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Gute Aussichten

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Gute Aussichten

In der Mainzer Innenstadt wartet ein Warenhaus mit einer CO2-neutralen Energiebilanz auf.

Marc Nagel

Die Gestaltung von Kaufhäusern hat eine leidvolle Geschichte. Wären nicht die Entwürfe von Egon Eiermann für Hertie oder die jüngeren Beispiele der Modehauskette Peek & Cloppenburg mit ihren Weltstadthäusern von Architekten wie Renzo Piano in Köln, Richard Mayer in Mannheim oder Gottfried Böhm in Berlin, man könnte meinen, es gäbe keine guten Aussichten in diesem Bereich der Gewerbebauten. Doch auch jenseits der großen Namen entstehen neue Handelsbauten oder werden bestehende saniert und umgestaltet, die einen zweiten Blick wert sind. Eines dieser Beispiele steht in der Mainzer Innenstadt. Der Modehaus-Konzern C&A ließ als Mieter gemeinsam mit dem Eigentümer, der Redevco Services Deutschland GmbH, ein 40 Jahre altes Modehaus aufwändig sanieren. Dass daraus nicht nur ein Gebäude mit neuer Optik entstand, sondern dass auch auf die Umsetzung moderner Energieeinsparpotenziale gesetzt wurde, zeigt die zukunftsweisende Ausrichtung des Projekts.
Im Dreieck zwischen Seppel- Glückert-Passage, Franziskanerstraße und Betzelsstraße steht das Gebäude als großer Baukörper und tritt gegenüber der meist dreigeschossigen, giebelständigen Umgebungsbebauung hervor. Allerdings reagiert das Warenhaus mit seinen drei oberirdischen Geschossen auf die Nachbarbauten und nimmt die Traufhöhen dieser auf. Auch mit der Zweiteilung der Fassade wird auf die Umgebung eingegangen. So sind im Erdgeschoss die Schaufenster angeordnet und öffnen das Gebäude zur Straße hin, während die oberen Bereiche des Hauses wie bei den Nachbarn eher verschlossen sind.
Doch nicht alle Bereiche der oberen Gebäudehülle sind geschlossen ausgeführt. Anders als lange Jahre bei Entwürfen von Warenhäusern üblich, öffnet sich das Gebäude zur Seppel-Glückert-Passage in Form eines großen Schaufensters im ersten Geschoss. Dieses erlaubt Einblicke in das Innere des Gebäudes und dient als zusätzliche Ausstellungsfläche für die Warenpräsentation. In Kombination mit den raumhoch verglasten Bereichen im Erdgeschoss, die als klassische Schaufenster dienen, entsteht so ein beachtlicher Anteil an offenen Fassadenteilen. Doch auch die geschlossenen Bereiche sind überlegt gestaltet. Die Hauptfassade an der Seppel-Glückert-Passage wird neben dem großen Schaufenster durch eine transluzente Vorhangfassade ergänzt, die je nach Lichtverhältnissen ihr Erscheinungsbild verändert. So reflektiert das Metall des Gewebes bei Sonnenlicht die Umgebungshelligkeit und trägt außerdem zur Verschattung der dahinter liegenden Glasfassade bei. Auch diffuses Licht hinterlässt einen eigenen Effekt auf der Fassade, wenn sie mit ihrem metallenen Glanz einen Eindruck vermittelt, als wäre sie eine solide Gebäudehülle. Dämmert es und die Beleuchtung im Inneren des Gebäudes wird aktiviert, strahlt das Gebäude durch die Fassade und kommuniziert so mit der Umgebung.
Ergänzt wird die Fassadengestaltung durch eine Mischung aus Faserzementplatten in anthrazitem Farbton und Photovoltaik-Elementen, die die Hülle im Bereich Betzelstraße und Am Kronberger Hof abschließen. Vor allem die Wahl unterschiedlich großer Platten aus Faserzement verleihen dem Gebäude keinen uniformen und langweiligen Auftritt, sondern tragen zur Lebendigkeit der Fassade bei, weil das Fugenbild nicht einheitlich oder gar streng wirkt.
Energetisch optimiert
Doch nicht nur bei der Gestaltung wollten die Architekten von Ehrich + Vogel sowie die Planer vom Büro Fuhrmann + Keuthen ein Zeichen setzen. In enger Absprache mit dem Eigentümer und dem Mieter wurde ein Energiekonzept umgesetzt, das es ermöglicht in einem Bestandsgebäude aus den 1960er-Jahren, eine CO2-neutrale Energiebilanz zu erreichen. Auf der Grundlage der EnEV 2007 entstand so ein Gebäude, das mit ca. 155 kWh/(m2a) ganze 43 Prozent unter dem von der EnEV vorgegebenen Vergleichswert von 273,5 kWh/(m2a) für ein solches Gebäude im Neubau-Zustand liegt. Nimmt man gar den empfohlenen Primärenergiebedarf für Altbauten an, dann liegt der C&A Eco-Store mit seinen 155 kWh/(m2a) noch einmal deutlich unter den 382,9 kWh/(m2a) der EnEV-Empfehlung. Der sanierte Bau in Mainz unterbietet den üblichen Wert somit um 60 Prozent.
Vor allem die Fassadendämmung mit Glaswollmatten in 160 Millimetern und in 100 Millimetern Dicke, die sich hinter dem Metallgewebe verstecken, trägt zu diesem im Warenhausbereich seltenen Umstand bei. Aber auch die verwendeten Fenster sind wichtige Faktoren für die Energieeinsparung.
Alle Maßnahmen zusammen bringen die Gebäudehülle auf einen Wärmedurchgangskoeffizienten, also einen U-Wert von 0,71 W/(m2K) statt der in der EnEV geforderten 1,01 W/(m2K).
Weitere Maßnahmen
Doch nicht nur der Energieverlust wurde verringert. Auch die beiden ebenso wichtigen Punkte wie Energieverbrauch und Energieerzeugung wurden in das Konzept mit eingebracht. So werden fast 90.000 kWh Strom pro Jahr über die 900 Quadratmeter große Photovoltaik-Anlage gedeckt.
Zusätzlich konnte über ein neues Beleuchtungs- und Belüftungskonzept weiter Strom eingespart werden, was zusätzlich zum CO2-neutralen-Betrieb des Gebäudes beiträgt und ganz im Sinne der Energieeinsparverordnung ist.
Natürlich ist das 40 Jahre alte Warenhaus nicht nur formal und in Sachen Umwelttechnik auf neuestem Stand. Auch die Grundrisse wurden optimiert und bieten dem Mieter C&A auf 6.500 Quadratmetern Fläche ausreichend Platz zur Präsentation des großen Warensortiments.
Es geht auch anders
Insgesamt zeigt der erste C&A Eco-Store in Mainz aber nichts Neues in Sachen Konstruktion oder Grundrissplanung. Was jedoch im Bereich der Kauf- und Warenhäuser noch immer neu ist, das ist das hohe Engagement bei der Energieplanung des Gebäudes. Es wurden alle für ein Projekt im Bestand möglichen Maßnahmen geprüft und viele davon umgesetzt. Eine CO2-Reduktion um 268 Tonnen pro Jahr und die Auszeichnung mit dem BREEAM-Zertifikat, einem der begehrtesten international anerkannten Zertifikate für umweltschonendes Bauen, sprechen dabei eine eigene und überzeugende Sprache. Es wäre zu wünschen, dass mehr Handelsunternehmen in die Energietechnik ihrer oft in die Jahre gekommenen Häuser investieren und so zwei Dinge erreichen: geringere Betriebskosten und einen hohen Beitrag zum Umweltschutz. Denn das Mainzer Beispiel ist der Beweis, das auch im Bestand ein CO2-neutraler Betrieb möglich ist.

kompakt
Wie der Umgang mit Bestandsgebäuden aus den 1960er- und 70er-Jahren heute aussehen kann, zeigt der C&A Eco Store in der Mainzer Innenstadt.
Architekten:
Ehrich + Vogel Architekten Ateliergebäude Kölner Str. 59 40211 Düsseldorf
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