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Transformiertes Konglomerat

Farbe & Inspiration
Transformiertes Konglomerat

Irgendwann hat die Fabrik ihre Geschäftigkeit ausgehaucht, wird nicht mehr benötigt und zugeschlossen. Dabei bleibt es dann oft, aber nicht immer. In Städten ist das Wohnen in alten Fabriken beliebt und begehrt, nun gewinnt es auch in ländlichen Gebieten an Bedeutung – beispielsweise im kleinen Weiler Diezikon im Zürcher Oberland.

Armin Scharf

Die Fabrik mit den leuchtenden Farben liegt etwas abseits, über eine schmale Straße muss man sich heranpirschen, stets den Blick hinter die engen Kurven werfend und nach Ausweichmöglichkeiten suchend. Die Schweiz ist hier für den deutschen Besucher sehr schweizerisch, ein bisschen Bergidylle, ein bisschen Ernst des modernen Lebens. Hier im Zürcher Oberland, zwischen Schmerikon und Wetzikon, entsteht 1836 eine Drechserlei, direkt an einem Bach, der die Energie für die Maschinen liefert. Mitte des 19. Jahrhunderts dann findet die erste Transformation statt: Eine Weberei zieht ein, Garn ersetzt das Holz, weitere Bauten kommen hinzu. Schließlich gilt es, 210 Webstühle unterzubringen. Signifikant ist der zweite Satteldachbau, der heute fast vollständig hinter einem modern geprägten Riegel verschwindet. Der zeugt von der vorletzten Nutzung, bei der in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts die Schokolade das Garn ablöst. Fortan heißt das Areal in der Umgebung schlicht „Schoggifabrik“ – selbst dann noch, als das Coop-Tochterunternehmen Halba die Fabrik verlässt und der süße Duft nach Kakao und anderen Zutaten aus Diezikon verschwindet.
2003 dann kommt neues Leben in die Schoggifabrik. Beat Diggelmann-Kreis, ein junger Architekt, erhält den Auftrag, eine Umnutzung zu projektieren. Also in die bewährten, aber nicht mehr zeitgemäßen Produktionsgebäude Wohnraum zu implantieren. Eine neue Transformation also, mit der Diggelmann-Kreis selbst auch zu einer neuen Rolle findet: Er kauft das Areal, baut es um, vermarktet es und zieht selbst mit seiner Familie ein. 16 Wohnungen, Ateliers und Gewerberäume für Eigentum und Miete finden in den insgesamt fünf Bauten Platz, die äußerlich kaum Veränderung erfahren – sieht man von der Farbe ab.
Die Farbe setzt der Architekt als Signal ein, zeigt mit leuchtenden Tönen, dass hier etwas Neues Raum gefunden hat. Jedes Gebäude trägt dabei einen anderstonigen, mineralischen Anstrich, der direkt aus der Volltonkarte zu kommen scheint. Ein Blau, das auch schon Bruno Taut nutzte, ein sattes Gelb, ein Rot und schließlich – um die Buntheit abzufangen – ein mittleres, neutrales Grau. Grau gefasst ist das jüngste Gebäude, grau sind auch die Fensterfaschen aller anderen Gebäude. So entsteht zwischen den baulich und farbig heterogenen Ensembleteilen eine hintergründige Verbindung. Die ehemalige Drechslerei ist in Gelb gefasst und enthält Einraumwohnungen, auch Lofts genannt. Blau trägt das Hauptgebäude der Weberei, in dem heute Familien mit Kindern wohnen. Genauso wie im grauen, direkt anschließenden, quaderförmigen Bau mit seinen größzügigen Fenstern. Rot leuchtet es derweil aus der zweiten Reihe heraus, wo das Atelierhaus steht und jenes Gebäude, das drei Generationen einer Familie beherbergt.
Außen von intensiver Farbigkeit geprägt, verflüchtigt sie sich im Inneren: Hier dominiert das schlichte Weiß. Wer Farbe will, braucht nur vor die Tür zu treten.
Bauherr: Familie Diggelmann-Kreis, Laupen (CH) Architekt: Architektur Diggelmann-Kreis, Laupen Farbkonzept: Paul Bürki, Winterthur Standort: Diezikon, Laupen bei Wald (CH)
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