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Im zweiten Anlauf

Technik
Im zweiten Anlauf

Der historische Kaisersaal in Berlin wurde nur wenige Jahre nach seiner Neueröffnung wieder saniert.

Dagmar Riefer

Bauliche Mängel und ein fehlerhafter Anstrichaufbau hatten dazu geführt, dass die Beschichtung in dem sanierten Kaisersaal im Berliner Sony-Center bereits nach wenigen Jahren wieder schadhaft war. Im Sommer 2008 traten deshalb erneut die Maler an.
Der Kaisersaal kann auf eine sehr bewegte Geschichte zurückblicken. Zur Kaiserzeit war er als Bestandteil des „Grandhotel Esplanade“ die erste Adresse, wenn Kaiser Wilhelm II mit seinen Gästen dinieren und feiern wollte. In den Goldenen Zwanziger Jahren trafen sich hier Industriemagnaten, Künstler und Filmstars zu rauschenden Festen. 1944 dann wurde das Hotel Esplanade zu fast 90 Prozent zerstört. Aber auch nach dem Krieg war der Kaisersaal noch ein Ort, an dem Bälle und Modeschauen veranstaltet wurden, bei denen auch mal „die Dietrich“ oder „die Knef“ vorbeischauten. Ab 1961 war es dann zu Ende mit dem mondänen Treiben, denn das ehemalige Nobel-Etablissement fristete jetzt ein Dasein im Schatten der Mauer. Nur kurze Zeit war etwas vom alten Glamour zu spüren, als die Ruine des „Esplanade“ 1972 als Kulisse für den preisgekrönten Film „Cabaret“ mit Liza Minelli diente. Auch 1986 rückte noch einmal ein Filmteam an, um Szenen für den Wim Wenders-Film „Himmel über Berlin“ zu drehen.
Aus seinem Dornröschenschlaf erwachte der Kaisersaal aber erst nach der Wende. Inzwischen unter Denkmalschutz, wurde er 1996 aus dem Ruinenensemble herausgelöst, in einer spektakulären Aktion mittels Hubvorrichtungen und Hydraulik-Pumpen angehoben, um 75 Meter verschoben und in das zu dieser Zeit neu entstehende Sony-Center integriert. Die wilhelminische Pracht mit ihren eleganten Stuckornamenten an Decke und Wänden wurde aufwändig restauriert und der Kaisersaal als Restaurant und Veranstaltungsort wieder eröffnet. Schnell wurde er zur beliebten „Location“ für Hochzeiten und andere festliche Ereignisse.
Neuer Glanz – nicht von Dauer
Um das Jahr 2005 herum war es jedoch fast schon wieder vorbei mit der neuen Pracht. Ein hinzugezogener Gutachter diagnostizierte starke Rissbildungen und Abplatzungen des Anstrichfilms. Auch der Untergrund war rissig, stellenweise sehr rau und kreidete stark. Dies ließ auf eine mangelhafte Vorbehandlung des Untergrundes, eine falsche Zusammensetzung des Putzes oder eine Versprödung des Grundanstrichs schließen. Der Sachverständige vermutete des Weiteren, dass bei der letzten Sanierung ein Kunstharzlacksystem eingesetzt worden war. Dies war – sehr materialtypisch – im Laufe der Zeit versprödet und mangels ausreichender Haftung am Untergrund großflächig abgeplatzt. Der ölhaltige Anstrich war zudem auf einen hoch alkalischen Putz-untergrund aufgebracht worden, was den Film in Teilen zerstört hatte.
Der Gutachter empfahl, unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und des Denkmalschutzes den alten Anstrich teilweise herunterzuholen. Auch mehlende Schichten und loser Putz sollten entfernt und Risse im Untergrund saniert und mit einem Glasfaservlies überbrückt werden. Danach sollte der Anstrich fachgerecht neu aufgebaut werden.
Seidenlüster-Effekt
Dabei wünschte der Bauherr ein umweltschonendes Anstrichsystem mit möglichst wenig Geruchsbelästigung. Das Material musste angesichts der nahe bevorstehenden Wiedereröffnung rationell aufzubringen sein und dabei schnell trocknen. Vor allem aber war ein edler seidenglänzender Lüster des Anstrichfilms gefordert. Nicht zuletzt wohl aus diesem Grund war bei der ersten Sanierung ein Alkydsystem eingesetzt worden. Der Berliner Malermeister André Jozefowski und sein Team versuchten nun, den Auftraggeber davon zu überzeugen, dass ein solcher Effekt auch mit anderen, für diesen Untergrund wesentlich geeigneteren Materialien zu erreichen war. In Zusammenarbeit mit Michael Schacht-Maruhn, Regi-onalleiter der CD-Color, Herdecke, wurden verschiedene Musterbeschichtungen angelegt. Der Bauherr entschied sich schließlich für die Lösung mit der Acryl-Innendispersion. Dies vor allem deshalb, weil der ausgeprägte Seidenglanzeffekt der Beschichtung die vielen Stuckdetails ausdrucksstark betont und das hochdeckende aber dünnschichtige Material auch sehr feine Strukturen nicht zuschlämmt. Das Material ist dabei emissions- und lösemittelfrei (ELF). Darüber hinaus ist der hochwertige Schutzanstrich nassabrieb- und scheuerbeständig und nimmt auch die mechanischen Belastungen nicht übel, denen Wände in gastronomischen Betrieben nicht selten ausgesetzt sind.
Zunächst wurde die gesamte ca. 380 Quadratmeter große Fläche mit Contact-Primer vorbehandelt, der auf alten Anstrichen und Lackierungen und auf vielen kritischen Untergründen eine sichere Haftbrücke bildet. Nachdem die Grundierung über Nacht getrocknet war, folgte die zweimalige Beschichtung mit einer Arcyl-Innendispersion im Farbton Keim 9255, einem edlen Crémeton. Um ein besonders schönes Oberflächenfinish zu erzielen und um den engen Zeitrahmen sicher einzuhalten, wurden sowohl die Grundierung als auch die Dispersion im Airless-Spritzverfahren aufgebracht. Beide Materialien konnten dabei unverdünnt direkt aus dem Gebinde verarbeitet werden. Da die Innenwandfarbe extrem schnell trocknet und bereits nach drei bis vier Stunden überarbeitbar ist, konnten Erst- und Zweitanstrich sogar am selben Tag erfolgen.
Im August 2008 waren die Sanierungsarbeiten termingerecht abgeschlossen und der Kaisersaal erstrahlte wieder im alten Glanz. Und es steht zu vermuten, dass dieser Glanz diesmal von langer Dauer ist.

kompakt
Nach der umfangreichen Sanierung kann der Kaisersaal in Berlin wieder für Veranstaltungen und festliche Ereignisse genutzt werden.
Telefon: (030) 25751454
Bautafel
Objekt: Sanierung Kaisersaal Berlin, Potsdamer Platz
Ausführung: Jozefowski & Team, Malerwerkstatt GmbH, Ehrlichstraße 54, 10318 Berlin
Fachgroßhändler: MEGA Berlin
Fachberatung: Michael Schacht- Maruhn, CD-Color GmbH & Co. KG, Herdecke
Materialien: Lucite Lactec Contact- Primer, Lucite Inside Satin
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