Startseite » Technik »

Vorhangmalerei

Technik
Vorhangmalerei

Die Wittenberger Schlosskirche, 1490 bis 1511 erbaut, brannte zweimal vollständig aus. Dabei wurde auch die berühmte Tür zerstört, an die Martin Luther 1517 seine 95 Thesen anschlug. Die heutige ist eine Nachbildung aus Bronze. Der Reformator hat in dieser Kirche auch seine letzte Ruhestätte gefunden. Momentan wird die Schlosskirche umfangreich restauriert. Die Wände erhalten ihre ursprüngliche Schablonenmalerei zurück.

Hans Jürgen Ronicke

Zu Luthers 400. Geburtstag im Jahr 1883 wurde die Schlosskirche neugotisch umgebaut. Sie bekam auch die neue Kuppel, deren Form der „wilhelminischen“ Pickelhaube nachempfunden ist. Die Wände erhalten derzeit die „wilhelminische Vorhangmalerei“, über deren Rekonstruktion hier berichtet werden soll. In neuerer Zeit ist diese schöne, aufwendige Schablonierung ganzflächig mit einer Steinquader-Imitation überstrichen worden. Die Dipl.-Restauratoren Sascha Howahl und Ralph Spies aus Berlin und ihr Team entfernten diese und rekonstruierten die „wilhelminische Wandmalerei“ perfekt ausgeführt zu neuem (alten) Glanz.
Im Jahre 1882 wurde die ursprüngliche Schablonierung mit derzeit bereits erfundenen Keimschen Mineralfarben ausgeführt. Damals noch zweikomponentig aus Kaliwasserglas und Spezialpigmenten, geeignet nur auf rein mineralischen Untergründen. Für die Rekonstruktion ist die heutige verbesserte Qualität Keim Optil gewählt worden. Diese Mineralfarbe kann auch eingesetzt werden, wenn technisch ein rein mineralischer Untergrund nicht wieder hergestellt werden kann.
Glück gehabt !
Trotzdem erhielten die Flächen eine Sicherheitsgrundierung mit Spezialfixativ. Ein ganzflächiger, deckend weißer Anstrich mit Mineralfarbe bewirkt die gute Brillanz der folgenden vielfarbigen Gestaltung. Nach den spärlichen freigelegten Fragmenten konnte die ursprüngliche Farbigkeit nicht mehr präzise nachgestellt werden. Das Glück kam hier zu Hilfe. Bei der Abnahme eines Luther-Epitaphs kam eine gut erhaltene schablonierte Fläche zutage. Nach ihr konnten die geforderten ursprünglichen Farbtöne genau rekonstruiert werden.
Auf drei farbig verschiedenen Untergründen, rötliches Braun, helles Grün und ein Violettfarbton wurden die Schablonierungen gekonnt handwerklich ausgeführt. Dabei handelt es sich um die beachtliche Größe von zirka 350 Quadratmetern Wandflächen, die von Hand mit Schablonierpinseln rekonstruiert wurden. Bei dieser umfangreichen Arbeit wurden die Restauratoren tatkräftig von ihrem Team unterstützt. Das war auch nötig, immerhin musste fünfmal von Hand schabloniert werden.
Viele Meter des zirka 35 Zentimeter breiten zweifarbigen Fransenabschlusses mussten als Illusion von Hand gemalt werden. Dana Widalski löste diese Aufgabe perfekt mit Strichzieher und Malstock. Die bogenförmig gemalten oberen und unteren Abschlüsse, sowie die mit lasierten Strichen betonten Faltenwürfe verstärken die Illusion eines textilen Wandbelags.
Die Schablonen sind nach den Fragmenten digital aus spezieller Kunststofffolie gestanzt worden. Die Textileffekte wurden raffiniert durch die Muster- und Farbkombination von Untergrund und der fünfschlägigen Schablonierung erreicht. Aber auch viele Meter mehrfarbiger Bordüren mit Ornamentik und Strichen als Begleiter standen zur Rekonstruktion an. Viele neugotische Spitzbögen erhielten eine Schablonierung mit pflanzlichen Rankenornamenten.
Wittenberg bereitet sich bereits auf das 500. Lutherjubiläum 2017 vor. Der Autor empfiehlt schon jetzt einen Besuch der Lutherstadt. Im Frühjahr 2016 können auch die hier beschriebenen Arbeiten in der dann vollständig restaurierten Schlosskirche besichtigt werden.

praxisplus
Standort: Schlosskirche
06886 Lutherstadt Wittenberg
Auftraggeber: Das Land Sachsen-Anhalt
Restauratoren: HS – Howahl SpiesDipl.- Restaurator (FH) Sascha Howahl,
Dipl.-Restaurator (FH) Ralph Spies
10439 Berlin
Keim-Fachberater: MLM Jens Albrecht
Verwendete Farben: Keimfarben
www. restaurierungberlin.com
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 5
Ausgabe
5.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de