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Nicht ohne Risiko

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Nicht ohne Risiko

Großformatige kunstharzgebundene Holzwerkstoffplatten ermöglichen architektonisch moderne Fassaden in wirtschaftlicher Bauweise. Für das Malerhandwerk sind sie aber nicht unproblematisch. Kenntnisse über die verwendeten Plattentypen und deren Eignung für die Beschichtung sind daher unerlässlich.

Bernhard Linck, Caparol

Eine größere Anzahl von Fassaden mit Holzwerkstoffplatten unterschiedlicher Art und Oberfläche wurde in den vergangenen zehn Jahren errichtet. Das Ergebnis hat nicht immer die Erwartungen des Kunden erfüllt. Das lag auch an einer gewissen Sorglosigkeit, mit der an diese Oberflächen herangegangen wurde. Im Folgenden werden Erfahrungen zusammengefasst, die mit der Beschichtung dieser Platten gemacht wurden.
Zunächst ist immer die Frage zu beantworten, ob die zu beschichtende Holzwerkstoffplatte überhaupt als Fassadenbekleidung geeignet und baurechtlich zugelassen ist. Ob diese Grundvoraussetzung erfüllt ist, kann der mit der Beschichtung beauftragte Fachhandwerker in der Regel nicht überprüfen. Im Zweifelsfall kann und sollte der Architekt oder Bauherr das zuvor bestätigen. Selbst ein positiver Bescheid bedeutet aber noch nicht, dass die Platte auch für eine Beschichtung geeignet ist. In den Normen sind beschichtungstechnische Erfordernisse nicht geregelt. Das gilt für alle Plattentypen. Auch die Empfehlungen der Plattenhersteller, wenn vorhanden, sind oft nicht ausreichend. Das gilt insbesondere für die Instandhaltungsintervalle und den damit verbundenen Aufwand. So kann das Erscheinungsbild der Oberflächen schon nach kurzer Zeit von dem abweichen, was der Kunde nach Betrachtung der Herstellerprospekte erwartet hat. Vor diesem Hintergrund wird die enge Zusammenarbeit mit den Beschichtungsstoffherstellern angeraten, die mittlerweile mit Holzwerkstoffplatten hinreichende Erfahrungen gesammelt haben.
Behandelt werden nachfolgend nur kunstharzgebundene Platten. Bei den zementgebundenen Holzwerkstoffplatten ist der Zement und weniger das verleimte Holz eigenschaftsbestimmend. Diese mineralisch gebundenen Platten müssen daher an anderer Stelle gesondert betrachtet werden.
Massivholzplatten
Massivholzplatten tragen auch das Kürzel SWP, abgeleitet von der englischen Bezeichnung „solid wood panel“. Für die Verwendung als Fassadenbekleidung ist aus Gründen der Formstabilität die Mehrschichtplatte geeignet. Üblich ist die Dreischichtplatte (3S). Dabei handelt es sich um drei kreuzweise miteinander verklebte Brettlagen aus Fichte/Tanne. Für die Verwendung als Fassadenbekleidung sollte aber die Decklage aus dauerhafterem Lärchen- oder Douglasienholz bestehen. Dreischichtplatten müssen gemäß DIN EN 13 986 mit einem Konformitätskennzeichen (CE) versehen sein. Damit bestätigt der Hersteller die Übereinstimmung mit den technischen Anforderungen des jeweiligen Plattentyps. Platten für den Außenbereich müssen darüber hinaus der Nutzungsklasse 3 gemäß DIN EN 1995–1–1 (SWP/3) entsprechen, d.h. für den Außenbereich geeignet sein.
Wenn alles passt, insbesondere die Holzqualität, ist die Dreischichtplatte mit Abstand die am besten geeignete Holzwerkstoffplatte für eine Beschichtung. Ein Beispiel dafür ist das Gebäude des Anwendungstechnischen Zentrums von Caparol in Ober-Ramstadt. Die 3S-Fassadenplatten mit einer Decklage aus Douglasie wurden 1999 angebracht und mit Capadur UniversalLasur farbig lasierend beschichtet. 2004 erfolgte die erste Überholungsbeschichtung, wieder mit Capadur UniversalLasur, daneben aber auch mit wasserverdünnbaren Lasuren wie z.B. der Capadur DecorLasur. Die Fassade zeigte im August 2010 immer noch ein sehr zufriedenstellendes Erscheinungsbild. Eine erneute Überholungsbeschichtung wird erst in zwei Jahren erforderlich sein. Anzumerken ist allerdings, dass die Fassade architektonisch mit großem „Holzverstand“ geplant und errichtet wurde. So wurde auf der Wetterseite bewusst auf Holz verzichtet und eine Aluminiumfassade ausgeführt. Aber auch wichtige Voraussetzungen des konstruktiven Holzschutzes wie ausreichender Dachüberstand und Sockel wurden beachtet. Ebenso wurde auf eine funktionierende Hinterlüftung unter Berücksichtigung der DIN 18516–1 geachtet.
Furnierschichtholzplatten
Die Furnierschichtholzplatte (FSH oder auch LVL für „laminated veneer lumber“) besteht üblicherweise aus 3 mm dicken Furnierlagen, die kreuzweise und mehrfach parallel miteinander verleimt werden. Klassifizierung und Anforderungen sind in der DIN EN 14 279 geregelt. Für die Verwendung im Außenbereich sind gemäß dieser Norm nur die Platten der Nutzungsklasse 3 (LVL/3) vorgesehen.
Aber auch hier gilt – über die Eignung als Beschichtungsträger ist damit noch nichts gesagt. Im Gegensatz zur Massivholzplatte besteht die Decklage nicht aus Holzbrettern, sondern aus Nadelholzfurnieren, welche mit einem Messer vom sich drehenden Baumstamm geschält wurden. Dabei entsteht eine Vielzahl von feinen, zunächst nicht auffälligen Schälrissen. Diese Schälrisse und die Tatsache, dass die nur 3 mm dicke Decklage die ganze thermische und hygrische Belastung aus der Bewitterung aufnehmen muss, führt schon nach kurzer Standzeit zu einer ausgeprägten Rissigkeit der Decklage. Dieses Rissbild ist also typisch für diese Platte.
Bei Freibewitterungsversuchen von Caparol mit einem namhaften Plattenhersteller hat sich gezeigt, dass diese Risse nicht zwangsläufig zu Folgeschäden an der Platte oder der Beschichtung führen müssen. Allerdings könnte dieses Erscheinungsbild von einem Auftraggeber/Kunden als optischer Mangel betrachtet werden. Bereits der Plattenhersteller sollte den Auftraggeber über diesen Sachverhalt informieren. Darauf kann man sich erfahrungsgemäß nicht verlassen. Dem mit der Beschichtung beauftragten Fachunternehmen ist daher dringend anzuraten, gemäß VOB/B §4 (3) Bedenken anzumelden. In jedem Fall sollte auch für die Beschichtung von Fassaden aus FSH-Platten der Beschichtungsstoffhersteller hinzugezogen werden.
Sperrholz gemäß DIN EN 636
Auch beim Baufurniersperrholz handelt es sich um Schälfurniere, die aber fast immer rechtwinkelig miteinander verleimt werden. Als Fassadensperrholz darf nur Sperrholz gemäß DIN EN 636–3 verwendet werden. Nach DIN 68 705–3 sind nur BFU 100 und BFU 100 G zulässig. Die Furnierdicke beträgt meist nur 1 bis 2 mm. Zudem wurden sehr häufig minderwertige Furniere von Birke, Buche und Kiefer verwendet, die sich für den Außenbereich als ungeeignet erwiesen haben. Besonders die Seekieferplatte ist aufgrund der hohen Schimmelpilzanfälligkeit mittlerweile berüchtigt. Die Beschichtung von Fassadenbekleidungen aus Sperrhölzern wird heute von den meisten Beschichtungsstoffherstellern abgelehnt.
OSB-Platten
Die OSB- Platte (oriented strand board) kommt, wie schon die ausgeschriebene Bezeichnung vermuten lässt, aus den USA. Relativ große und lange Holzspäne werden in den Außenlagen parallel in Längsrichtung zur Plattenlänge oder Breite verleimt. In den inneren Lagen können die Späne zufällig oder rechtwinkelig zu den Außenlagen angeordnet sein. Definiert ist die OSB-Platte in der DIN EN 300. Leistungsanforderungen finden sich in der DIN 13 986 – jedoch nicht für den Außenbereich. Das bedeutet, die Verwendung als beschichtete Fassadenbekleidung ist gemäß der technischen Regelwerke von vorneherein nicht vorgesehen. Es gibt also keine OSB-Außenqualität. In einigen Fällen wurden OSB-Platten, in Unkenntnis dieses Sachverhaltes, an Dachuntersichten angebracht. Spezielle Holzfarben wie Capadur Color Wetterschutzfarbe mit Filmschutz gegen Schimmelpilzbefall funktionieren hier bisher erstaunlich gut. Eine generelle Empfehlung für diesen Anwendungsfall kann das jedoch nicht sein. Die Abstimmung mit dem Beschichtungsstoffhersteller ist in solchen Fällen anzuraten.
Spanplatten
Spanplatten werden aus feinen Spänen und organischen Klebstoffen unter Hitzeeinwirkung und Druck zu Platten gepresst. Auch für diese nach DIN EN 309 definierten Platten gibt es in der DIN EN 13 986 keine Außenqualitäten! Für die Verwendung als Fassadenbekleidung, einschließlich des Einsatzes an der Dachuntersicht, ist dieser Plattentyp rundweg nicht geeignet. Auch eine „wasserfeste Verleimung“ sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Platten bei Einwirkung von Feuchtigkeit aufquellen. Die Beschichtung dieser Platten, auch im indirekt bewitterten Bereich, muss also abgelehnt werden.
Holzfaserplatten
Die Holzfaserplatte wird in der DIN EN 316 und DIN EN 622 beschrieben und klassifiziert. Anstelle von Spänen werden für ihre Herstellung Holzfasern verwendet. Es gibt im Wesentlichen zwei Herstellungsverfahren, mit denen die Bindung der Fasern hergestellt wird:
  • Bindung der Fasern durch Verfilzung und der natürlichen Klebefähigkeit der ligninhaltigen Holzfasern durch Hitze und Druck
  • Bindung der Fasern durch Zugabe eines Kunstharzbindemittels.
Je nach Herstellungsverfahren entstehen dabei Platten mit unterschiedlichen Rohdichten wie die harte, die mittelharte, die poröse und die MDF-Platte. Die im Innenausbau mittlerweile vielfach verwendete MDF-Platte wird mit einem Kunstharzbindemittel unter Hitze und mit Druck zur Platte gepresst. Die MDF-Platte ist ausschließlich für die Innenanwendung geeignet. Einzelne Typen der harten und mittelharten Platten sind auch für die Außenanwendung vorgesehen. Für eine Beschichtung kommen diese Platten jedoch nur mit allseitig geschützten und eingedichteten Plattenkanten in Betracht, wie das zum Beispiel bei Füllungstüren der Fall ist. Die Eignung dieser Platten für die Außenanwendung sollte man sich im Zweifelsfall vom Bauteilhersteller schriftlich zusichern lassen. In Zusammenarbeit mit dem Beschichtungsstoffhersteller kann dann für den Einzelfall ein geeignetes Beschichtungssystem festgelegt werden. Eine allgemein gültige Empfehlung ist dagegen nicht möglich.
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