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Die Entwicklung von Dispersionslacken hat in den vergangenen zehn Jahren spürbare Fortschritte gemacht. Doch wie steht es mit den dazu passenden Grundierungen? Gibt es wasserverdünnbare Alternativen zu den derzeit gebräuchlichen Universalgrundierungen?

Bernhard Linck, Caparol

Trotz VOC-Richtlinie wird das Verwenden lösemittelhaltiger Lacke weiterhin möglich sein. Soweit die gute Nachricht. Die zu diesem Zweck neu entwickelten High-Solid-Lacke haben jedoch immer noch einen Lösemittelgehalt von bis zu 300 g pro Liter (Grenzwert VOC Kat. A/d 300g/l). Aber nicht nur die Lösemittel, sondern vor allem der oxidative Trocknungsprozess eines Alkydharzlackes führt zu einer materialtypischen Geruchsentwicklung, die oftmals als störend empfunden wird. Da unterscheiden sich die neuen, VOC-konformen Lacke nicht von ihren Vorgängern. Deshalb ist es auch künftig nicht ratsam, diese Lacke großflächig in sensiblen Bereichen wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, Büros oder bewohnten Räumen einzusetzen. Warum auch? Als Alternative stehen heute zum Beispiel PU-Dispersionslacke zur Verfügung – in einer Qualität, von der man vor zehn Jahren nur träumen konnte. Eine Umstellung der Verarbeitungsgewohnheiten ist allerdings Voraussetzung.
Gibt es Alternativen?
Wie steht es jedoch mit den dazu passenden Grundierungen? Bisher gab es triftige Gründe, diese, trotz der zum Teil erheblichen Geruchsbelästigung, mit einem klassischen Universalprimer auszuführen. Das sind in der Regel modifizierte, kurzölige Alkydharze, teilweise kombiniert mit anderen Bindemittelharzen. Der zulässige VOC-Lösemittelgrenzwert für diese Universalgrundierungen liegt bei stattlichen 500 g/l (VOC Kat. A/i). Der Vorteil dieser Universalgrundierungen ist aber nun einmal ihre Vielseitigkeit. Sie ermöglichen eine haftvermittelnde Grundierung auf den meisten bauüblichen Untergründen. Hinzu kommt die absperrende Wirkung gegen Holzinhaltsstoffe und der Korrosionsschutz auf Eisen und Stahl.
Die bisher zur Verfügung stehenden Dispersionsprimer hatten genau hier ihre Schwäche. Es sind ausnahmslos Spezialisten: entweder sehr gute Haftprimer oder gute Absperrgrundierungen. Das gleiche gilt für den Korrosionsschutz, für Dispersionsbeschichtungen immer noch ein exotisches Anwendungsfeld. Gerade auf Mischuntergründen ist jedoch Vielseitigkeit gefragt. Auf einem Holzbauteil mit teilweise festhaftender Altbeschichtung und unbeschichtetem, rohem Holz ist Haftung auf der Altbeschichtung und Absperrung von Holzinhaltsstoffen erforderlich. Auf Stahl mit tragfähiger Altbeschichtung und stellenweiser Korrosion wird Haftvermittlung und Korrosionsschutz verlangt. Verständlich, dass der Wunsch nach einem Universalprimer auf Dispersionsbasis immer brennender wurde und schließlich zur Entwicklung einer neuen Generation von Dispersions-Multifunktionsprimern führte. Wie funktioniert ein Dispersions-Multiprimer? Was kann er leisten? Und wo liegen die Grenzen?
Haftung vermitteln
Eine wesentliche Forderung ist die Haftungsvermittlung für nachfolgende Vor- und Decklacke. Das setzt zuerst eine gute Haftung des Primers an der Oberfläche voraus, wie z.B. Eisen, Stahl, Zink, Kupfer, Hart-PVC, Melaminharz sowie Altbeschichtungen unterschiedlicher Art. Zur Haftung an der Grenzfläche zwischen Beschichtungsstoff und Oberfläche tragen mehrere Mechanismen bei. Generell kann zwischen der mechanischen und der spezifischen Adhäsion unterschieden werden. Bei der mechanischen Adhäsion kommt es zur Verklammerung des Beschichtungsstoffes in den Poren und Rautiefen eines Untergrundes. Das ist bei saugfähigen, kapillaren Baustoffen wie Holz noch gut vorstellbar. Bei Metallen und Kunststoffen oder allgemein sehr glatten und nicht saugfähigen Oberflächen müssen aber noch andere Adhäsionskräfte wirksam werden. Die Haftstärke dieser spezifischen Adhä- sionskräfte ist abhängig vom chemischen Aufbau des Untergrundes und des Primers. Die Haftung kommt durch molekulare Anziehungskräfte zustande. Es entsteht eine Wechselwirkung zwischen Untergrund und Primer, bei der zum Beispiel negativ geladene Molekülteile des Primers an positiv geladene Teile des Untergrundes wie Magnete anhaften (siehe Abb. Seite 22). Eine wesentliche Voraussetzung für gute Haftung ist die Fähigkeit des Beschichtungsstoffes, die Oberfläche gut zu benetzen. Das wird durch geeignete Bindemittelformulierungen und Additive erreicht. Die Lackentwicklung setzt hier auf Erkenntnisse aus der Forschung, aber traditionell vor allem auf Erfahrungswerte. Diese konnten auch für die Entwicklung der neuen Dispersions-Primer-Generation genutzt werden. So sind fast alle bauüblichen Oberflächen beschichtbar. Grenzen gibt es bei hochlegierten Stählen (Edelstahl), bei elektrisch anodisiertem Aluminium (Eloxal) oder bestimmten Kunststoffen, wie zum Beispiel Polypropylen (PP), die auch mit diesen Primern nicht beschichtbar sind.
Holzinhaltsstoffe absperren
Ein weiteres Entwicklungsziel war das Absperren von Holzinhaltsstoffen. Hier gibt es bereits gute Erfahrungen mit speziellen Dispersions- Absperrfarben. Auch bei diesen wird zunächst ein Teil der verfärbenden Stoffe aus der Holzoberfläche gelöst. Das führt ebenfalls zu bräunlichen Flecken, also genau das, was man eigentlich vermeiden will. Die Absperrgrundierungen sind aber so rezeptiert, dass die aufgenommenen Holzinhaltsstoffe fixiert werden und nicht mehr in nachfolgende Beschichtungen eindringen. Schlüsselkonzept dieser Technologie ist die Verwendung von Bindemittel mit reduzierter Wasserquellbarkeit. Diese Technik wendet man auch bei den neuen Dispersions-Multiprimern an.
Es gibt allerdings Einzelfälle, bei denen ein Dispersions-Absperrgrund an seine Grenzen stößt. In den 70er- und 80er-Jahren sind ganze Dachgeschosswohnungen mit Holzdecken versehen worden, deren dunkle Anmutung heute nicht mehr dem Zeitgeschmack entspricht. Diese sollen dann oft weiß lackiert werden.
In den Bädern sind die Holzoberflächen immer wieder der vorübergehenden Kondensfeuchte ausgesetzt worden, was mit den Jahren zu einer extremen Anreicherung von Holzinhaltsstoffen an der Oberfläche führte. Hier kam es sogar vor, dass diese Anreicherungen in lösemittelhaltige Beschichtungen eingedrungen sind. Abgesehen von derartigen Einzelfällen erfüllt die neue Primer-Generation den gewünschten Zweck.
Bleibt noch der Korrosionsschutz, üblicherweise eine Domäne der deutlich lösemittelhaltigen Beschichtungsstoffe. Daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern.
Vor Korrosion schützen
Die Mehrzahl der Korrosionsschutzbeschichtungen erfolgt im Außenbereich. Eine Geruchsbelästigung tritt hier in der Regel nicht auf.
Aber besonders die schmalere Klimaspanne, innerhalb deren Dispersionsbeschichtungen noch verarbeitet werden können, wird den Anwender auch künftig eher zur konventionellen Beschichtung greifen lassen. Dennoch gibt es Fälle, bei denen das Verwenden von Dispersions-Multiprimern sinnvoll sein kann, zum Beispiel in unbeheizten Lager- und Produktionsbereichen oder Sporthallen mit zeitweiliger Kondensatbildung (Korrosivitätskategorie C 2 gemäß DIN EN ISO 12944, Teil 2).
Die Entwicklung von Korrosionsschutzbeschichtungen auf Dispersionsbasis ist eine Herausforderung, denn die wesentlichen Faktoren für die Korrosion auf Eisen und Stahl sind Sauerstoff und Wasser. Gerade Wasser ist in einer Dispersion zum Zeitpunkt der Verarbeitung in größeren Mengen enthalten. Das führt zunächst zum sogenannten Flashrost. Das Phänomen kennt jeder, der schon mal mit einer Wandfarbe einen Nagel mitgestrichen hat. Diesen Flashrost (von engl.: flash = „Blitz“) kann man mit Flashrost-Inhibitoren (von lat.: inhibere = „unterbinden“, „hemmen“) verhindern. Das sind lösliche Metallsalze, die sich auf die Oberfläche niederschlagen und dort gegen Korrosion in der Nassphase, also während der Primer trocknet, wirken. Der Langzeit-Korrosionsschutz wird durch unlösliche oder schwer lösliche Metallsalze wie etwa Zinkphosphate, Bor-Silikate, Ionenaustauscher und Metalloxidpigmente (zum Beispiel Eisenoxide) erreicht. Aber auch eine Hydrophobierung und damit geringe Quellbarkeit des Beschichtungsfilms und die richtige Auswahl des Bindemittels ist mitentscheidend.
Der Dispersions-Multiprimer hat seine Grenzen, wo höhere Korrosionsbelastungen gefordert werden. Bei Korrosivitätskategorien von mehr als C 2 (siehe DIN EN ISO 12944, Teil 2) sollten dafür vorgesehene Korrosionsschutzbeschichtungen (zum Beispiel auf Epoxidesterbasis) verwendet werden. Die Entwicklung eines Dispersions-Multiprimers ist äußerst kompliziert. Das Problem liegt in der richtigen Abstimmung der einzelnen Funktionen wie optimale Haftvermittlung, Isolierung und Korrosionsschutz. Die dafür erforderlichen Rezepturbestandteile und Eigenschaften können sich gegenseitig stören. Diese Probleme konnten aber gelöst und damit eine Lücke im Angebot geschlossen werden. Da heute viele Kunden chemische Gerüche mit einer potenziellen Gesundheitsgefahr verbinden und entsprechend sensibel reagieren, muss jede Verwendung von geruchsintensiven Produkten von vornherein hinterfragt werden, sofern eine taugliche Alternative zur Verfügung steht.

kompakt
Eine Universalgrundierung auf Dis- persionsbasis bietet z.B. Caparol mit dem „Capalac Aqua Multiprimer“ an. Dieser eignet sich für haftvermittelnde Grundierungen auf alten Anstrichen, Lackierungen, Holz, Zink, Kupfer oder Hart-PVC sowie als Absperrgrund gegen Holzinhaltsstoffe und Korrosionsschutzgrundierung auf Eisen und Stahl.
Weitere Informationen:
Caparol
Tel.: (06154) 71-0/Fax: -1391
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