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Saubermacher an der Wand?

Technik
Saubermacher an der Wand?

Die Wandfarbe baut selbstständig Schad- und Geruchsstoffe in der Raumluft ab. Das ist keine Utopie, sondern Realität – sagen drei Farbenhersteller und schufen das Megathema auf der Farbe 2005.

Hersteller C nennt es Wellnessfarbe, Hersteller S aktive Innenraumfarbe und Hersteller J spricht gar von „Frisch-Luft aus dem Eimer“. Allen gemein ist, dass sie unerwünschte oder problematische Substanzen in der Luft in Wasserdampf und Kohlendioxid zerlegen sollen. Erreicht wird dies durch eine katalytisch angeschobene, chemische Reaktion auf der Oberfläche der Farbe. Zunächst werden die Schadstoffe absorbiert und dann umgewandelt. Ein Katalysator, der sich nicht verbraucht, dient als Beschleuniger der r chemischen Reaktion, die auch unter natürlichen Bedingungen abläuft, nur wesentlich langsamer.

Photokatalyse zerlegt Schadstoffe
Zwei Unternehmen, Sto und Caparol, setzen dabei auf die Photokatalyse, während Jaeger, dessen Produkt ab der zweiten Jahreshälfte Setta vertreiben wird, auf katalytischen Abbau über Metallkomplexe setzt. Dieses Prinzip nutzt bereits der Bodenbelaghersteller Dura bei seinem Teppich Dura Air und benötigt kein Licht als Impulsgeber für die Reaktion. Die Photokatalyse hingegen setzt – wie die Bezeichnung schon sagt – Lichtenergie voraus, die den Katalysator anregt und somit Elektronen in einen energiereicheren Zustand hebt. Diese reduzieren Sauerstoff zu hoch reaktiven Peroxid-Radikalen, die wiederum organische Verbindungen in der Luft oxidieren, also aufsplitten. „Titandioxid, Zinkoxid und auch andere Metalloxide mit Teilchengrößen unter 25 Nanometer sind in der Lage, beim Auftreffen von Lichtquanten große Energiemengen freizusetzen“, beschreibt Heinz Kastien die Eigenschaft dieser nanoskaligen Stoffe. „Einfach ausgedrückt: Der Katalysator nimmt ein Teilchen aus dem Schadstoff und setzt es an anderer Stelle wieder ein. Zurück bleiben zwei ungefährliche Stoffe“, erläutert Andreas Oberle von Sto.
Eine Frage des Lichts
CapaSan von Caparol nutzt nanoskaliges Titandioxid, das durch UV-Licht mit Wellenlängen unter 390 Nanometern erst zum Katalysator wird. Da stellt sich allerdings die Frage, ob in den Innenraum überhaupt UV-Licht in ausreichender Menge gelangt; dagegen sprechen kleine Fenster und das Herausfiltern des UV-Anteils durch Mehrfachverglasungen. Dazu Caparol: „Es kommt eine ausreichende Menge an UV-Licht durch normale Fensterglasscheiben (auch Doppelverglasung). Das konnte sowohl theoretisch berechnet als auch praktisch in einer Diplomarbeit (…) gezeigt werden.“
Dem widerspricht Mitbewerber Sto und hat daher sein Produkt Climasan mit einem Katalysator ausgestattet, der auch ohne UV-Licht seinen Dienst verrichtet: Der VLC (Visibel Light Catalyst) genannte Katalysator soll auch bei künstlichen Lichtquellen arbeiten.
Als abbaufähige Substanzen nennt Sto 22 organische Verbindungen aus den Gruppen Lösemittel, Weichmacher, Ketone, Alkohole, Ester und Formaldehyd. CapaSan zielt auf die gleichen Stoffe ab und weist noch den Abbau von Mikroorganismen wie Schimmelpilze und Bakterien aus. Organische Anschmutzungen, etwa Nikotin- oder Kaffeeflecken, werden von beiden Farben langsam entfernt. Jaeger setzt vor allem auf die Entfernung von Formaldehyd, Zigarettenrauch und Geruchssubstanz.
Besondere Rezepturen
Da die Reaktivität der Peroxid-Radikale auch vor den Inhaltsstoffen der Beschichtung nicht Halt macht, erfordern die aktiven Farben eine ganz besondere Rezeptierung. Es bedarf eines stabilen Bindemittels und des Verzichts auf organische Pigmente – so finden sich in allen drei Farben ausschließlich anorganische Pigmente. Gemeinsam ist auch die Beschränkung auf pastellige Töne, schließlich soll das Licht nicht zu sehr von den Pigmenten, sondern primär vom Katalysator absorbiert werden.
Derweil verzichtet Brillux (noch) auf ein vergleichbares Produkt, obwohl man in Münster nach eigenen Angaben schon vor fünf Jahren an entsprechenden Materialien arbeitete. Doch: „Das Problem, das wir in erster Linie sehen, ist ein nicht akzeptables Preis-Leistungsverhältnis.“ Tatsächlich ist die Effektivität der Farben noch nicht quantitativ vergleichbar, weil entsprechende Normen erst in Arbeit sind. Und ganz konkret stellt sich dann die Frage, wie groß eine Fläche sein muss, um spürbare Ergebnisse im Raum zu bringen. Wände hinter Schränken sind inaktiv, auch in dunklen Abstellkammern tut sich nichts. Und: Damit die abzubauenden Teilchen überhaupt mit der aktiven Wandfläche in Berührung kommen, ist Luftbewegung notwendig. Lüften hilft – verbessert aber auch die Luftqualität allein. Überhaupt ersetzen die aktiven Wandfarben das Lüften keinesfalls, denn die Abbauprodukte wollen aus dem Raum entfernt werden – mit Aufkonzentrationen von Wasserdampf und Kohlendioxid soll man nicht spaßen.
Kein Ersatz für Luftwechsel
Katalytisch wirksame Farben machen dann Sinn, wenn sie als ergänzende Maßnahme zum Luftwechsel dienen. Beispielsweise im sensiblen Privatbereich, in Hotelräumen zum Abbau von Zigarettengeruch, in Krankenhäusern oder in Konferenzräumen. Abgesehen davon sollte man nicht vergessen, dass diese neuartigen Funktionalitäten ein hervorragendes Kommunikations- und Imagepotenzial für den Verarbeiter bringen. Denn plötzlich verwandelt sich der gerne als mutmaßlicher „Wohnvergifter“ gehandelte Maler in einen Spezialisten, der aktiv die Raumatmosphäre verbessert. Armin Scharf
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