Nun also der Stuttgarter Hauptbahnhof: Was wirklich als Paradebeispiel der frühen Moderne gilt und von einem der wichtigsten Vertreter der Stuttgarter Schule, einer Architekturbewegung aus dem 20. Jahrhundert, entworfen wurde, wird amputiert. Um unwichtige Seitenflügel – wie Politik und der Bauherr Deutsche Bahn es nennen. Auch um einen wichtigen Teil eines historisch bedeutenden Ensembles – wie ich persönlich es nennen würde. Was da ein paar Menschen, viele von ihnen Laien, gegen die geballte Fachmeinung anrichten, grenzt an Ignoranz. Ignoranz gegenüber den Plänen des Architekten Paul Bonatz, der den Bahnhof nicht als einzelnen Baukörper, sondern als perfektes Nebeneinander aus Haupt- und Nebengebäuden entwarf. Irgendwie traurig, was da geschieht. Doch die Ironie der Geschichte meint es gut mit uns: Die gleichen Parteien, die den Abriss des Bahnhofs befürworten, wollen in der Bundeshauptstadt das Humboldt-Forum mit der historischen Fassade des ehemaligen Berliner Schlosses wieder entstehen lassen. So wird in der einen Stadt etwas baugeschichtlich Bedeutendes zerstört und in der anderen Stadt etwas Neues im Gewand einer künstlichen Geschichte wieder aufgebaut, obwohl es längst aus dem Bewusstsein der Bürger verschwunden ist. Verstehe das wer wolle, ich auf jeden Fall nicht. Was ich aber dafür verstehe, das ist der Hintergrund: Wenn nämlich ein Investor mit dem Scheckheft wedelt, dann gelten Baurecht und Denkmalschutz weniger. Doch wehe dem kleinen Bauherrn und seinem Handwerker, wenn sie Details an einem Baudenkmal verändern wollen. Doch das ist eine andere Geschichte.
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