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Lehmböden als neuer ökologischer Trend

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Trittfester Lehm

Lehmböden liegen im Trend. Im Hort Allenmoos in Zürich wurden nicht nur Wände mit Lehm gestampft oder verputzt, sondern auch fugenlose Böden mit dem nachhaltigen Material handwerklich gestaltet.

Autor: Achim Pilz | Fotos: Boltshauser Architekten

Im Zuge des Klimawandels und der Notwendigkeit, nachhaltig zu bauen, hat sich Lehm heute wieder zu einem echten Trend entwickelt. Vermehrt wird das relativ weiche Material, das heute noch in den Tiefen vieler Altbauten zu finden ist, für sichtbare Oberflächen eingesetzt. Es punktet durch sehr gute Feuchteausgleichswirkung, Schimmelwidrigkeit, Geruchsneutralisation und Antistatik. Neue Materialien wie dünne Edelputze, Lehmfarben und Lehmspachtel wurden entwickelt, die einfacher zu verarbeiten sind als der Lehm aus der Baugrube. Ein neuer Trend aus der Szene sind Lehmböden.

Ökologische Innovation Lehmboden

Der renommierte Stampflehmexperte Martin Rauch wurde 2016 von Terra Award (terra-award.org), dem ersten internationalen Lehmpreis, für seine technischen Innovationen ausgezeichnet. Mit seiner Firma „Lehm Ton Erden“ hat er auch einen Lehm-Kaseinspachtel entwickelt, der auf allen tragfähigen Untergründen fugenlos verarbeitet werden kann – auf Böden, Wänden und Möbeln. Seine ledrige, weiche Haptik ist einmalig. So können Räume eine durchgängige gestalterische Handschrift erhalten. Füllstoffe des trocken angelieferten Materials sind neben Lehm, Schamotte und Puzzolane. Bindemittel ist natürliches Kasein. Das Milcheiweiß wird durch alkalischen Kalk aufgeschlossen und bildet ein dauerhaftes, starkes Klebemittel. Martin Rauch hat in vielen Versuchen das optimale Kasein ausgesucht. Als Armierung enthält sein Rezept ca. zwei Zentimeter lange Flachsfasern. Ausgehärtet ist die Spachtelung fest und spröde. Wenn sich der Untergrund bewegt, reißt sie. Deshalb bedarf es bei großen Flächen der üblichen Dehnfugen, die aber sehr schmal ausgeführt werden können. Auch Wandanschlüsse müssen entkoppelt werden. Das Material ist in den Tönen Weiß, Gelb, Rot und Schwarz erhältlich. Die Töne können mit bis zu fünf Prozent alkalistabilen Pigmenten und untereinander gemischt werden.

Gut für Allergiker

Die ökologische Qualität eines damit gestalteten Bodens ist hoch: alle verwendeten Materialien sind ungiftig; Materialreste können über den Kompost entsorgt werden; ein Rückbau ist einfach möglich. Selbst von Allergikern werden solche Böden sehr gut vertragen. In der Schweiz und in Österreich werden sie deshalb auch in öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Kitas eingebaut. Preislich sind Lehmböden vergleichbar mit zementösen Spachtelböden.

Handwerkliche Verarbeitung

Um das Saugverhalten zu egalisieren wird der Untergrund grundiert, z.B. mit Kasein. Fugen müssen nur etwa drei Millimeter schmal ausgebildet werden. Bei konventionellen acht Millimeter breiten Dehnfugen mit Dämmstreifen, kann man diese auch herausnehmen, die Fuge mit Lehm-Kaseinspachtel verspachteln und an einer Schiene wieder aufschneiden. Die so entstandene Sollbruchstelle ist nur wenige Millimeter stark. Für die Verarbeitung wird das trockene Material mit Wasser angemischt und mit der Traufel ein bis zwei Millimeter stark auf den Estrich aufgezogen. Das Spachteln muss relativ schnell gehen. Zum einen bindet das Kasein im Kübel kontinuierlich ab. Auf dem saugenden Boden ist das Material dann nur wenige Minuten offen und wird durch Wasserentzug zäh. Auf einem glatten Untergrund wird der Spachtel zweimal dünn aufgezogen. Wenn der Untergrund rau ist, wie bei einem Zement-estrich, ist oft eine dritte Spachtelung nötig. Bei allen Arbeitsschritten ist Zugluft und direkte Sonnenbestrahlung zu vermeiden. Nach dem Trocknen werden Arbeitsspuren in zwei Gängen verschliffen. Für Ecken und Details wie Schablonierungen wird eine kleine, leichte Schleifmaschine mit 80er-Schleifpapier verwendet. Große Flächen werden mit der schweren Tellermaschine und 120er-Papier geschliffen. Nach dem Entfernen des Schleifstaubs wird mit Naturöl imprägniert und mit Carnaubawachs poliert. Das aus den Blättern der Brasilianischen Carnaubapalme gewonnene Wachs ist das härteste bekannte natürliche Wachs. Dadurch wird die Oberfläche wasserfest, hart und pflegeleicht. Die mehrschichtige Nachbehandlung benötigt relativ viel Zeit und beeinflusst die Farbgebung stark, die mineralischen Erdtöne werden noch einmal gedeckter.

Lehmböden für den Hort Allenmoos

Nördlich des Stadtzentrums von Zürich in Richtung Oerlikon liegt die Schule Allenmoos. Der 1958 erbaute Schulpavillon II beim Schulhaus Allenmoos wurde vom Züricher Architekturbüro Boltshauser Architekten zu einem modernen Hortgebäude umgestaltet, dessen Materialien und Formen archaisch wirken. Lehm betont hier beispielsweise den Übergang zwischen Gebäude und Natur. Die neuen Wände der südlichen Veranda sind aus Stampflehm in einem hellen Ockerton. Der Stampflehm enthält bis zu acht Zentimeter große Steine und ist durch Bänder aus eingelegten, nach außen leicht überkragenden Tonplatten fein gegliedert. Bei Sonnenlicht gibt es ein lebendiges Schattenspiel auf der stellenweise durch Ausbrüche sehr rauen Lehmwand.

Auch im Inneren verleiht Lehm den Räumen eine starke Ausstrahlung. Zudem sorgen die diffusionsfähigen Oberflächen und sorptionsfähigen Wandbildner für ein angenehmes und gesundes Raumklima. 700 Quadratmeter Böden erhielten den glatten Lehm-Kaseinspachtel in einem gedeckten Ockerton, die Wände feinen Lehmputz in hellem Blau und in Weiß, das leicht ockerfarben gebrochen ist. Für Boden und Wandfliesen gestaltete die Künstlerin Marta Rauch mit Schülerinnen und Schülern kreative Motive.

Verarbeitung des Lehmspachtels

Alle Böden und die etwa vier Zentimeter hohen Sockel spachtelte der Maler- und Stuckateurmeister Gerold Ulrich mit zwei Mitarbeitern in einem ockerfarbenen Ton. Raum für Raum arbeiteten sie zügig. „Das ist anstrengend, aber in 1 bis 1,5 Stunden ist ein Raum fertig“, erinnert sich Ulrich. Im Flur schablonierte er zudem einige Stellen mit den künstlerisch gestalteten Motiven von Marta Rauch. Dazu legte er jeweils eine Fläche etwas größer als das Motiv auf dem Boden mit einem helleren Material an. Nach dem Trocknen legte er eine Schablone mit dem Motiv in Positivform auf und spachtelte mit dem dunklen Material über die gesamte Fläche und vorsichtig über die Schablone. Zuletzt entfernte er die Schablone und arbeitete noch einmal mit dem hellen Spachtel bis über die Ränder des Motivs. Nach erneutem Trocknen schliff er die dreilagig ausgeführte Stelle über dem Motiv mit der kleinen Handschleifmaschine und weniger Druck frei. „Da hat man mehr Gefühl“, begründet Gerold Ulrich seine Maschinenwahl. „Bei den filigranen Motiven muss man sehr genau schauen, wo sie sind. Und dann sehr vorsichtig schleifen, dass man nicht durchschleift, obwohl das ausgehärtete Kasein und die Puzzolane sehr hart sind. Selbst ein 80er-Papier ist da schnell mal weg.“ Die übrige zweilagige Fläche schliff er mit der Tellerschleifmaschine. Die Staubentwicklung dabei halte sich in Grenzen: „Im Vergleich zum Estrichschleifen ist es nicht so schlimm“, sagt der Malermeister. Betrachtet man die Motive genauer, so sieht man ein paar Zuschlagsstoffe des hellen Spachtels punktuell aufblitzen, was gut zu der lebendigen Oberfläche passt.

Praktische Weiterbildung

Dass Lehmböden eine interessante Alternative zu den bekannten Bodensystemen bieten, liegt auf der Hand. Wer Lust bekommen hat, selbst deren Verarbeitung zu erlernen, kann dies, sobald es die Corona-Pandemie wieder zulässt, tun. Martin Rauch und Gerold Ulrich bieten dann wieder Weiterbildungen für professionelle Handwerker an, wahrscheinlich im österreichischen Satteins. Neben der praktischen Arbeit werden die Teilnhemer auch realisierte Projekte in der Nähe besuchen. Informationen und Anmeldung: www.calctura.com


Nachgefragt

Gerold Ulrich ist Maler, Stuckateur und Restaurator mit Werkstätten in Satteins (Österreich) und Diepoldsau (Schweiz). Seit 2005 brennt er seinen Kalk selbst, seit 2010 verarbeitet er Lehm-Kaseinspachtel auf Böden.

Was sind für Sie die Vorteile von Lehm-Kaseinspachtelböden?

Es handelt sich um ein rein natürliches Produkt, das Lehm, Schamotte und Puzzolane beinhaltet. Kasein ist das Bindemittel, Hanffasern die Armierung. Kasein wurde schon vor dem zweiten Weltkrieg für Ausgleichsmassen verwendet. Die Kombination mit Lehm ist was Neues. Der elastische Boden dämmt auch den Schall. Seine Härte ist vergleichbar mit der eines Holzbodens.

Was sind für Sie die handwerklichen Herausforderungen?

Das Spachtelbild muss einheitlich sein. Das Schleifen und Ölen feuert es noch an. Jeder hat eine eigene Handschrift und man muss schauen, in welche Richtung es geht, wenn man es zu zweit oder zu dritt macht. Ich habe schon Flächen mit 300 Quadratmetern in einer Stunde durchgezogen. Da braucht es schon ein paar Leute. Alles muss gut vorbereitet sein und dann heißt es nicht aufhören. Die letzte Spachtelung ist am Wichtigsten. Da muss man schauen, dass genug Material angemacht ist.

Wo gibt es schon viele gespachtelte Lehmböden?

In der Schweiz. Die Schweizer sind experimentierfreudiger. 2018 haben wir in Salez im Neubau für eine Landwirtschaftsschule 3.500 Quadratmeter ausgeführt. Im Eingang der alten Schule habe ich drei Jahre vorher einen Versuchsboden gemacht. Dann wurde getestet, was er aushält – Schüler, Sand, Schnee…

Mehr zu Gerold Ulrich: www.geroldulrich.com


PraxisPlus

Verarbeitung Lehm-Kaseinspachtel

  • Boden grundieren
  • Lehm-Kaseinpulver mit Wasser anmachen
  • mit der Traufel 1-2 mm zügig aufziehen, durchtrocknen lassen
  • 2. Mal zügig spachteln, durchtrocknen lassen (bei rauem Untergrund 3. Mal spachteln)
  • mit Tellermaschine schleifen, 120er Papier; Ecken und Details mit der Handmaschine, 80er Papier
  • Schleifstaub absaugen, feucht nachwischen
  • mit dem Flächenspachtel Öl verteilen
  • mit der Einscheiben-Poliermaschine polieren
  • mit dem Flächenspachtel Carnaubawachs verteilen
  • mit der Einscheiben-Poliermaschine auf Glanz polieren
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