Startseite » Gestaltung » Farbe & Inspiration »

Farbe ist mehr als Dekoration

Farbe & Inspiration
Farbe ist mehr als Dekoration

Wenn Michael Wilford baut, dann wird es farbig: Purpur, Orange, Rot, Blau und Gelb setzt der Brite zu eigenwilligen Farbwelten zusammen, um der Architektur eine „andere Dimension“ zu geben.

Das Interview führte Armin Scharf.

Der britische Architekt Michael Wilford arbeitet international, auch in Deutschland. Zusammen mit seinem Partner Manuel Schupp plante und realisierte Wilford beispielsweise die Musikhochschulen in Stuttgart und in Mannheim, die Britische Botschaft in Berlin, verschiedene Industriebauten des Melsungener Medizinunternehmens Braun – sowie für die Sto AG neben dem so genannten Masterplan des Stammsitzes in Stühlingen auch das schiffsgleiche K-Gebäude und die Niederlassung in Hamburg. Zu seinen jüngsten Gebäuden gehören das Haus der Geschichte in Stuttgart und die Fabrik 2003 der Sto AG. Alle Projekte verbindet die eigenwillige Farbigkeit zur Verstärkung der architektonischen Idee. Damit unterscheidet er sich von vielen Kollegen, die auf die reine Ästhetik der Materialien setzen. Inzwischen ist die Farbigkeit nicht nur zu einem Markenzeichen seiner Architektur, sondern auch zum persönlichen Stilmittel geworden. Michael Wilford trägt keine schwarzen Rollkragenpullis, sondern bunte Hemden. Zum Interview beispielsweise ein Exemplar in „purple“, das auch in seinen Bauten immer wieder auftaucht.
Herr Wilford, was macht all die Farbe an Ihren Bauten?
Nun, unsere Gebäude setzen sich aus geometrischen Formen für die unterschiedlichen Nutzungen zusammen. Wir drücken also über die formale Komposition aus, was im Inneren des Gebäudes passiert. Die Farbe setzen wir ein, um die Teile des Gebäudes zusätzlich zu betonen. Im allgemeinen befindet sich die Farbe im Inneren. Wir nutzen sie aber auch, um die Unterschiede herauszuarbeiten zwischen der umgebenden historischen Stadt und der Tatsache, dass es sich um ein modernes Gebäude handelt.
Ist das nicht auch ein postmoderner Ansatz?
Nein, wir verarbeiten zwar geschichtliche Bezüge, verbinden sie aber mit eindeutig modernen Elementen. Wenn Sie die Staatsgalerie Stuttgart betrachten, so sind Stein und Putz typisch für die Stadt. Diese traditionellen Materialien verbinden wir mit modernen Elementen. So erzeugen wir dieses interessante Spiel aus Alt und Neu.
Die Postmoderne hingegen beschäftigt sich nur mit der Wiedererfindung und der Wiederbenutzung historischer Stile. Wir aber nutzen die Collage – bei der Britischen Botschaft in Berlin genauso wie beim Haus der Geschichte in Stuttgart. Immer ist die Farbe ein fundamentales Element im architektonischen Gefüge.
Viele Ihrer Kollegen vertrauen allein auf das pure Material.
Ja, das stimmt. Das ist ein sehr karger, strenger, ja mönchianischer Ansatz. Ich akzeptiere das. Wir sind natürlich auch interessiert an Materialien, Farbe ist nicht alles. Aber ich denke, dass Farbe den Gebäuden eine andere Dimension verleiht. In der Tat bringt individuelle Farbigkeit Leben und Freundlichkeit in öffentliche Gebäude.
Und wann haben Sie die Farbe entdeckt?
Ich glaube, es begann mit der Staatsgalerie. Es war unser erstes Gebäude, das wir mitten in einer Stadt bauten. Wir wollten einen direkten Bezug schaffen zu den traditionellen Materialien Stuttgarts, aber wir wollten ein modernes Gebäude. Stahl- und Metallteile ermöglichten es, Farbe einzubringen. Innen war es der grüne Fußboden. Eigentlich sollte dort auch der Stein von außen eingesetzt werden, aber da gab es ein finanzielles Problem. Daher entschied man sich, einen Kautschuk-Boden zu verlegen. Wenn man beginnt, ein synthetisches Material einzusetzen, dann steht ein sehr viel breiteres Farbenspektrum zur Verfügung. Das leuchtende Grün ist keine natürliche Farbe, wir setzen dieses synthetische Material in Kontrast zum natürlichen Material außen.
Auch der Farbenhersteller Sto ermutigte uns. Ich erinnere mich, wie sie uns klar sagten: „Unser Geschäft ist die Farbe, also wollen wir das auch zeigen.“ Das ist sehr ungewöhnlich, denn normalerweise sind die Menschen sehr zaghaft im Umgang mit der Farbe.
Gibt es typische Wilford-Farben?
Nein, nicht wirklich im Sinne einer eigenen Kollektion. Sie werden aber feststellen, dass einzelne Farben jedes Mal auftauchen. Beispielsweise Orange oder Magenta. Ich arbeite eher mit Kontrasten als mit Harmonien, weil das viel lebhafter, stärker wirkt. Daher gebrauche ich auch keine Pastellfarben.
Grundsätzlich nutzen wir die Farbe nicht als Dekoration eindimensionaler Oberflächen, sondern unterstreichen mit ihr architektonisch wesentliche Elemente in ihrer Dreidimensionalität. Eine Stütze beispielsweise ist solch ein primäres Element, dem wir dann rundum die gleiche Farbe geben. Und wenn wir Wände betonen, dann immer mitsamt ihren Leibungen.
Wie und wann kommt die Farbe zum Gebäude?
Grundsätzlich entwickeln wir das Farbschema sehr spät. Zuerst legen wir den Raumbedarf für die verschiedenen Nutzungen fest. Dann ent-wickeln wir daraus dreidimensionale Körper, die setzen wir zu einer Skulptur zusammen und beginnen dann, uns Gedanken über die Materialien und Farben zu machen. Die Farbe ist also nicht vom Beginn vorhanden, wird aber auch nicht spontan auf der Baustelle vergeben.
Erstellen Sie also einen Farbplan?
Wir arbeiten sehr stark mit Modellen, an denen wir unterschiedliche Farbkombinationen testen. Natürlich nutzen wir auch kolorierte Zeichungen. In einem detaillierten Material- und Farbplan legen wir dann die einzelnen Nuancen mit entsprechender Kodierung fest.
Auf der Baustelle selbst verändern wir unter Umständen die Begrenzungen der Farbflächen. Das ist aber alles.
Die Art der Farbanwendung irritiert immer wieder.
Es erfreut mich, Farbe so einzusetzen, dass sie der normalen Wahrnehmung und Bedeutung widerspricht. Dies ermöglicht neue Lesarten, ein neues Verständnis der Farbe.
Die Farbe ist anfänglich immer ein Schock für die meisten Menschen. Doch später lieben sie die Farbe, sie lässt die Menschen lächeln und macht den Besuch oder die Arbeit in einem Gebäude erfreulich. Deshalb arbeiten wir mit der Farbe.
Gilt das auch für das Lowry-Projekt in Salford?
Bei diesem Theaterkomplex haben wir die geometrischen Formen außen mit Edelstahl verkleidet. Im Inneren jedoch tauchen Purpur, Orange, Gelb auf. Geht man in das Gebäude hinein, so kommt man an verschiedenen Farbebenen vorbei, es ist wie ein Ausflug in die Welt der Farbe. Und schließlich haben wir jedem der beiden Theater eine eigene Farbpersönlichkeit gegeben.
Und das Haus der Geschichte in Stuttgart?
Der Ausstellungsraum, also der Kern des Gebäudes ist eine Blackbox, die Architektur liefert den Hintergrund. Das Äußere ist vorgegeben durch die umgebenden Bauten, also durch die Staatsgalerie oder die Musikhochschule. Aber im Inneren wollten wir dem Gebäude eine starke eigene Persönlichkeit geben, auch als Kontrast zu den sehr neutralen Ausstellungsräumen. Die Farbe verstärkt diese Idee, vor allem im Treppenhaus. Dessen Wände sind in Rot und Purpur gefasst, eine hellblaue Wand befindet sich im Untergeschoss. Diese drei Farben begleiten also den vertikalen Weg durch das Gebäude und zeigen nebenbei, wo man sich befindet.
Folgt die Farbe also in jedem Gebäude einer anderen Idee?
Ja, es gibt immer klare Strategien für den Farbeinsatz, wir bemalen ja nicht einfach Wände. Stets ist eine rational begründbare Idee hinterlegt, auch wenn die Wahl der einzelnen Farben intuitiv erfolgt und nicht begründbar ist.
Oft werde ich gefragt, wieso ich bestimmte Farben für bestimmte Bereiche verwende. Bei der Einweihung der Britischen Botschaft in Berlin wollte man wissen, warum die Energiezentrale rot, das Informationszentrum hellblau und der Konferenzraum purpur sind. Ich sagte damals, dass die britische Flagge die Farben Weiß, Rot und Blau vereint – mischt man nun Rot und Blau, dann erhält man die Farbe des Konferenzraumes. Da waren sie glücklich.
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 5
Ausgabe
5.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de