Nach der Abwicklung eines Auftrags verlangte der Unternehmer eine Vergütung für die Vorhaltung verschiedener Gerüste und Geräte über die Zeit von vier Wochen hinaus. Nach seiner Auffassung ergab sich dies aus der Leistungsbeschreibung, die Vertragsgrundlage geworden war. Tatsächlich war das Gerüst 20 Wochen vorgehalten worden. Der Unternehmer konnte aber für die Standzeit von 20 Wochen nicht die verlangte Vergütung beanspruchen, weil diese Vorhaltezeit schon in den vorhergehenden sogenannten Grundpositionen über den Aufbau und die Grundstandzeit der Gerüste enthalten und deshalb mit der hierfür vereinbarten Vergütung bereits abgegolten war. Demgegenüber hatte der Unternehmer geltend gemacht, er hätte die Leistungsbeschreibung anders verstanden. Nun ist eine Leistungsbezeichnung aus der Sicht des möglichen Bieters auszulegen. Dabei kommt dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung für die Auslegung besondere Bedeutung zu. Nicht ausgesprochene Einschränkungen des Wortlauts können nur Berücksichtigung finden, wenn sie von allen gedachten Empfängern so verstanden werden müssen. Zur Leistungsbeschreibung zählen Baubeschreibungen, Leistungsverzeichnis einschließlich abstrakter Vorbemerkungen, Bauzeichnungen, Probestücke usw. Auszugehen ist jedoch vom Wortlaut im Positionstext des Leistungsverzeichnisses als speziellerer Regelung. In dem konkreten Fall ergab der Wortlaut der einzelnen Grundpositionen des vom Auftraggeber erstellten Leistungsverzeichnisses eindeutig eine Vorhaltezeit von 24 Wochen. Der Auftraggeber hatte nicht gegen die sich für ihn aus § 9 VOB/A ergebende Pflicht zur klaren und erschöpfenden Bezeichnung aller preisbestimmenden Umstände im Ausschreibungstext verstoßen. Der Text der jeweiligen Grundpositionen war vielmehr auch aus der Sicht eines durchschnittlichen Bieters zweifelsfrei dahin zu verstehen, dass sie eine Vorhaltezeit von 24 Wochen umfassen. Selbst wenn im Hinblick auf die nach dem Terminplan geringer veranschlagte Bauzeit Zweifel hätten aufkommen können, hätte sich daraus zunächst eine Nachfrageobliegenheit des Unternehmers ergeben. Denn ein Auftragnehmer darf ein erkennbar lückenhaftes oder widersprüchliches Leistungsverzeichnis nicht einfach hinnehmen, sondern muss die sich daraus ergebenden Zweifelsfragen vor Abgabe seines Angebots klären. Dies hatte der Unternehmer unterlassen. Bei Erfüllung dieser Obliegenheit hätte der Auftraggeber mit großer Wahrscheinlichkeit klargestellt, dass die Grundpositionen des Leistungsverzeichnisses entsprechend ihrem Wortlaut gemeint waren. Diese Auffassung hat das Oberlandesgericht Frankfurt im Urteil vom 22.3.2006 – 4 U 94/05 – vertreten. Dr. Franz Otto
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