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Ferner Farbboom

Farbe & Inspiration
Ferner Farbboom

Dass in den fernen chinesischen Metropolen der Bau boomt, ist hinreichend bekannt. Mit dabei sind auch deutsche Architekten, die nebenbei für neue Farben im Reich der Mitte sorgen.

Armin Scharf

Peking wächst in einem für europäische Verhältnisse unvorstellbaren Tempo. Neben Bürokomplexen werden immer mehr Wohnungen für die wohlhabendere Mittelschicht erstellt, gerne auch mit Hilfe von europäischen Architekten. Auch das Büro Steidle Architekten aus München ist seit Jahren dort aktiv.
Vielfarbiges Wohnen
Bereits 2000 gewann das Büro den Wettbewerb für den großvolumigen Wohnbau Beijing Image an der westlichen 4. Ringstraße der chinesischen Hauptstadt. Dort, wo einst eine Textilfabrik stand, ragen nun fast 1.000 Wohnungen mit 35 bis 160 Quadratmetern Wohnfläche aus dem Boden. Dass dieses Projekt für die obere Mittelschicht konzipiert ist, zeigt die miterstellte Tiefgarage für 845 Fahrzeuge. Die Kubatur und die strengen Volumina tragen eindeutig die Handschrift des 2004 verstorbenen Otto Steidle, von dem auch das Grundgerüst der Farbgebung stammt. Von deutschen Projekten bekannt sind neben den Intensitäten der Töne auch die Farbwechsel auf den vertikalen Gebäudekanten. Als neues Element jedoch taucht erstmals der horizontale Farbwechsel innerhalb einer Fassade auf. So wird aus Grau plötzlich Weiß, eine andere Fassade beginnt in den unteren Etagen mit einem Orangeton, wechselt dann mit einer scharfen Linie in Weiß und dann in Grau. Dabei nehmen diese harten Wechsel keine Rücksicht auf den Öffnungs- oder Geschossrhythmus: Die Trennlinien laufen direkt durch Fensterzonen. Dieses Teilungsprinzip gliedert die Türme mit teils 15 Geschossen ebenso wie die niedrigeren, aber massiven Längsriegel der außerordentlich dichten Bebauung.
Die mäanderartige Grundform bildet mit den Querbauten eine von Steidle bekannte Struktur mit Höfen, internen Wegen und Blickbeziehungen. Gerade die Farbe bietet hier auch Identifikationsangebote und natürlich Orientierung, die bei einer solch nicht-linearen Anordnung eher schwer fällt.
Die Farbigkeit, ausgeführt von lokalen Firmen auf einem Wärmedämmverbundsystem mit 50 Millimeter starken EPS-Platten, führte zu gemischten Reaktionen bei der Bevölkerung vor Ort. Zwar finden sich Dunkelrot oder Dunkelgelb auch als traditionelle Farben in der Verbotenen Stadt wieder, doch ist die Gebrauchsarchitektur in Beijing traditionell von grauen Tönen geprägt. Letztlich aber setzt der Komplex ein architektonisches Zeichen, das sich auch als Aufbruchsignal deuten lässt.
Farbfreie Strenge
Monochrom hingegen präsentiert sich ein anderes Objekt, der rund 100 Meter hohe Doppelturm Chaowai Men. Auch er befindet sich in Peking, in der sehr heterogenen Umgebung des zentralen Geschäftsviertels. Geplant von Steidles Partnerbüro vor Ort, suchte man noch nach einer schlüssigen und eindeutigen Fassadengestaltung. Otto Steidle und sein Mitarbeiter Martin Klein gaben dem minimalistischen Baukörper eine ebenso klare Farbaussage: Schwarz und Weiß. Wobei das Weiß genau betrachtet eine warme Detailtextur aufweist, die unmittelbar aus dem verwendeten chinesischen Naturstein resultiert. Auch die schwarzen Flächen bestehen aus vorgehängten Steinplatten.
Wie bei Beijing Image ist hier ein horizontaler Farbwechsel zu sehen, nahezu auf halber Gebäudehöhe und zusätzlich zu den Kantenwechseln. Der entschiedenen Monochromität steht die rhythmische Abfolge unterschiedlicher Rasterformate gegenüber. Weil die tragenden Pfeiler sich in der Außenwandebene befinden, sahen sich die Planer jedoch stark eingeschränkten Möglichkeiten gegenüber, mussten Formatfolgen finden, die die Statik integriert und gleichzeitig ein freies Spiel der Öffnungen suggeriert. Letztlich gelang dies, sogar störende Kreuzfugen konnten vermieden werden. Zwei Leibungstiefen unterstützen das Wechselbild: Während feste Verglasungen bündig in der Fassade sitzen, springen Öffnungsflügel erkennbar zurück.
Diese eindeutige Farbaussage stieß auf durchweg positive Resonanzen, ein Bauherr war so begeistert, dass er den Doppelturm an anderer Stelle exakt kopieren wollte – ein für europäische Verhältnisse eigenwilliges Ansinnen. Andererseits: „dieses Projekt funktioniert vermutlich nur in einer chinesischen Metropole“, so Martin Klein.
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