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Farbenträchtig

Unverdünnt aufgetragen Mattes und Glänzendes aus dem Malerhandwerk
Farbenträchtig

Werner Schledt

Plötzlich haben namhafte Zeitungen und Illustrierte die Farbe entdeckt. Das „Zeit-Magazin“ z.B. beschrieb kürzlich in einem speziellen Designheft den Einfluss der Farbe auf unsere Gefühle. „Rot macht aggressiv, Rosa beruhigt“ stand auf der pinkfarbenen Titelseite.
Unter einer Überschrift „Schön! Färberei!“ konnte man dann lesen, dass wir nur sehr wenig darüber wissen, wie uns Farbe beeinflusst und dass sie sogar glücklich machen kann, vorausgesetzt, man beschäftigt sich mit ihr. Dass Diätprodukte oft hellblau verpackt sind, weil dieser Farbton Leichtigkeit assoziiert, ist unschwer nachzuvollziehen und nicht neu.
Für uns Maler schon interessanter war die Beschreibung eines Konzepts „Emotion Colors Mobile“, das den Beschäftigten eines Schweizer Versicherungskonzerns die Möglichkeit bietet, je nach Lust und Laune in unterschiedlich farbigen Räumen zu arbeiten, so z.B. in blauen, wer sich konzentrieren muss oder in gelben, wenn die Kreativität verstärkt werden soll.
Orange macht glücklich
Eine Farbberaterin glaubt sogar, den richtigen Farbton des Glücks zu kennen: „Sensuell Orange“, ein warmes Orange, das ein – freilich nur kurzfristiges – Glücksgefühl hervorrufe. Ein Wahrnehmungsforscher weist in dem Artikel aber auch auf die Grenzen psychologischer Farbgestaltung hin: Je länger man sich nämlich einer Farbe aussetze, desto mehr verliere sie ihre Wirkung, weil man sie schon bald nicht mehr richtig wahrnehme, sich an sie gewöhnt habe.
Dass unser Gehirn zwischen der Farbe eines Produkts und der seiner Umgebung offensichtlich nicht unterscheiden kann und deshalb in einem roten Raum einen Wein süßer findet, bringt natürlich die Werbebranche auf Ideen.
Für uns mehr interessant ist die LED-Lichttechnologie, mit der sich Räume analog zu den gewohnten, natürlichen Lichtverhältnissen im Laufe eines Tages unterschiedlich farbig nuancieren lassen.
In diesem Zusammenhang prognostiziert der zitierte Wahrnehmungsforscher schon bald auch Anstriche, die wie ein Chamäleon ihre Farbe wechseln können. Wer weiß, vielleicht sind ja Farben, die vergilben oder verblassen, nur ein Anfang.
Natürlich erzählen im „Zeit-Magazin“ auch namhafte Gestalter, welche Farben sie bei der Gestaltung von Wohnräumen bevorzugen: Die Brüder Bouroullec, „Frankreichs farbenfroheste Designer“, favorisieren weiße, neutrale Wände und empfehlen im Übrigen die bekannte Regel „Je kleiner die Fläche, desto intensiver darf die Farbe sein“.
Warme Farbe
Andere wiederum sagen, gerade kleineren Räumen täten volle Farben besser und begründen ihre Empfehlung, größere Zimmer in erdigen Tönen anzulegen damit, dass wir unseres Klimas wegen einen Bedarf an warmen Farben und auch Hölzern haben.
Eine der befragten Designerinnen empfiehlt sogar, einen ganzen Raum schwarz zu streichen, weil Schwarz besänftige und im Übrigen die am meisten unterschätzte Wohnfarbe sei. Auch die Expertenmeinungen so vielfältig wie die Farbe also. Wir Maler kommen übrigens in dieser Publikation nicht vor.
Blau lieben wir am meisten
Natürlich sind auch Lieblingsfarben immer wieder ein Thema. 30 Prozent der Deutschen nennen zuerst Blau, dann Rot und Grün. Bei einigen der befragten Künstler waren die Begründungen ganz originell: Gelb, die Farbe des Lichtes und der Sonne, meinte der eine, sei die Basis für Grün. Nanu?
Andere mögen besonders gerne ein „giftiges Violett“, auch Zinnober wurde genannt. Auf die Frage „Warum?“ gab Norbert Bisky, dessen Lieblingsfarbe Neapelgelb ist, eine gute Antwort: „Keine Ahnung.“
Natürlich hat man auch Trendforscher befragt. Beim Auto geht der Trend zu Brauntönen, die schon jetzt einen hohen Marktanteil haben. Zitat: „In den 70er-Jahren schämten sich Heranwachsende, wenn sie von ihren Vätern in einem „kackbraunen“ Audi 80 abgeholt wurden. Heute kaufen sie sich gerne als Zweitwagen einen Mini in der Farbe Hot Chocolate.“
„Neue Moden“ im ursprünglichen Sinn des Begriffs gibt es wohl längst nicht mehr, nur Wechsel und Wiederholungen – mein erster Käfer hatte die Farbe „Nil-Beige“.
Immerhin, bei den Farben für Autos und Bekleidung treffen die Prognosen der Trendforscher wohl zu – im Wohnbereich dagegen konnte ich das noch nie beobachten. Wäre ja auch schlimm, wenn wir mit dem Verkäuferargument „Das trägt man in dieser Saison“ Trendfarben in die Wohnungen und an die Fassaden brächten. Man würde lange daran tragen. Auch eine der führenden deutschen Tageszeitungen widmet der Farbe regelmäßig eine ganze Seite und beschreibt jeweils die Farbigkeit bedeutender Städte. In Amsterdam, so hieß es zuletzt, begegne man u.a. Brueghel-Grün, Rembrandt-Braun, Van-Gogh-Gelb und natürlich auch Vermeer-Blau.
Früher hat man die Farben vor allem nach ihrer Basis oder Herkunft benannt: Purpurrot, Kobaltblau und Oxidgrün oder auch Terra di Siena. Auch über die Mischungsverhältnisse und die Anmutungen Kalt oder Warm sowie die Beschreibungen Hell und Dunkel konnte man sich gut verständigen. Grünblau war halt ein Blau mit Grünanteilen, Blaugrün ein kaltes Grün mit Beimischungen von Blau.
Seit man die guten „Familiennamen“ durch „Geheißnamen“ erweitert hat, heißt Blaugrün auch „Petrol“, ein Gelb- rosa „Apricot“ und das helle Blauviolett „Flieder“ – als ob es nicht auch weißen Flieder gäbe. Die Werbung tauft die Farben ständig um, gibt ihnen leicht verständliche Namen, wie „Stroh“, aber auch schwer zu buchstabierende, wie „Dioxazine Purple“. Auch „Neongrün“ ist mir schon begegnet.
Feindliche Übernahmen
In diesem Zusammenhang ist es auch nicht mehr überraschend, dass man Farbtöne patentieren und damit deren beliebige Nutzung verhindern kann. Die Telekom z.B. hat ihre Hausfarbe „Magenta“ schützen lassen, ein Hersteller von Isoliermaterial „sein“ Pink, eine andere Rosa-Variante. Und das patentierte „International Klein Blue“ der monochromen Bilder von Yves Klein, ein Ultramarinblau, darf auch nicht jeder verwenden. Feindliche Übernahme der Farben, die eigentlich allen gehören.
30 Prozent der Deutschen nennen als Lieblingsfarben Blau, dann Rot und Grün.
Es gibt feindliche Über- nahmen der Farben, die eigentlich allen gehören.
Die Werbung tauft die Farben ständig um und gibt ihnen leicht verständliche Namen.

PRAXISPLUS

Relevantes für die Branche entdecken, Anstöße geben, manche Dinge auf die Schippe nehmen – genau das macht Werner Schledt in seiner Kolumne „Unverdünnt aufgetragen“. Der Autor war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbandsgeschäftsführer im hessischen Maler- und Lackiererhandwerk. Jetzt ist er Geschäftsführer der Schledt & Schledt GmbH.
Werner Schledt
TREIBS Bau GmbH
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