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Geregelter Aufstieg

Technik
Geregelter Aufstieg

Den Umgang mit Leitern, Gerüsten, Arbeitsbühnen regeln Gesetze und Normen. Wer jetzt an Paragrafendschungel denkt, liegt in diesem Falle falsch. Denn diese Vorschriften schützen Mitarbeiter vor Abstürzen und deren Folgen. Steigtechnik erfordert ein hohes Maß an Sicherheit, damit Maler und Stuckateure sicher aufsteigen können.

Bärbel Bosch

Für Maler und Stuckateure sind Leitern und Gerüste alltägliche Arbeitsmittel und Hilfen. Selten sehen sie in diesen Geräten eine Gefahr. Leider entstehen aber aus Sorglosigkeit, Hektik oder Bequemlichkeit fatale Unfälle. Jährlich melden Berufsgenossenschaften über 26.000 Unfälle durch den Sturz von Leitern. Etwa 70 Prozent dieser Unfälle resultieren aus dem Fehlverhalten der Nutzer. Dazu gehören nicht standsicheres Aufstellen, Wegrutschen glatter Leiterfüße, seitliches Herauslehnen, unsicherer Halt, ruckartiges Bewegen, überhastetes Auf- oder Absteigen, das Umstürzen einer ungesicherten Leiter im Verkehrsweg oder auch nicht bestimmungsgemäßes Verwenden einer Leiter. Das Risiko eines Absturzes wird meist unterschätzt. Dabei ist die Arbeit auf hohen Leitern und Gerüsten nicht zwangsläufig auch am gefährlichsten. Auch bei Abstürzen aus geringen Höhen kommt es immer wieder zu schweren Verletzungen der Wirbelsäule sowie des Kopf- und Brustbereiches, da die Reaktionszeit nicht ausreicht, um instinktiv eine schützende Körperhaltung einzunehmen. Cirka 1.800 der Leiterunfälle führen zu einer Rentenzahlung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und etwa fünfzehn Fälle pro Jahr enden sogar tödlich.
Leitern
Eine Reihe von Vorschriften und Regeln tragen dazu bei, die Risiken so gering wie möglich zu halten. Leitern sollen nur für den Zweck eingesetzt werden, für den sie konstruiert wurden. Das heißt, Stehleitern dürfen nicht als Anlegeleitern und Anlegeleitern nicht als Brücke oder Laufsteg benutzen werden. Von Ausnahmen abgesehen sind Stehleitern sicherer als Anlegeleitern und daher zu bevorzugen. Anlegeleitern sind nicht als ständiger Arbeitsplatz erlaubt: Auf ihnen dürfen nur Arbeiten ohne größeren Kraftaufwand und mit nur geringem Umfang erledigt werden – zum Beispiel kleine Ausbesserungen an Decken und Wänden.
Wer auf qualitativ hochwertige Leitertechnik setzt, schließt zumindest die materialbedingten Ursachen für Abstürze weitgehend aus. Berufliche Nutzer von Leitern müssen zudem jährliche Leiterprüfungen durchführen (lassen), um den ordnungsgemäßen Zustand zu gewährleisten. Besonders sicher arbeitet, wer bei Leitern auf Details achtet: „Hochwertige Modelle bestehen aus stranggepressten Profilen und Aluminiumlegierungen mit besonders hoher Festigkeit. So ist das Durchbiegen kein Thema mehr und die Leitern verziehen sich nicht“, weiß Ralf Nöltker, Ingenieur und Entwicklungsleiter bei Euroline.
Leitern werden nicht neu erfunden, aber die sicherheitstechnischen Anforderungen steigen und somit entwickelt sich die Technik bei Leitern, natürlich auch bei Gerüsten und Arbeitsbühnen, immer weiter. Selbst bei traditionellen und einfachen Arbeitsmitteln wie der Sprossenstehleiter und der Stufenstehleiter gibt es immer wieder Neuerungen, sei es in technischer oder ergonomischer Hinsicht. So werden Leitern und Gerüste immer handlicher und erfüllen dabei auch die gesetzlichen Anforderungen, Normen und Vorschriften. Für ein komfortables und rückenschonendes Handling von Leitern hat Günzburger Steigtechnik einen ergonomischen Tragegriff „ergo-pad“ für Stufenleitern und die Rollentraverse „roll-bar“ für Sprossenleitern entwickelt. Die Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritten (BGI 694) rät explizit, für den Transport von schweren und sperrigen Leitern Transportrollen zu benutzen. Die „ergo-pad“-Griffzone ermöglicht dem Anwender ein besonders rückenschonendes Tragen von Stufenleitern, weil er die Leiter automatisch im optimalen Tragepunkt greift. Ein weiterer Pluspunkt ist die integrierte Holmsicherung, die über einen Klemmmechanismus die Holme der Leiter stets zusammenhält. Die Leiternholme werden beim Zusammenklappen ohne zusätzlichen Handgriff arretiert und können leicht wieder gelöst werden.
In der verschärften Norm DIN EN 131–2 wurden die Werte für die Festigkeits- und Abknickprüfung der unteren Holmenden angehoben, für Stehleitern wurde eine Aufwipp-Prüfung und für Leiterfüße eine Zugprüfung eingeführt. „Das Anheben der Belastungswerte und die vielen Ergänzungen gegenüber der Vorgängerversion leisten einen wichtigen Beitrag dafür, das Qualitätsniveau auf dem Leitermarkt insgesamt anzuheben und die Arbeitssicherheit für die Anwender zu erhöhen“, sagt Ferdinand Munk, Geschäftsführer der Günzburger Steigtechnik GmbH.
Für die Arbeit im Innenbereich empfiehlt sich meist eine Stufenleiter. Für länger oder häufig anfallende Arbeiten eignen sich Podest- und Plattformleitern. Der VDL (Verband Deutscher Leitern- und Fahrgerüstehersteller) empfiehlt, in allen Fragen rund um Leitern die „Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritten BGI 694“ zu beachten.
Der wesentliche Teil der gewerblich eingesetzten Leitern besteht aus Aluminium. Die Argumente dafür liegen im geringen Gewicht, der hohen Festigkeit sowie Korrosionsbeständigkeit. Anlegeleitern müssen so lang sein, dass sie mindestens einen Meter über die Austrittsstelle hinausragen. Wichtig ist zudem der richtige Anlegewinkel (zwischen 65 und 75 Grad), damit ein Kippen beziehungsweise Abrutschen verhindert wird. Bei Stehleitern darf die oberste Stufe nur bestiegen werden, wenn eine Sicherheitsbrücke und ein Haltebügel vorhanden sind. Außerdem muss eine Spreizsicherung vorhanden sein.
Teleskopierbare Podestleitern sorgen für ermüdungsfreies Arbeiten und sind eine sichere Alternative für Orte, an denen ein fahrbares Gerüst oder eine Arbeitsbühne nicht zum Einsatz kommen können. Durch eine Umwehrung des Arbeitsplatzes ist auch für Absturzsicherung gesorgt. Im Vergleich zu Gerüsten entfallen beim Auf- und Abbau die Rüstzeiten.
Übrigens schreibt die EU-Richtlinie 2001/45/EG unter Punkt 4.1.2 die Verwendung von Gerüsten oder Arbeitsbühnen vor, wo bisher Leitern benutzt werden konnten: „Die Benutzung einer Leiter als hochgelegener Arbeitsplatz ist auf Umstände zu beschränken, bei denen (…) die Benutzung anderer, sichererer Arbeitsmittel wegen des geringen Risikos und entweder wegen der geringen Dauer der Benutzung oder der vorhandenen baulichen Gegebenheiten, (…), nicht gerechtfertigt ist.“
Gerüst
Bei Gerüsten ist es unerlässlich, für sicheren Stand zu sorgen, die maximale Belastbarkeit zu beachten und bei fahrbaren Konstruktionen vor der Benutzung die Rollen festzustellen. Um ein Umkippen zu vermeiden, sollten fahrbare Gerüste nur in Längsrichtung verschoben werden. Mehr noch als bei Leitern muss bei Gerüsten das Risiko eines Absturzes besonders berücksichtigt werden. So sind für alle Gerüste mit einer Absturzhöhe von mehr als zwei Metern dreiteilige Absturzsicherungen vorgeschrieben. Sie bestehen aus Bordbrett, Zwischenholm und Geländerholm. Einzige Ausnahme: Steht das Gerüst über Wasser oder anderen festen oder flüssigen Stoffen, in denen man versinken kann, sind Absturzsicherungen unabhängig von der Höhe des Gerüstes erforderlich. Das von Layher entwickelte P2-Sicherheitsaufbaukonzept bietet Plattformen im Vertikalabstand von zwei Metern und eine sichere Bauform mit integriertem, kollektivem Seitenschutz.
Für temporäre Arbeiten eignen sich beispielsweise Fahrgerüste, da sie schnell und mühelos beweglich sind. Bei einfachen, kleineren Reparaturen muss nicht die ganze Fläche eingerüstet werden, sondern das Gerüst lässt sich im Zuge der Arbeit mitführen. Bei diesen Gerüsten handelt es sich um einfeldrige Gerüstkonstruktionen aus vorgefertigten Systembauteilen, die planmäßige Maße, mindestens vier Fahrrollen und als Arbeitsfläche eine oder mehrere Belagflächen – auch Plattformen genannt – aufweisen.
Innerhalb von Gebäuden begrenzt die Norm die Standhöhe auf maximal 12 Meter. Außerhalb ist eine Standhöhe von höchstens acht Metern gestattet, da die Konstruktionen Windlasten ausgesetzt sind. Deutlich günstiger in der Anschaffung als Fassadengerüste punkten Rollgerüste auch im Hinblick der Anschaffungsinvestitionen und sind kostengünstig beliebig erweiterbar.
Rollgerüste gibt es etwa bei Layher oder der Günzburger Steigtechnik als Baukastensystem in vielen Größen, z.B. verschiedene Plattformbreiten, Plattformlängen und Gerüsthöhen von ein bis zwölf Metern. So orientiert sich die Konstruktion an den individuellen Anforderungen der Anwender. Für den sicheren Auf- und Abstieg auf die Plattformen sollten rundum verschweißte, rutschsichere Aufstiegssprossen sorgen, die mit Hilfe der höhenverstellbaren Fahrrollen auch auf unebenem Gelände sicher bestiegen werden können. Fahrgerüste werden von einer unabhängigen Prüfstelle auf ihre Sicherheit geprüft. Problematisch ist die Situation bei Billigprodukten, insbesondere aus Fernost, welche häufig ein GS-Zeichen verwenden, ohne jedoch die entsprechenden Normen zu beachten.
Unternehmen, die Leitern oder Gerüste als Arbeitsmittel einsetzen, sollten darauf achten, dass die Leitern nach den europäischen Normen hergestellt sind bzw. von einer unabhängigen Prüfstelle auf Arbeitssicherheit untersucht werden (GS). Die deutschen Hersteller, welche für solche DIN-gerechte Herstellung garantieren, sind zu 80 bis 90 Prozent im Verband der Deutschen Leitern- und Fahrgerüstehersteller VDL organisiert. Hier wird besonderes Augenmerk auf die Normungsarbeit gelegt.
Befähigte Personen
Die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) § 10 Absatz 1 „Prüfung der Arbeitsmittel“ schreibt vor, dass der Arbeitgeber für die Sicherheit der Arbeitsmittel verantwortlich ist. Die Prüfung darf nur von hierzu befähigten Personen durchgeführt werden. Aus fachlicher Sicht besitzt der Maler- und Lackierermeister eine ausreichende Befähigung als Aufsichtsführender und Prüfer der Gerüstmontage, sowie als Prüfer vor der Benutzung der Gerüste und Leitern. Der Geselle besitzt nach spezieller Unterweisung zur Benutzung von Leitern und Gerüsten die ausreichende Befähigung, um die Prüfung durchzuführen. Schulungen bietet u. a. der VDL an.
Für Schulungen im Bereich Arbeitsbühnen gibt etwa die IPAS Auskunft: Die International Powered Access Federation fördert im weitesten Sinn weltweit den sicheren und effektiven Einsatz von Höhenzugangstechnik. Die Prüfung endet mit der PAL-Card (Powered Access Licence). Sie ist fünf Jahre lang gültig, danach muss die Schulung aufgefrischt werden.
Für welche Steighilfen sich das Malerunternehmen auch entscheidet, neben den wirtschaftlichen Aspekten und äußeren Faktoren sollte vor allem die Sicherheit im Vordergrund stehen.

praxisplus

Der Verband Deutscher Leitern- und Fahrgerüstehersteller e.V. hat auf seiner Homepage umfassendes Material (Themen wie Normen, Gesetze, BG-Vorschriften, Prüfverfahren) zum Download. Ebenso finden Sie eine Übersicht auf der Malerblatt-Website im Bereich Downloads.
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