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Sprechstunde statt Wartezimmer

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Sprechstunde statt Wartezimmer

Ältere und alte Kunden wollen anders behandelt werden als jüngere. Zum Umgang mit Senioren gibt es für Handwerker eine Menge guter Informationen.

Ulrich Schweizer

Es ist nicht zu fassen, was sich hier in den letzten Jahren und vor allem in den vergangenen Monaten getan hat: ältere Menschen werden als Kunden entdeckt, werden angepeilt und in den Fokus gerückt, als wären sie wie ein unerklärliches Phänomen über Nacht aufgetaucht. Sind sie aber nicht. Schon eine halbe Ewigkeit ist von der Kurve der bundesdeutschen Bevölkerungs-Entwicklung abzulesen, dass es bereits in den letzten und erst recht in den kommenden Jahren eine Menge Senioren geben wird. Nur machte man sich anscheinend wenig Gedanken darüber, wie dieses Bevölkerungssegment leben möchte und welche Bedürfnisse befriedigt werden müssen.
Jetzt ist das Staunen groß und es gibt unzählige Sendungen im Fernsehen wie im Radio, es gibt auch Sonderveröffentlichungen in Tageszeitungen und in Zeitschriften, wie denn die älteren Menschen angesprochen werden müssen, welche Leistungen die Generation 50plus benötigt und wofür sie bereit ist, Geld auszugeben. Eine wichtige Erkenntnis: Handwerksleistungen sind für ältere Menschen ganz wichtig.
Andreas Reidl, Geschäftsführer der Agentur für Generationen-Marketing in Nürnberg, spricht von einer „grauen Revolution“, die auch das Marketing und die Werbung verwandelt: „Nach dem Jugendwahn kommt nun der Megatrend Alter. Die „Generation 50plus“ verdrängt die bislang so umschwärmten 14- bis 49-Jährigen von ihrem Konsumententhron. Immer weniger Jugendliche werden ihre erste Wohnung oder ihr erstes Handy nachfragen. Der demografische Wandel stellt die Marketing-Verantwortlichen vor neue Herausforderungen. Die Wertschöpfungs- und Wachstums-Impulse kommen in Zukunft nicht mehr von den jungen Konsumenten, sondern von den älteren. Unterschätzt, verkannt, falsch angesprochen: so empfinden viele Senioren ihre Umwelt. „Senioren-Angebote“ wie Senioren-Menü, Senioren-Sport, Senioren-Reise, Senioren-Universität oder Senioren-Handy lehnen sie in der Masse ab. Es geht sogar so weit, dass sie die Vergünstigungen des reduzierten Eintritts ins Museum ausschlagen, nur weil sie sich nicht als Senioren outen wollen. Was sie sich wünschen: moderne Produkte und Dienstleistungen, mit denen man up to date ist.“ Nach seniorengerechten Produkten und Dienstleistungen forschen inzwischen rund 900 „Senior Scouts“. Im Auftrag testen sie Angebote im Supermarkt oder den Service aus dem Blickwinkel älterer Menschen.
Es ändert sich also massiv etwas auf dem Markt. Handwerker können im Wortsinne Kapital daraus schlagen – allerdings nur, wenn sie sich auf das Klientel der 50plus-Generation einlassen und diese Zielgruppe professionell bearbeiten. Wie das im Handwerk gehen kann, damit beschäftigt sich schon etliche Jahre ein Pionier des Seniorenmarketings: Nikolaus Teves, Geschäftsführer der Handwerkskammer Mannheim. Er spricht mit Blick auf die Älteren von „blühenden Auftragsblumen“. Allerdings warnt er auch vor den Glücksrittern, die einen schnellen Euro machen wollen und weist darauf hin, dass die gebotenen Möglichkeiten nicht so einfach vom Himmel fallen. Alles sei sorgsam zu entwickeln, zu planen und gezielt zu realisieren (siehe Kasten „Auftragsblumen“). Die Handwerkskammer Mannheim eröffnete zudem die erste Informationsstelle für Zukunftswohnen, barrierefreies Wohnen und Pflegewohnen im Rahmen des Projekts www.jung-wohnen-alt-werden.de.
Der ZDH Zentralverband des Deutschen Handwerks führte ein Forum „Handwerk und Seniorenwirtschaft“ durch, mit einem umfassenden Programm. Chancen fürs Handwerk wurden aufgezeigt, wissenschaftliche Impulse gegeben und wegweisende Beispiele aus der Praxis präsentiert. Mitveranstalter war das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Dort und beim ZDH wird die Zukunft so gesehen: „Altenpolitik und Handwerk sind wichtige Partner. Beide wenden sich den Wünschen und Bedürfnissen älterer Menschen zu. Seniorinnen und Senioren verstehen sich längst nicht mehr nur als „Empfänger“ von Leistungen mit minimalen Ansprüchen. Sie erwarten gute Produkte und Dienstleistungen, die komfortabel sind und ihre Lebensqualität verbessern. Die ältere Generation verfügt dabei heute über beachtliche Potenziale. Rund 19 Milliarden Euro pro Monat beträgt das Ausgabevolumen der über 65-jährigen Menschen. Dieses Potenzial muss stärker als bisher als Chance für Wachstum genutzt werden.“
Es bewegt sich in Sachen Senioren etwas im gesamten Bereich des Handwerks, bei Pionierbetrieben, bei Kammern und Verbänden. Alles geht in die richtige Richtung. Allerdings könnte noch etwas mehr über die technischen Erfordernisse hinaus gedacht werden. Geht es um Senioren, wird meist von Barrierefreiheit gesprochen, von rollstuhlgerechten Wohnungszuschnitten, von Stufen, Haltegriffen und von Schwellen. Etwas mehr in den Vordergrund sollten Leistungen der „Verschönerungs-Gewerke“ gestellt werden. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch will sich der ältere Kunde wohler fühlen, nachdem die Handwerker seine Wohnung verlassen haben. In dieser Beziehung müssen daher die Handwerker verstärkt ihre Werbetrommel rühren.
Die Generation 50plus will zudem schnell bedient werden. Je älter, um so weniger sind Wartezeiten zu vermitteln. Schnell und termintreu – so wünscht man sich den Handwerker. Und wenn er dann da ist, soll er auch genügend Zeit mitbringen für ausführliche Gespräche ohne Hektik. Im Gegenzug winken dafür allerdings Aufträge, bei denen gutes Geld zu verdienen ist.

Informationen
Verbände und Handwerkskammern bieten teilweise beste Informationen zum Thema Seniorenmarketing im Handwerk oder Zielgruppe 50plus. Auch Banken und Bausparkassen verfügen über öffentlich zugängliche Studien zum Seniorenmarkt.

Auftragsblumen
Nikolaus Teves, Geschäftsführer der Handwerkskammer Mannheim, ist Experte für die Chancen des Handwerks im Seniorenmarkt. Für Maler, Lackierer, Stuckateure und Raumausstatter sieht er ein lukratives Auftrags-Potenzial:
Wichtigste Basis für ein Engagement im Seniorenmarkt sind Schulungen, die Anpassung von Betriebsstrukturen und innovative Formen der Auftragsbeschaffung, der Leistungserstellung und der Kundenbetreuung. Hilfreich ist auch der Blick auf Techniken und Verfahrensweisen in anderen Gewerken und auf Betriebe, die in der Gesundheitspflege, im Bereich Wellness, Garten und Freizeit tätig sind. Das Malerhandwerk bietet Leistungen im Bereich des Schutzes von Bauteilen, der Gestaltung von Wohn- und Lebensumgebungen, der Sicherheit, des Wohlbefindens, der Werterhaltung – und es vermittelt mit seinen Leistungen Lebensqualität. „Auftragsblumen blühen vor allem auf gut vorbereiteten Flächen, die mit Wissen, Kompetenz und Sachverstand gedüngt wurden.“ Wer neue Märkte erschließen will, muss die geeigneten Voraussetzungen schaffen und sich vorab mit den Kunden- wünschen auseinander setzen. Der Malerbetrieb muss als Anbieter und Partner gut erreichbar sein und über die Kernleistung hinaus einen Service bieten: ältere Menschen benötigen Hilfe bei der Baustellen-Vorbereitung, beispielsweise beim Ausräumen. Diese Leistungen gewinnen zunehmend an Bedeutung und verlieren den Status von Nebenleistungen. Und somit können sie durchaus auch abgerechnet werden.
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