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Klein und fein

Technik
Klein und fein

Nano klingt gut. Nano revolutioniert die Materialwelt. Nano verspricht Wirtschaftswachstum. Kurz: Nano ist der Hype. Und nun kommt Nano in die Lacke.

Armin Scharf

Eigentlich, so Dr. Jochen Winkler von der Sachtleben Chemie, sei „die Verwendung nanoskaliger Pigmente und Füllstoffe“ für die Lackindustrie „nicht wirklich neu“. Winkler, Leiter der Forschung beim Duisburger Pigmenthersteller, verweist auf Ruße, Buntpigmente, transparente Eisenoxide und feinteilige Füllstoffe, die „seit Jahrzehnten unverzichtbare Lackbestandteile“ sind.
Also ist Nano kein Thema? Doch – allmählich erschließen sich die Rohstoff- und Lackproduzenten ein Potenzial, das in Einzelfällen segensreiche Aussichten bringt. Beispielsweise für die Fahrzeuglackierung, für den Korrosionsschutz oder die Wärmedämmung. Zwar sind die Lackhersteller nicht von Euphorie ergriffen – dafür sind die Experten in den Labors viel zu sehr Realisten – doch in bestimmten Segmenten herrscht Aufbruchstimmung. Das spürte auch das Forschungsinstitut für Pigmente und Lacke: Zusammen mit dem Vincentz-Verlag veranstalteten die Stuttgarter das Symposium „Nanotechnologie in der Lackpraxis“ – ob der großen Nachfrage gleich mit Wiederholung. Hier stellten Experten wie Dr. Winkler ihre bisher gesammelten Erkenntnisse über das Zusammenspiel von Nano- und Lacktechnik vor.
Nano hat stets zwei Seiten
Vom Nanobereich spricht man, wenn die Strukturen oder Partikel eine Größe von 100 nm unterschreiten (1 m entspricht 100 000 000 nm, 1 µm entspricht 1 000 nm). Mit dieser enormen Minimierung der Abmessungen verändern sich die Eigenschaften der Stoffe dramatisch, was ganz neue Funktionalitäten ermöglicht. Beispielsweise hoch kratzfeste Beschichtungen, selbstreinigende Oberflächen, photokatalytisch wirksame Schichten, neue Perspektiven für den UV- oder Korrosionsschutz sowie schaltbare oder selbstreparierende Lacke.
Dass dabei mitunter widersprüchliche Eigenschaftsprofile zu beherrschen sind, zeigt sich am Titandioxid. Als Weißpigment mit Teilchengrößen von 180 bis 350 nm streut TiO2 Licht im sichtbaren Bereich, wirkt daher weiß. Wird TiO2 bis auf eine Feinteiligkeit von 15 bis 50 nm gemahlen, dann streut es überhaupt kein Licht, ist somit – bis auf die selektive Streuung des blauen Lichts – transparent. Gleichzeitig reagiert TiO2 bei einer Teilchengröße unter 25 nm höchst aktiv auf UV-Bestrahlung und bildet an der Oberfläche hochreaktives Wasserstoffperoxid. Dieser photokatalytische Vorgang eignet sich, Mikroorganismen (auch Algen) an der Oberfläche abzutöten, einen Selbstreinigungseffekt anzuregen oder gar Schadstoffe wie Stickoxide in der Luft abzubauen. Gleichzeitig aber kann ein Abbau der Bindemittelmatrix, in der das Pigment eingebunden ist, ablaufen – ein wenig wünschenswerter Effekt.
Dennoch sind die ersten photokatalytischen Beschichtungsprodukte bereits auf dem Markt. Maxit bietet mit Airfresh einen mineralischen Edelputz auf Gipsbasis für den Innenbereich an, der Schadstoffe und Gerüche in der Raumluft aktiv beseitigen soll. Das Handicap: Der Putz ist nur in Weiß erhältlich und darf logischerweise nicht überstrichen werden.
Und das EU-Projekt PICADA fördert die Entwicklung von Baustoffen für den Außenbereich, die Luftverschmutzungen abbauen.
Glanz und Härte
Mit der Feinteiligkeit von Partikeln nimmt bekanntlich deren Oberfläche zu – ein Gramm nanoskaliges Zinkoxid beispielsweise entspricht einer Oberfläche von rund 20 Quadratmetern. Rein rechnerisch sind so rund 30 Prozent mehr Bindemittel zur vollständigen Umhüllung notwendig. Gleichzeitig zeigen Beschichtungen mit Nanopartikeln ein sprunghaftes Ansteigen der Viskosität. Farbverschiebungen und sinkende Lichtechtheit sind ebenfalls Begleiterscheinungen von immer kleineren Pigmenten. Auf der anderen Seite verbessern sich Glanzbeständigkeit, chemische und mechanische Belastbarkeit. PPG hat nach vier Jahren Entwicklung den ersten Clear Coat für die Pkw-Serienlackierung bei DaimlerChrysler eingeführt, der mit nanoskaligen Siliziumoxid-Teilchen und einem durch Siloxan-Polyol verstärkten Bindemittel eine sehr hohe Vernetzungsdichte zeigt und die SiO2-Teilchen fest in diese Matrix einlagert. Das Ergebnis ist eine Oberfläche, die deutlich länger abrasiven Beanspruchungen widersteht.
UV-Schutz für Holz
Als nanoskaliges Pigment mit Größen zwischen 10 und 60 nm lässt sich Zinkoxid (ZnO) als transparenter und hoch wirksamer UV-Absorber einsetzen. Degussa hat bereits erste Versuche abgeschlossen, bei denen man einer transparenten Acryl-Holzbeschichtung zwischen einem und drei Prozent ZnO beigab. Auf Kiefernholz appliziert, zeigen sich erfreuliche Verbesserungen der UV-Beständigkeit des Holzes.
BASF experimentiert derweil mit SiO2-Partikeln (kleiner als 30 nm) in Dispersionen, die transparente Nanocompositfilme ergeben mit minimaler Wasseraufnahme bei vielfach besserer Wasserdampfdurchlässigkeit. Gleichzeitig nimmt die Härte und die chemische Beständigkeit zu. Allerdings verlangt das Dispergieren der SiO2-Partikel im Bindemittel noch besondere Sorgfalt.
Antibakterielle Wand?
Mit nanoskaligen Silberteilchen stattet der österreichische Produzent Adler seine Wandfarbe Medicolor für antibakterielle Wirkung aus. Silberionen wandern an die Oberfläche der Beschichtung und zerstören dort Keime und Bakterien. In besonderen Anwendungen, beispielsweise in Kliniken, Altenheimen oder Arztpraxen kann dieses Prinzip durchaus Sinn machen. Allerdings, so sei hier angemerkt, müssen die Keime direkt mit der Beschichtung in Kontakt kommen – bei einer Wand ist das wohl ein eher untergeordneter Vorgang. Türklinken, sanitäre Gegenstände oder medizinische Hilfsmittel mit antibakterieller Ausstattung sind weit wirkungsvoller.
Dünner dämmen
Nanoporöse Schaumstoffe könnten dereinst der Wärmedämmung neue Impulse geben, weil aus verbesserten Dämmwerten kleinere Dämmstoffdicken resultieren. Konventionelle Polystyrol-Dämmplatten werden über ein Treibmittel, das gasförmig in den Poren und Hohlräumen verbleibt, aufgeschäumt. Weil diese Poren relativ groß sind, befinden sich dort vergleichsweise viele Gasmoleküle, die durch Kollision Wärmeenergie übertragen und so die Dämmwirkung reduzieren. Bei Nano-Poren ist die Zahl der darin befindlichen Moleküle so klein, dass die Zusammenstöße mit der Porenwand dominieren und daraus ein viel geringerer Wärmeefluss im Dämmstoff entsteht. Erste Erfolge ließen sich in den Labors der BASF messen.
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