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Intakte Gebäudehülle

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Intakte Gebäudehülle

Das Angebot an Fassadenfarben und -putzen ist groß. Über die Stärken und Schwächen der verschiedenen Farb- und Putzsysteme.

Olaf Janotte, BaumitBayosan

Allroundprodukte sind in. Um den Transport, die Lagerhaltung oder die Verarbeitung zu erleichtern, werden immer mehr Produkte angeboten, die einen breiten Einsatzbereich abdecken sollen. Der Gedanke ist gut und schafft auch auf vielen Gebieten hervorragende Ergebnisse.
Gerade bei der Fassadenbeschichtung sind die Ansprüche an das Produkt aber oftmals so vielschichtig, dass solche Kombi-Produkte doch nur einen Teil des gewünschten Spektrums abdecken können. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Eigenschaften der einzelnen Produkte zu kennen, um dem Wunsch seines Auftraggebers möglichst nahe zu kommen. Dieser Artikel soll einen Überblick über einige der wichtigsten Putz- und Anstrichvarianten geben.
Mineralisch oder organisch?
Bereits beim Bindemittel scheiden sich oftmals schon die Geister, wobei nicht immer objektive Gründe für das eine oder das andere Produkte sprechen.
Auf Grund der mannigfaltigen Informationen, die ungefiltert ins Internet gestellt werden, hat der Bauherr heute die Möglichkeit, sich eine Vielzahl von Meinungen, egal, ob richtig oder falsch, anzusehen und sich anhand dieses Informationsüberflusses seine eigene Meinung zu bilden. Aus diesem Grund ist es für den Fachmann heutzutage viel wichtiger als früher, mit einem exakten Wissen den manchmal abenteuerlich anmutenden Vorstellungen der Bauherrn entgegenzutreten. Dies ist aber auch deshalb wichtig, da gegebene Auskünfte oftmals nicht einfach hingenommen, sondern vom Bauherrn mehrfach hinterfragt und auch von anderen Seiten bestätigt werden müssen.
Silikatische Farben und Putze
Silikate, wie sie für Anstriche und Putze eingesetzt werden, sind mineralische Verbindungen. Diese Silikate dienen als Grundstoff zur Herstellung von so genanntem Kaliwasserglas, einer Verbindung von Quarz- und Pottasche. Die bei der Herstellung gewonnenen gelblich durchsichtigen Stücke werden in Wasser gelöst und bilden somit das Bindemittel für Silikatfarben und -putze.
Reine Silikatfarben werden heutzutage hauptsächlich in der Denkmalpflege eingesetzt. Bei diesen zweikomponentigen Systemen wird vor der Verarbeitung das Bindemittel Wasserglas mit den entsprechenden Pigmenten angeteigt und vermischt.
Silikatfarben haben den Vorteil, dass sie nicht nur oberflächlich auf dem Untergrund auftrocknen, sondern sich mit den mineralischen Bestandteilen des Unterputzes dauerhaft verbinden (Verkieselung). Silikatfarben ergeben dadurch sehr dauerhafte, belastbare Anstriche, die auch die eingesetzten Pigmente fest umschließen und so vor Auswaschungen schützen. Der mineralische Aufbau bewirkt ein mikroporöses Gefüge, so dass silikatische Anstriche und Putze sehr gute Wasserdampfdurchlässigkeiten aufweisen. Das ist vor allem dann wichtig, wenn Feuchtigkeit im Untergrund vorliegt.
Silikatische Putze und Anstriche lassen sich von allen mineralischen Systemen am besten einfärben. Dies liegt daran, dass das Bindemittel Kaliwasserglas nahezu durchsichtig ist und das Pigment so gut durch das Bindemittel „durchscheinen“ kann. Auf Grund der hohen Alkalität silikatischer Anstriche können nur Pigmente eingesetzt werden, die gegen diese auch beständig sind. In der Regel werden für Silikatfarben und -putze deshalb nur anorganische Pigmente verwendet. Das bedeutet aber, dass es bei einigen sehr intensiven Farbtönen nicht möglich ist, diese als Silikatfarbe herzustellen (z.B. Feuerwehrrot). Das Spektrum der zur Verfügung stehenden Pigmente ist allerdings so groß, dass damit nahezu alle Farbwünsche befriedigt werden können.
Die Verkieselung des silikatischen Bindemittels kann als eine Art Versteinerung gesehen werden. Dieser Vergleich macht deutlich, dass silikatische Anstriche bei der Abbindung hohe Spannungen aufbauen. Das bedeutet, dass der zu beschichtende Untergrund für diese Spannungen auch geeignet sein muss und entsprechende Festigkeiten aufweist. Das ist gerade heutzutage, bei immer leichter und weicher werdenden Wandbaustoffen, problematisch, da diese flexiblere und damit weichere Putzbeschichtungen fordern. Günstiger sind deshalb Dispersionssilikatfarben, die durch einen geringen Dispersionszusatz (in der Regel maximal fünf Prozent) bedeutend weniger Spannung bei der Abbindung aufbauen. Dispersionssilikatfarben lassen sich durch die stabilisierende Wirkung der Dispersion einkomponentig und damit fertig verarbeitbar herstellen. Werden zudem noch Silikonharze beigefügt, sind die ansonsten saugfähigen Silikatanstriche wasserabweisend ausgerüstet.
Bei allen silikatischen Systemen spielt die Untergrundfeuchtigkeit eine entscheidende Rolle. Da Feuchtigkeit im Untergrund die Reaktion der Verkieselung beeinflusst, kann ein unterschiedlich nasser Putzgrund zu Farbschattierungen führen. Diese egalisieren sich auch nicht, wenn der Putzgrund danach vollkommen austrocknet. Auch ein nachträglich aufgebrachter zweiter mineralischer Anstrich ist nicht in der Lage diesen Farbunterschied (der zwei Farbtonstufen ausmachen kann) vollständig auszugleichen, da die Mikrostruktur des ersten Anstriches das Saugverhalten für den zweiten unterschiedlich gestaltet. Aus diesem Grund empfiehlt es sich bei silikatischen Anstrichen mit einer das Saugverhalten des Untergrunds ausgleichenden Grundierung vorzuarbeiten. Genauso problematisch wie Feuchtigkeit im Untergrund ist Feuchtigkeit von der Oberfläche. Da hier bedeutend höhere Mengen an Wasser anfallen können (Niederschlag, Tau), kann dies zu einer direkten Störung des Verkiese-lungsvorgangs führen, die weiße Verfärbungen an der Oberfläche verursacht.
Durch den mineralischen Aufbau ist die Oberfläche der silikatisch gebundenen Putze und Anstriche grobporös, so dass das auftreffende Licht, je nach Blickrichtung, in unterschiedliche Richtungen abgelenkt wird. Auf Grund dieser mineralischen Optik werden Dispersionssilikatputze und Farben auch im denkmalpflegerischen Bereich eingesetzt.
Mineralische Edelputze
Bei mineralischen Edelputzen spricht man in der Regel von Oberputzen, bei denen als Bindemittel Kalk und Weißzemente eingesetzt werden. Durch das Saugverhalten des Untergrunds und der chemischen Umwandlung dieser beiden Produkte wird, wie bei den silikatischen Materialien, ein intensiver Verbund zum Untergrund erreicht.
Beim Einfärben dieser Putze besteht die Schwierigkeit, dass der weiße Farbton der Bindemittel überdeckt werden muss. Deshalb ist hier eine Farbbrillanz, wie sie silikatisch gebundene Materialien haben, nicht möglich. Der weiße Grundton führt mehr oder weniger zu einer Abschwächung in der Farbintensität, so dass bei mineralischen Putzen vor allem Pastelltöne vorherrschen. Intensive Farbtöne können nur durch eine übermäßige Pigmentierung erreicht werden. Dabei besteht die Gefahr, dass das zur Verfügung stehende Bindemittel die Pigmente nicht ausreichend gut halten kann, so dass es zu Auswaschungen kommt. Die Feinheit der Pigmente führt zudem zu einer „Überfettung“ des Putzes, der sich so nicht mehr richtig strukturieren lässt. Gerade bei geriebenen Putzen verschmiert diese feine Masse die Struktur, die nun nicht mehr so deutlich hervortritt. Liegt die Pigmentzugabe allerdings in einem vertretbaren Bereich, werden auch bei mineralischen Edelputzen eine hohe Dauerhaftigkeit und Farbstabilität sowie hervorragende Verarbeitungseigenschaften erreicht.
Das große Plus bei mineralischen Edelputzen ist die vielfältige Strukturierbarkeit. Je nach Korngröße und Aufbau lassen sich mineralische Edelputze filzen, reiben oder frei modellieren und bieten so eine nahezu unerschöpfliche Art der Oberflächengestaltung. Durch die unterschiedliche Art der zu verwendenden Werkzeuge können mineralische Edelputze, gerade bei etwas höheren Schichtdicken, mit einer eigenen „Handschrift“ versehen werden. Im Gegensatz zu Dispersionssilikat- oder anderen pastösen Putzen, die fast ausschließlich nur in Kornstärke aufgetragen und durch Reiben strukturiert werden, bietet sich bei mineralischen Edelputzen der plastische Auftrag in unterschiedlichen Dicken geradezu an. Dies ist vor allem im denkmalpflegerischen Bereich sehr wichtig, da hier auf ebene und gleichförmige, manchmal steril wirkende Flächen kein Wert gelegt wird.
Organische Anstriche und Putze
Unter organischen Beschichtungen versteht man Materialien, deren Bindemittel aus Kunstharzen besteht. Dieses Kunstharz liegt als fein verteilte Tröpfchen in einem Wassergemisch vor. Beim Abtrocknen des Wassers berühren sich die Kunstharztröpfchen, fließen ineinander und bilden dabei einen festen Film, der enthaltene Füllstoffe, Pigmente oder Sande aneinander und auf den Untergrund klebt. Die Verfestigung von dispersionsgebundenen Materialien hängt stark von den Abtrocknungsbedingungen ab. Ist die Temperatur zu gering, so dass die Tröpfchen nicht ineinander laufen können, trocknet der Anstrich ohne Filmbildung ab und weist keinerlei Festigkeit auf.
Die Qualität und Zusammensetzung des Films ist von entscheidender Bedeutung für die Eigenschaften der organischen Beschichtung. Bei reinen Kunstharzdispersionen bekommt man sehr feste und dichte Filme, die sehr widerstandsfähige Beschichtungen ergeben. Auf Grund der guten Klebekraft und des dichten Gefüges werden Pigmente optimal gehalten, so dass mit reinen Dispersionsfarben und -putzen sehr intensive Farbtöne erreicht werden können. Nachteilig ist hier, dass es bei einer Durchfeuchtung von der Rückseite zu einer Ablösung der Beschichtung kommen kann. Staut sich der Wasserdampf hinter dem Putz oder Anstrichfilm, so kondensiert er bei niedrigen Temperaturen dahinter aus und kann im Winter als Eis die Haftung zum Untergrund aufheben. Im darauf folgenden Frühjahr zeigen sich dann die ersten Schäden durch großflächiges Abblättern der Beschichtung.
Um die Beständigkeit bei Hinterfeuchtung für organisch gebundene Beschichtungen zu erhöhen, wurde es deshalb notwendig, den Film dampfoffener zu machen, um eine Abtrocknung zu ermöglichen. Hierzu werden Silikonharzemulsionen eingesetzt, die ein offenes, wasserdampfdurchlässiges Gefüge schaffen. Je höher der Anteil an Silikonharzemulsion, desto offenporiger der Film. Problematisch bei diesen Anstrichen und Putzen ist, dass der Anteil von Silikonharz keiner Normung unterliegt. Aus diesem Grund können sich alle, auch nur die mit geringen Mengen an Silikonharzemulsion versehenen Dispersionsprodukte, Silikonharzfarbe oder Silikonharzputz nennen. Nachdem dieses Zusatzmittel allerdings teuer ist, kann man alleine schon am Preis abschätzen, bei welchem Material entsprechende Mengen vorhanden sind. Allein der Produktname kann hier nicht als Qualitätsmerkmal dienen, so dass für die nähere Bestimmung die technischen Daten (Dampfdurchlässigkeit bzw. sd-Wert) überprüft werden müssen.
Die hohe Dampfdurchlässigkeit spielt nicht nur bei feuchten Untergründen eine Rolle, sondern auch dann, wenn der Anstrich z.B. auf einen kalkgebundenen Putz aufgetragen wird. Kann hier nämlich kein ausreichend hoher Diffusionsstrom erreicht werden (Wasserdampf von innen, Kohlendioxid von außen), verliert der Kalkputz an Festigkeit, so dass er sich langsam zersetzt. Dieser Vorgang hat wohl auch massiv zu dem schlechten Image beigetragen, der dispersionshaltigen Materialien auch heutzutage noch anhaftet. Oftmals werden diese Beschichtungen als „Plastiktüte ums Haus“ bezeichnet, unter der alles steckt. Gerade aber durch den Einsatz von Silikonharzfarben können solche Problematiken sicher vermieden werden.
Im Bereich des Betonschutzes sind dichtere Systeme aber wieder von Vorteil. Durch die Reaktion von Kohlendioxid (CO2) aus der Luft mit dem freien Kalk im Beton wandelt sich das Kalkhydrat in Kalkstein um. Da das Kalkhyd- rat aber für den hohen pH-Wert – und damit für den Schutz der eingelegten Stähle notwendig ist – versucht man hier möglichst CO2-dichte Anstrich einzusetzen. Dies zeigt, wie wichtig die genaue Kenntnis der Zusammenhänge ist. Der Nachteil eines Produkts kann, bei geänderter Anforderung, in einem anderen Fall ein direkter Vorteil sein.
Ein großes Plus von organisch gebundenen Anstrichen und Putzen ist der gleichmäßige Farbton, der beim Abtrocknen entsteht. Im Gegensatz zu den mineralischen Produkten spielen hier ein unterschiedliches Saugverhalten oder eine langsame Abtrocknung keine so große Rolle, so dass auch unter etwas widrigeren Umständen ein gleichmäßiger Farbton erreicht wird. Bei Silikonharzputzen ist es deshalb nicht notwendig, noch abschließend einen egalisierenden Anstrich aufzubringen, der die Schattierungen innerhalb der Fläche ausgleicht. Diese Anstriche und Putze lassen sich deshalb auch viel einfacher auftragen und erfordern kein so hohes Geschick bei der Verarbeitung. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass nahezu zwei Drittel aller Fassadenflächen mit organisch gebundenen Anstrichen versehen werden, da hier auch Laien noch relativ gute Ergebnisse erzielen können. Zusammenfassend können die Eigenschaften der unterschiedlichen Bindemittel wie folgt aufgeführt werden:
Silikatische Bindemittel:
  • Hohe Wasserdampfdurchlässigkeit
  • Verarbeitung erfordert Erfahrung
  • Kein Regenschutz ohne Zusatzausrüstung
  • Überwiegend für Mineralputze an historischen Fassaden
Disperionssilikate:
  • Hohe Wasserdampfdurchlässigkeit
  • Verarbeitung leichter als bei rein-silikatischen Produkten
  • Mittlerer bis hoher Regenschutz
  • Überwiegend für mineralische Untergründe
  • Dispersionen:
  • Relativ geringe Wasserdampfdurchlässigkeit
  • Sehr leichte Verarbeitung
  • Hoher Regenschutz
  • Sehr universelle Anwendung
  • Hohe Elastizität
Silikonharze:
  • Hohe Wasserdampfdurchlässigkeit
  • Sehr leichte Verarbeitung
  • Matte Oberflächen
  • Hoher Regenschutz
  • Hohe Elastizität
Ein Produkt für alle Fälle kann immer nur einen Mittelweg darstellen, der zwar leicht zu gehen ist, mit dem man sich aber nicht von der Masse abhebt. Gerade in Zeiten, in denen die genaue Erfüllung von Kundenwünschen oftmals die Entscheidung für die Auftragsvergabe darstellt, muss man sich ein entsprechendes Wissenspolster zulegen, wenn nicht allein der Preis überzeugen soll.
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