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Polyurethan-Lack: Lack in Bestform

Das Malerblatt hat den Polyurethan-Lack unter die Lupe genommen
Polyurethan-Lack: Lack in Bestform

Ein neuer wasserbasierter 1K-Polyurethan-Lack soll laut Hersteller besonders strapazierfähige und mechanisch hoch belastbare Oberflächen ergeben. Die spezielle 3-D-Struktur der Bindemittelmatrix verhindere nicht nur den Schreibeffekt; die extrem glatte Oberfläche sei außerdem kratz- und stoßbeständig und resistent gegen Schmutz und Handschweiß. Das Malerblatt hat den Polyurethan-Lack unter die Lupe genommen.

Autor: Susanne Sachsenmaier-Wahl | Fotos: CD-Color

Auf besonders beanspruchten Bauteilen im öffentlichen oder gewerblichen Bereich, aber auch in privat genutzten Fluren oder in Kinderzimmern werden an Lacke besonders hohe Anforderungen gestellt. Neben Stoß- und Kratzunempfindlichkeit ist eine Resistenz gegen Fett und Handschweiß wünschenswert. Dass die Oberfläche zudem leicht zu reinigen ist und der unerwünschte „Schreib- oder Poliereffekt“ weitgehend ausbleibt, wird ebenfalls häufig verlangt. All das soll eine nur wenige Mikrometer dünne Lackschicht leisten können?

Mit wasserbasierten Polyurethan-Lacken wurden in den letzten Jahren bereits sehr gute Ergebnisse erzielt. Allerdings bestehen diese hochbeständigen Lacke in der Regel aus zwei Komponenten. Und hier ergeben sich immer wieder Probleme. Denn das Handling eines 2K-Lackes ist häufig nicht baustellengerecht: Zuerst muss das Material exakt nach Herstellervorschrift angemischt werden (was vor allem bei Teilmengen kompliziert werden kann), dann muss die Topfzeit beachtet werden, die durchaus einen Zeitdruck für den Verarbeiter aufbauen kann. Manch einem Handwerker ist das zu unkomfortabel.

Seit September 2017 verspricht nun ein wasserdünnbarer Polyurethan-Spezialbuntlack all diese Eigenschaften in nur einer Komponente – und damit gebrauchsfertig aus dem Topf. Christopher Jahn, Produktmanager bei CD-Color in Herdecke, wo der Lack entwickelt wurde und produziert wird, erinnert sich: „Wir wollten und wollen auch zukünftig den Bereich der wasserverdünnbaren Lacke ausbauen.“ Man habe daran gearbeitet, einen „Generalisten“ zu entwickeln, mit dem alle Mitarbeiter eines Malerbetriebes erreicht werden können – auch die, die keine fachliche Ausbildung besitzen, auf Baustellen aber sehr häufig anzutreffen sind. Mit dem Ergebnis ist Jahn zufrieden: „Was die mechanische Belastbarkeit anbelangt, sind wir mit dem neuen 1K-Lack ziemlich nah dran an dem, was man vom 2K-Bereich kennt.“ Das Malerblatt wollte das genau wissen und so habe ich mir diese neue Lackgeneration einmal genauer angesehen.

Kein Polier- oder Schreibeffekt

Eines fällt beim Betrachten und Befühlen sofort auf: Das neue Material überzeugt mit einer sehr glatten Oberfläche. Dass diese außerdem extrem hart und stoßbeständig ist, wird beim „mechanischen Härtetest“ deutlich: Fingernägel, selbst Ringe, Schlüssel oder Geldmünzen, die mit Druck über die Lackoberfläche gerieben werden, hinterlassen so gut wie keine Spuren – bei dem, was eventuell sichtbar bleibt, handelt es sich um den Metallabrieb des Kratzgegenstandes. Von großer Bedeutung ist die mechanische Robustheit vor allem bei Intensivfarbtönen: Hier punktet die Beschichtung – so erfahre ich von der Diplom-Ingenieurin Elfriede Gartz, die maßgeblich an der Entwicklung des neuen Lackes beteiligt war – mit ihrer 3-D-Struktur, die bei mechanischer Einwirkung den sogenannten Polier- oder Schreibeffekt verhindert. Zur Erinnerung: Bei matten Beschichtungsstoffen bleiben bei mechanischen Belastungen häufig weißlich glänzende Markierungen zurück, die sich nicht mehr entfernen lassen – der gefürchtete Schreib- oder Poliereffekt.

3-D-Struktur als Schutzschild

Und was ist nun das Besondere an der 3D-Struktur? Elfriede Gartz, technische Leiterin der Entwicklung bei CD-Color, erklärt: „Bei einem konventionellen Acryl-Lack wird bei mechanischer Einwirkung die Bindemittelmatrix verdichtet. Die 3-D-Struktur hält der mechanischen Einwirkung dagegen stand.“ Das ist mir natürlich noch etwas zu lapidar und ich möchte gerne wissen, warum das so ist. Elfriede Gartz ist um eine Antwort nicht verlegen und sie entführt mich in die Tiefen der Dispersions-Filmbildung. Während ein Standard-Dispersionsbindemittel eine lineare Struktur ohne Seitenketten ausbildet, entsteht bei den 3-D-Dispersionsfilmbildnern eine verzweigte Struktur mit Seitenketten. Es fallen Begriffe wie „Elektronegativitätsunterschiede zwischen den Atomen“ und „Dipol-Dipol-Wechselwirkung“ und ich merke schnell, dass mein chemischer Background nun erschöpft ist. Was aber gar nicht so schlimm ist, denn was mir Elfriede Gartz dann erzählt, versteht auch ein Maler ohne Chemiestudium problemlos: Durch physikalische Effekte wird bei dem neuen 1K-Polyurethan-Lack aus den Seitenketten ein dreidimensionales Netzwerk gebildet, und in eben dieses Netzwerk sind die Pigmente eingebettet. Während des Trocknungsprozesses verschmelzen die Polymerteilchen und bilden mit dem erhöhten Anteil hochwertiger Polyurethan-Bindemittel eine stabile 3-D-Struktur, die sich bei mechanischer Einwirkung kaum verdichten lässt. Dadurch wird der unerwünschte Schreibeffekt fast völlig verhindert, Verschmutzungen können nicht in die Poren eindringen und die Reinigungsfähigkeit der Oberfläche wird deutlich erhöht. Zudem ist der Lack resistent gegen Schmutz, Fett und Handschweiß.

Anders bei konventionellen Wasserlacken auf Acrylatbasis: Hier lagern sich die Polymerketten (die ja keine „Seitenarme“ besitzen) nach dem Zufallsprinzip zusammen. Auch die Pigmente sind beliebig verteilt und können folglich auch mal an der Oberfläche liegen. Durch die ausschließlich lineare Anordnung der Polymerketten wird die Bindemittelmatrix bei mechanischer Belastung relativ schnell verdichtet. Die Pigmente brechen und die betroffenen Stellen beginnen zu glänzen, was die Optik der gesamten Oberfläche beeinträchtigt. In der Folge können chemische Belastungen die Beschichtung beschädigen und Verschmutzungen können sich an der Oberfläche ablagern.

Einfache Verarbeitung

Bleibt noch die Frage, wie sich der neue Speziallack verarbeiten lässt. Gemeinsam mit Benedikt Müller-Wortmann, dem Leiter der Anwendungstechnik bei CD-Color, begebe ich mich in die Werkstatt und schwinge den Pinsel bzw. die Rolle. Der neue 1K-PU-Lack kann nach fachgerechter Vorbehandlung und einer Grundierung mit Primer auf Holz, Holzwerkstoffen, mineralischen Untergründen, Metallen, NE-Metallen und Hartkunststoffen durch Streichen und Rollen appliziert werden. Der Hersteller bescheinigt dem Material in der Verarbeitung hohes Deckvermögen, guten Verlauf und eine lange Offenzeit. Und ich bin positiv überrascht: Nachdem ich nun schon vor etlichen Jahren die Lackierwerkzeuge gegen die Computertastatur ausgetauscht habe und folglich etwas aus der Übung bin, gelingt mir die Handlackierung per Pinsel mit dem neuen Polyurethan-Lack ganz ordentlich. Das deutet wohl eher auf eine gute Verarbeitbarkeit des Materials denn auf besondere handwerkliche Fertigkeit hin … Mit der Rolle ist – selbst für mich – ein anständiger Lackauftrag ein Kinderspiel. Voraussetzung ist natürlich das passende Werkzeug, wie Anwendungstechniker Carsten Schmitz, der mich beim Praxistest betreut, betont. Aber Naturhaarborsten hatten ja schon bei den ersten Acryllack-Generationen ausgedient und Synthetikborsten Platz gemacht. Ansonsten reichen herkömmliche Schaumstoffrollen aus, um den neuen Polyurethan-Lack gleichmäßig aufzutragen.

Die spezielle 3-D-Struktur bildet sich immer aus, selbst wenn die Schichtdicke sehr dünn ist, erfahre ich auf Nachfrage. Auch die Deckfähigkeit des Lackes kann sich sehen lassen. Dennoch sollte man selbstverständlich auf die vorgeschriebene Schichtdicke achten. Aber dass diese unter Baustellenbedingungen nicht immer so exakt eingehalten werden kann, weiß jeder Praktiker. Lediglich die Verarbeitungs- und Objekttemperatur sollte nicht unter fünf Grad Celsius absinken, denn dann verfilmt das Bindemittel (wie bei allen wässrigen Anstrichstoffen) nicht mehr.

Polyurethan-Lack: Für den Innen- und Außenbereich

Beim Einsatz in Innenräumen überzeugt der geruchsmilde Polyurethan-Lack mit minimierten VOC-Anteilen und sorgt so für ein angenehmes Raumklima während und nach der Verarbeitung. Außerdem erfüllt das Material die Vorgaben der DIN EN 71:2014 Teil 3 zur Sicherheit von Spielzeug. Dass der Geruch auch bei längerer Belastung sehr erträglich bleibt, davon kann ich mich selbst überzeugen. Gemeinsam mit Bernd Thäwel, der im Entwicklungslabor in Herdecke tätig ist, stelle ich – ausgerüstet mit Schutzbrille und Co. – nämlich eine eigene „Kleincharge“ des Lackes von einem Liter her, der sich aber hinsichtlich der Inhaltsstoffe keineswegs von der Großproduktion unterscheidet. Nach rund einer Stunde verlasse ich das Labor wieder – ohne vernebelte Sinne, dafür aber um die Erkenntnis reicher, dass Lacke echte Hochleistungswerkstoffe sind.

Mit ihren speziellen Eigenschaften empfiehlt sich die neue Lackoberfläche als kratz- und stoßbeständiger Schutzschild für hoch belastete Bauteile nicht nur im Innen-, sondern auch im Außenbereich. Im Außenbereich macht die hohe UV- und Wetterbeständigkeit die Beschichtung besonders langlebig. Die gute Blockfestigkeit erlaubt auch die Anwendung auf Fenstern und Türen.

Die seidenglänzende Lackoberfläche ist hoch belastbar, glanz-, farb- und weißstabil. Ein Vergilben ist nicht möglich, erklärt Elfriede Gartz – und schon wird es wieder chemisch –, „weil sich keine Dreifachbindungen ausbilden, die für den Gelbeffekt verantwortlich sind“. Auch eine Versprödung, wie man sie von Alkydharzlacken kennt, findet nicht statt, da der neue Lack nicht oxidativ trocknet, sondern durch chemische Reaktion erhärtet.

Zu guter Letzt hält der Polyurethan-Lack auch optisch einiges bereit. Seine äußerst glatte, seidenglänzende Oberfläche wirkt edel und hochwertig. Per Töntechnologie können aus nur zwei Basen (weiß und transparent) 2.000 Buntfarbtöne nach RAL, NCS und weiteren Kollektionen ausgemischt werden, worüber vor allem der Handel erfreut sein dürfte: Dessen Lagerhaltung kann so auf ein Minimum reduziert werden.

Mehr Informationen:
www.cd-color.de


PraxisPlus

Für beanspruchte Oberflächen

Bei dem Lack, der von Malerblatt-
Redakteurin Susanne Sachsenmaier-Wahl getestet wurde, handelt es sich um „Lucite 1K-PU Color Satin“ von CD-Color. Weitere Informationen:

www.cd-color.de


Elfriede Gartz, Technische Leitung Entwicklung bei CD-Color

„Bei einem konventionellen Acryl-Lack wird bei mechanischer Einwirkung
die Bindemittelmatrix verdichtet.
Die 3-D-Struktur hält der mechanischen Einwirkung dagegen stand.“

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