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Fassadenmalererei an Industriehalle

Lackfarben
Fassadenmalererei an Industriehalle

In Spaichingen bei Rottweil versah der Künstler Tobias Kammerer eine Industriehalle mit einer gigantischen Fassadenmalerei. Auf rund 2200 Quadratmetern wurde in den vergangenen 20 Jahren abschnittsweise ein Aquarellentwurf mit Lackfarben umgesetzt.

Autorin | Fotos: Susanne Sachsenmaier-Wahl

Tobias Kammerer kann es selbst kaum glauben, dass er ein Gemälde in einem solch riesigen Format erschaffen hat. „Ich habe die Flächen vermessen und komme auf 2199 Quadratmeter! Ich glaube, das ist das größte Gemälde, das ich kenne“, sagt er stolz und fügt, an mich gewandt, hinzu: „Kennst du was Größeres?“ Nein, auch ich muss passen. Zwar sind mir großformatige Farbgestaltungen an Fassaden bekannt, ein echtes Gemälde in dieser Größenordnung ist mir aber noch nicht untergekommen.

Ich stehe auf dem Betriebsgelände der Firma Heppler CNC-Technik, lasse meinen Blick über die Fassadenmalerei schweifen und schwelge in Erinnerungen. Genau hier hatte ich vor 21 Jahren gemeinsam mit Tobias Kammerer auf dem Gerüst gesessen und den ersten Teil des „Mammut-Gemäldes“ an die Fassade gebracht. Deshalb weiß ich genau, welche Arbeit dahintersteckt, den kleinformatigen Aquarellentwurf mit Lackfarben und Farbwalzen auf eine Trapezblech-Fassade zu übertragen. Ich zolle dem Ausnahmekünstler Tobias Kammerer höchsten Respekt – und bin selbst auch ein bisschen stolz, einen Teil zu diesem gigantischen Projekt beigetragen zu haben.

Bunt statt Nato-oliv

Entstanden ist das gigantische Wandbild anfangs eher zufällig. Firmenbesitzer Dieter Heppler erinnert sich, wie er 1998 mit Tobias Kammerer in Kontakt gekommen ist. „Wir haben uns nicht gekannt“, sagt er. Heppler hatte zu dieser Zeit ein leer stehendes Bundeswehrdepot in Spaichingen bei Rottweil erworben, da der ursprüngliche Firmensitz in Tuningen zu klein für sein florierendes Unternehmen geworden war. Und dieses entsprach optisch nicht den Vorstellungen der Hepplers. Dieter Hepplers Ehefrau Astrid erinnert sich auch heute noch genau, was sie damals gedacht hatte: „Zu einer Natoolivfarbenen Halle kommt doch kein Kunde!“ Farbe musste also her. „Wir wollten auf keinen Fall eine weiße oder graue Halle, bunt sollte sie schon sein. Dass wir auf Herrn Kammerer gekommen sind, war mehr oder weniger Zufall“, fügt die Unternehmerin hinzu. Dieser Zufall war ein Gebäude in Rottweil, dessen Fassade der Künstler zu jener Zeit mit seiner – inzwischen weit über die deutschen Grenzen hinaus bekannten – Malerei verziert hatte. Und diese hatte es den Hepplers angetan. Im Sommer 1998 fand ein Entwurf Tobias Kammerers seine Umsetzung auf der ehemals olivgrünen Coil-Coating-Fassade in Spaichingen.

Neues Terrain beschritten

Damit beschritt Tobias Kammerer ein für ihn völlig neues Terrain. Denn seine Malereien findet man in der Regel in Sakralbauten. „Für mich als ‚Kirchenmaler‘ war das ein ungewohnter Auftrag. Ich habe versucht, die Formen von Zahnrädern, von spritzendem Wasser bei der Fertigung in meinem Entwurf umzusetzen“, erklärt der Künstler sein Werk. Und das ist ihm bestens gelungen. Auch wenn das Gemälde beim flüchtigen Betrachten einfach nur fröhlich bunt aussieht, so erkennt man beim näheren Hinsehen das Spritzwasser und die Zahnräder sehr deutlich.

Doch nicht nur Kammerer, auch Heppler hatte sich mit der künstlerischen Fassadenmalerei an der Industriehalle auf ein Wagnis eingelassen. „Anfangs hatten wir in Spaichingen viel Kritik geerntet. Die Leute haben über mich gesagt, jetzt spinnt er!“ sagt Dieter Heppler rückblickend. Abbringen ließ er sich dadurch nicht von seinem Vorhaben – im Gegenteil, er setzte immer wieder noch eins drauf.

Kunst als Markenzeichen

Heute zieren die Malereien von Tobias Kammerer nicht nur die einstmals olivgrüne Halle. Im selben Jahr wurde ein Büroanbau erstellt, dessen Putzfassade die – in diesem Fall mit Silikatlasuren umgesetzten – Aquarellmalereien von Tobias Kammerer tragen. 2017 erweiterte Heppler sein Firmenensemble um eine Cafeteria, die 2019 schließlich wieder teilweise überbaut wurde, um neue Arbeitsräume für die Mitarbeiter zu schaffen. „Das Umfeld für die Mitarbeiter muss passen“, hat Dieter Heppler erkannt. „Deshalb haben wir uns zur erneuten Vergrößerung entschlossen.“ Bei jeder baulichen Veränderung mit im Boot war Tobias Kammerer. Er legte stets Hand an die kahlen Wandflächen an und belebte sie durch seine Malereien. Für Dieter und Astrid Heppler war das stets selbstverständlich. „Das ist einfach unser Markenzeichen, das gehört dazu“, stellt Dieter Heppler klar. Dabei waren die Hepplers eigentlich nicht kunstbegeistert, erst durch den Kontakt zu Tobias Kammerer fanden sie Gefallen an der Kunst. „Uns gefällt sein Stil einfach sehr gut. Und dass er immer seiner Linie treu geblieben ist, finden wir gut“, lobt das Unternehmerpaar. Längst findet sich Kammerers Handschrift nicht mehr nur an der Fassade. Auch das Foyer, die Besprechungsräume und andere Bereiche des Firmengebäudes und Wandflächen am Privathaus der Hepplers wurden bemalt. Selbst das Firmenschild, das die Firmenbesucher am Tor begrüßt und die Website des Unternehmens werden durch Kammerers markante Malerei zu Eyecatchern.

Höchste Reinheit der Farben

Trotzdem bleibt Tobias Kammerer der sakralen Kunst verschrieben. Unzählige Kirchen, Aussegnungshallen, kirchliche Begegnungsstätten und seit einigen Jahren auch Grabzeichen im In- und Ausland tragen seine Handschrift. Kammerer als Ausnahmekünstler oder Allroundtalent zu bezeichnen, ist keine Übertreibung. Egal ob Glasmalerei in Form von großformatigen Glasskulpturen oder bemalten Kirchenfenstern, Bildhauerei oder die künstlerische Umsetzung von Sakralmöbeln – Tobias Kammerer vereint eine Vielzahl von Kunstformen und schafft ein harmonisches Ganzes. Bekannt ist Kammerer aber insbesondere für seine aquarellartigen Wandmalereien, die durch ihre Leichtigkeit und die besondere Farbigkeit gekennzeichnet sind. „Ich arbeite immer mit Primärfarben, mit den reinsten Farben“, erzählt er. Daher rührt die Leuchtkraft, die Brillanz seiner Werke. Die Pastellhaftigkeit, die die Flächen auflöst und der Malerei ihre Leichtigkeit beschert, entsteht ausschließlich durch die Verdünnung mit Wasser bzw. Bindemittel.

Aquarell trifft Lack

Am Firmengebäude der Heppler CNC-Technik galt es, diese losgelösten Farbflächen auf deckende Lackierungen herunterzubrechen. Kein leichtes Unterfangen, für das Kammerer eine spezielle Technik entwickelte. Die Farbverläufe wurden durch verschiedene Helligkeitsstufen eines Farbtons nachempfunden. Damit der malerische Charakter durch die scharfen Kanten der Lackflächen nicht gänzlich verloren geht, rissen Kammerer und sein Team das Klebeband für sämtliche Kanten von Hand, um so Läufer, Pinselspuren und Farbspritzer nachzuempfinden. Farbig angelegt wurden die Flächen auch beim aktuellen Bauabschnitt – wie damals schon, als ich Tobias Kammerer unterstützen durfte – ganz klassisch mithilfe von kleinen Farbrollen. Es wurden zwar Versuche gemacht, die Fassadenflächen im Spritzverfahren zu beschichten, doch der entstehende Spritznebel macht die Abdeckarbeiten bei der Vielzahl unterschiedlicher Farbflächen, die aneinandergrenzen, zu aufwendig.

Bevor die Farbflächen jedoch lackiert werden können, muss der kleinformatige Entwurf erst einmal auf die mehrere Meter lange und hohe Wand übertragen werden. Kammerer klebt die groben Umrisse mit Klebebandstreifen vor, ehe er sie – etwas exakter – mit Filzstift auf die grundierte Fassadenfläche aufzeichnet. Die Details schließlich entstehen erst beim Abkleben mit den gerissenen Klebebändern. Die exakte Dokumentation der verwendeten Farbtöne hilft dabei, dass die Farbigkeit der einzelnen Bauabschnitte auf dem Hepplerschen Firmenareal zueinander passt. Der Erweiterungsbau in diesem Jahr soll aber erst einmal der letzte sein, hofft zumindest Astrid Heppler: „Jetzt ist erst einmal Schluss mit Bauen!“

Weitere Fotos:
www.malerblatt.de


PraxisPlus

Skulpturengarten

Tobias Kammerer lebt und arbeitet auf dem Oberrotenstein in der Nähe von Rottweil-Hausen. In dem weitläufigen Areal, das das ehemalige Herrenhaus umgibt, hat der Künstler einen frei zugänglichen Skulpturengarten angelegt, in dem aktuell 12 Großskulpturen aus Glas aufgestellt sind. Es werden Führungen durch den Skulpturengarten und das Künstleratelier angeboten.

Mehr über Tobias Kammerer, seine Kunst, seine Werke, Publikationen und die Führungen auf dem Oberrotenstein finden Sie auf der Homepage

www.tobias-kammerer.de

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