich waren Pigmente sehr teuer, daher wurden meist nur hochherrschaftliche Gebäude oder Sakralbauten farbig gestrichen. Einfache Häuser erhielten meist gar keinen Anstrich, oder sie wurden einfach nur weiß getüncht“, erzählt Dr. Christian Brandes. Vor diesem Hintergrund erstaunt es umso mehr, dass sich heute, in Zeiten, in denen farbige Anstriche nur noch unwesentlich teurer sind als weiße, trotzdem so viele Hausbesitzer „freiwillig“ für Weiß entscheiden. Werten wir es mal wohlwollend als „Understatement“…

Farbe als Zeichen für Reichtum

In früheren Zeiten hielt man dagegen wenig von Bescheidenheit. Wer es sich leisten konnte, ließ sein Gebäude in Farbe hüllen. Richtig bunt wurde es in den meisten Ortschaften dennoch nicht. „Für farbige Fassadenanstriche verwendete man Kalk als Bindemittel, der mit farbschwachen Erdpigmenten abgetönt wurde“ , weiß Dr. Christian Brandes. „Das Pigmentbindevermögen dieser Kalkanstriche war gering. Daher überwogen Pastellfarben. In einigen Regionen, z. B. in Flandern, arbeitete man viel mit Ölfarben, die kräftiger pigmentiert werden konnten.“ Doch auch an farbintensiven Pigmenten mangelte es: „Intensive, natürliche Farbpigmente wie z.B. Malachit (Kupfergrün) oder Azurit (Bergblau) standen kaum zur Verfügung. Ein Extrembeispiel ist Ultramarinblau, das ursprünglich aus Lapislazuli gewonnen wurde und daher unbezahlbar war“, erklärt der Denkmalexperte und fügt hinzu: „Kräftige brillante Farben wurden daher meist nur für Akzente bei hochwertigen Objekten angewendet.“

Intensive Farben

Dennoch findet man immer wieder historische Gebäude, die ein recht intensivfarbiges Kleid tragen. Von Dr. Brandes erfahren wir, dass diese Gebäude in der Regel im oder nach dem 19. Jahrhundert entstanden sind: „Im 19. Jahrhundert änderte sich die Situation. Man war in der Lage, farbstarke Pigmente industriell herzustellen wie z. B. Cadmiumrot und Chromoxidgrün. Im Historismus waren intensive Farben vor allem im Innenbereich von repräsentativen Gebäuden sehr beliebt. Im Odenwald und Spessart sind blaue Fachwerkanstriche aus dieser Zeit nachweisbar. Als Pigment fand man synthetisches Ultramarinblau.“

Farben für die Sanierung

Bei der Sanierung historischer Gebäude versucht man, die einstige Farbigkeit so gut wie möglich wiederherzustellen. Von Dr. Brandes möchten wir wissen, ob die Farben für historische Gebäude heute auch noch mit den Originalpigmenten hergestellt werden. „Die Farbigkeit von natürlichen Pigmenten weist eine starke Streuung auf. Mit diesen Pigmenten kann die Baufarbenindustrie heute keine gleichbleibende und reproduzierbare Qualität herstellen. Ein weiteres Problem sind die begrenzten Ressourcen“, gibt der Experte zu bedenken. Daneben sprächen noch weitere Gründe gegen den Einsatz einiger Originalrezepturen: „Außerdem sind einige historische Pigmente giftig, so z. B. Cadmiumpigmente, und dürfen heute nicht mehr für Bautenfarben verwendet werden. Daher werden historische Farbtöne heute in der Regel mit modernen Industriepigmenten nachgestellt.“ Dennoch werden immer noch „historische“ Pigmente angeboten. Christian Brandes erklärt, warum: „Für die Restaurierung von Kunstobjekten und Wandmalereien verwenden Spezialisten auch weiterhin historische Pigmente.“

Auch hinsichtlich ihrer Beständigkeit wären einige der früher üblichen Pigmente nicht mehr ausreichend. „Die Beständigkeit der früher verwendeten Pigmente war sehr unterschiedlich. Die Erdfarben enthielten farbstabile Metalloxide, waren also sehr beständig. Andere Pigmente, wie z. B. die rote Menninge, waren weniger lichtecht“, fasst Brandes zusammen.

Farbfächer für historische Gebäude

Um mit modern produzierten Farben dennoch die originale Farbigkeit historischer Gebäude so gut wie möglich abbilden zu können, werden spezielle Farbfächer entwickelt. Auch Caparol bietet seit einigen Jahren einen Farbtonblock an, der die authentische Farbgestaltung historischer Gebäude vereinfachen soll. Selbst regionale Farbigkeiten wurden dabei berücksichtigt, wie Dr. Christian Brandes betont: „Im Rahmen eines Projekts haben wir uns vor einigen Jahren sehr intensiv dieser Thematik gewidmet. Als Resultat daraus ist die Kollektion Histolith Klassik entstanden. Als Vorlage für die darin enthaltenen Farbtöne dienen einerseits historische Pigmentfarben und darüber hinaus auch regionaltypische Erd- und Steinfarben, z. B. Bayerische Grüne Erde und Gelber Mainsandstein.“ Sämtliche 234 Farbtöne des Fächers lassen sich mit lichtbeständigen anorganischen Pigmenten in Histolith-Produkten herstellen. Eine Besonderheit ist, dass diese hochwertigen Pigmente auch für die eigens von Caparol hergestellte Druckfarbe des Farbfächers verwendet werden. Auf diese Weise wird eine sehr hohe Übereinstimmung der Fächerfarbe mit dem final verwendeten Anstrichmaterial erreicht.

Zeitgemäß und zugleich zeitlos

Obwohl die Farbtöne an historische Vorbilder angelehnt sind, sind sie keineswegs „out“. Stattdessen halten einige historische Farbtöne immer wieder Einzug in die moderne Farbgestaltung. „Es gibt gewisse Klassiker, die von Zeit zu Zeit wieder belebt werden“, bestätigt Brandes und konkretisiert dies an einem Beispiel: „Synthetisches Ultramarinblau stand ab dem 19. Jahrhundert zur Verfügung und wurde dann auch für die Architekturfarbigkeit verwendet. In den 1950er-Jahren sorgte Yves Klein mit einem auf Ultramarinblau basierenden Farbton, dem von ihm patentierten International Klein Blue, in der Kunstwelt für Aufsehen. Auch in der Mode taucht dieses Blau alle Jahre wieder auf.“

Daneben gibt es schlichtweg „Klassiker“, die in der Fassadenfarbigkeit nicht wegzudenken sind. Ocker etwa ist so ein „Dauerbrenner“. Brandes weiß, warum: „Eines der ältesten bekannten Pigmente ist Ocker. Dieses Erdpigment war weit verbreitet. Ockerpigmente werden heute im industriellen Maßstab produziert. Es handelt sich um farbstabile Eisenoxide, die ideal für den Fassadenanstrich sind. Es lassen sich damit warme Gelbfarbtöne herstellen, die mit Sicherheit immer gefragt sein werden. Oxidrote Farben hat man früher durch Brennen von Ocker hergestellt. Dabei entsteht Eisenoxidrot, auch Englischrot genannt. Diese klassischen roten Farbtöne sind ebenfalls sehr beständig und werden daher stets Bestandteil der Architekturfarbigkeit sein.“

Hinsichtlich moderner Anstrichstoff-Technologien müssen dabei keine Abstriche gemacht werden: „Diese Farbtöne können wir natürlich auch mit modernen Bindemittelsystemen herstellen“, versichert Brandes.

Hier geht es zum Farbfächer Histolith Klassik: https://bit.ly/3AAGKjk


Dr. Christian Brandes, Caparol Baudenkmalpflege

„Das früher zur Verfügung stehende Spektrum an Pigmenten war im Vergleich zu heute stark eingeschränkt.“

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