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Nachhaltiger Bodenbelag - Upcyling

Nachhaltiger Bodenbelag
Bodenbelag aus Abfall

Wie entsteht ein nachhaltiger Bodenbelag? Klimaneutralität und Kreislauf-Stoffströme werden die beiden nächsten großen Themen der Wirtschaft sein. Hersteller von Bodenbelägen sind in beiden Punkten schon erfreulich weit.

Autor: Armin Scharf | Fotos: Tarkett

Im Großen und Ganzen ist es mit der Wiederverwertung von Materialien und Rohstoffen im Bausektor nicht weit her. Ein Bereich macht eine erfreuliche Ausnahme: der textile Bodenbelag. Hier gelingt es immer besser, alte in neue Produkte zu verwandeln – sofern die Floorfaser aus Polyamid 6 besteht, was aber meist der Fall ist.

Nachhaltiger Bodenbelag: Altes wird depolymerisiert

Der italienische Hersteller der Nylonfaser Aquafil ist in der Lage, das sortenrein angelieferte Altmaterial in einem chemischen Prozess zu depolymerisieren, also in den Ausgangsstoff Caprolactam zurückzuverwandeln. Wird Caprolactam erneut polymerisiert, entsteht wieder Polyamid 6. Aquafil vertreibt diese Faser unter dem Markennamen Econyl – und zwar nicht nur an Hersteller von Bodenbelägen, sondern auch an die Kleidungsindustrie. Hier entstehen Strumpfhosen, Jacken oder jene Sonnenbrillen der Kollektion „Tommy Jeans“, die Safilo für die Marke Tommy Hilfiger produziert. Das recycelte Polyamid weist laut Aquafil identische Eigenschaften wie „neues“ Nylon auf. Kein Wunder, dass immer mehr Bodenbelags-Produzenten dieses Material nutzen.

Rücken im Kreislauf

Desso, eine Marke von Tarkett, ließ Ende vergangenen Jahres verlauten, dass man nunmehr Objekt-Teppichfliesen im geschlossenen Kreislauf halten könne. Im niederländischen Waalwijk steht eine Anlage, die Desso im Rahmen eines EU-Projektes über mehrere Jahre entwickelt hat. Das Refinity genannte Verfahren trennt Rücken und Vlies von der eigentlichen Faserschicht mit einem Reinheitsgrad von 95 Prozent. Auch der Rücken, einst aus Bitumen gefertigt, jetzt aus Polyolefinen, lässt sich recyceln. Seit 2010 schon produziert Desso seine Fliesen mit dem EcoBase-Rücken, der für die spätere Trennung von der Faser optimiert wurde.

Allerdings lohnt es sich, nochmals hinzuschauen – wie meist, wenn es um Recycling, nachwachsende Rohstoffe oder Klimaneutralität geht. Denn die Annahme, dass die gebrauchten Teppichfliesen komplett in den stofflichen Kreislauf gehen, bestätigt sich nicht ganz. In den von Desso genannten „Closed Loop“ gelangen 76 Prozent der Fliese: das Garn, der Rücken, das Glasfaservlies und das Deckvlies für die Rückseite. Der Rest, bestehend aus Tuftingträger, Latex-Vorstrich und Stabilisatoren, geht an die Zementindustrie, wo ein Teil zur Befeuerung des energieintensiven Herstellungsprozesses genutzt wird. Immerhin: Die CO2-Emissionen gegenüber der konventionellen Verwertung alter Fliesen durch Verbrennung sinkt laut Tarkett so um bis zu 84 Prozent.

Nachhaltiger Bodenbelag: Kreislauf bedeutet neue Prozesse

Wichtig für das Recycling: Die Materialien dürfen keine Schadstoffe enthalten, die sonst in die neuen Produkten übergehen und sich dort auf Dauer akkumulieren könnten. Tarkett arbeitet daher seit 2008 an der Transformation der Desso-Produkte gemäß des Cradle-to-Cradle-Prinzips. Verkürzt dargestellt, bedeutet Cradle-to-Cradle (C2C), dass sich ein Produkt wieder vollständig in den Stoffkreislauf rückführen lässt – ohne Qualitätsverluste oder Verunreinigung der Umwelt. Tarkett bietet heute nicht nur Teppichfliesen mit Cradle-to-Cradle-Zertifizierung an, sondern auch den PVC-freien, elastischen Bodenbelag der Kollektion „ID Revolution“.

Neben Tarkett haben zum Beispiel Anker, Interface und Ege ebenfalls Bodenbeläge auf Econyl-Basis und mit C2C-Zertifikaten im Portfolio. Interface wiederum bietet seit Mitte 2018 nach eigenen Angaben ein komplett CO2-neutrales Produktportfolio – rund 25 Jahre, nachdem das Unternehmen dieses Ziel erstmals formulierte. Klimaneutralität ist also machbar, wenngleich die Prozesse im Unternehmen wie auch die Lieferantenketten neu bewertet und definiert werden müssen. Übrigens ist das im Rahmen der C2C-Zertifizierung nicht anders: Auch hierbei geht es an die internen Abläufe, Stoffströme und Lieferanten – bei der Umstellung bei Desso konnte oder wollte mancher Lieferant nicht mitgehen, neue Quellen mussten gefunden werden.

Fischernetze zu Teppichen

Die Quellen für die Econyl-Produktion sind ganz unterschiedlich – wichtig ist nur, dass eine stoffliche Reinheit von mindestens 95 Prozent erreicht wird. Produktionsreste aus der Nylon-Produktion gehören dazu, die vom übrigen Belagsaufbau getrennten Teppichfasern sowie alte Fischernetze. Auch die bestehen aus Polyamid 6, gehen aber gerne über Bord, um die Entsorgung zu sparen, richten aber große Kollateralschäden an der Meeresfauna an. Nach der Depolymerisierung spielt die Herkunft des Altmaterials keine Rolle mehr – unter Umständen begeht man tatsächlich einen Fußboden, der einst zu Teilen die Weltmeere abfischte.


PraxisPlus

Die Econyl-Faser besteht aus recyceltem Altmaterial, das zunächst depolymerisiert und dann zu neuen Fasern aus Polyamid 6 polymerisiert wird. Auf diese Weise lassen sich Produkte aus Polyamid 6 in einem Stoffkreislauf halten, beispielsweise Bodenbeläge.

www.econyl.com

www.tarkett.com

www.interface.com

www.egecarpets.de

www.anker.eu

www.c2c-ev.de

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