Startseite » Betrieb & Markt »

Freispruch

Betrieb & Markt
Freispruch

Werner Schledt

Längst bevor unsere Politiker sich angewöhnt haben unterschiedliche Vereinbarungen, meist Kompromisse, als Paketlösung zu offerieren – wie derzeit beim Fiskalpakt – hat der LIV Hessen seinen Mitgliedsinnungen (natürlich auch denen anderer Verbände), ein attraktives Paket geschnürt: Das „Freisprechpaket“. Es enthält alles, was man als Veranstalter zur Vorbereitung und Durchführung einer gelungenen Freisprechfeier für die Junggesellinnen und -gesellen braucht, ist also rationell – und natürlich jeweils aktuell.
Das Thema der Freisprechrede wechselt von Jahr zu Jahr und ist stets an zeitnahen Trends und Entwicklungen orientiert. Auslöser für die Idee, ein solches Komplettpaket zu schnüren, war die Erfahrung, dass überkommene Freisprechfeiern manchmal schon vom Rahmen, öfter allerdings von den Reden her, die jungen Menschen nicht ansprechen und folglich nicht – also auch nichts – erreichen. Da gab es die Reden – oft auch noch viel zu viele – von Ehrenamtsträgern mit Appellen wie dem, dass ab jetzt der Ernst des Lebens beginne und Leistung gebracht werden müsse, Ansprachen von Handwerksrepräsentanten, in deren Mittelpunkt einzig der Neubau eines Weiterbildungszentrums stand, und solche von Politikern, welche die Gelegenheit nutzten um darzustellen, was man alles für das Handwerk getan habe und noch zu tun gedenke. Sicher alles wichtig und richtig. Aber erreicht man damit die, um die es an diesem Tag geht?
Weil es nicht so viele Anlässe gibt, die eine Chance bieten, junge Menschen nachhaltig anzusprechen, sollten diese genutzt werden. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie bei einer Freisprechungsfeier mit dem LIV-Paket ein Landrat – er ist inzwischen Minister – in seinem kurzen Grußwort sagte, er habe das allererste Mal erlebt, dass bei einer solchen Veranstaltung, egal ob von Innung, Kreishandwer- kerschaft oder Industrie- und Handelskammer, endlich einmal die jungen Menschen und nicht primär die übrigen Gäste und die Presse angesprochen wurden.
Weil aber genau dies erreicht werden soll, beginnt schon die Checkliste mit dem Hinweis, dass sich die Feier in allererster Linie an die jungen Leute richtet. Zu den zahlreichen Tipps für die Vorbereitung gehören Textvorschläge für die Einladung und Hinweise aufs technische Raumequipment ebenso wie Vorschläge für zum Thema passende Tischdekorationen und eine „junge“ musikalische Gestaltung. (Das in die Jahre gekommene Streicherensemble kann man also getrost streichen.) Für die Auszeichnung der Prüfungsbesten gibt’s zum Thema passende Geschenkvorschläge, bei Buchempfehlungen sogar die entsprechenden Widmungsblätter. Schließlich soll die Feier wie aus einem Guss sein.
„Bloß nicht zu viele Grußworte!“ Auch dieser Hinweis findet sich in der Checkliste, ebenso wie der, dass diese – vermeintliche Prominenz hin oder her – kurz sein müssen und man auch vorher abstimmen sollte, was die Gäste sagen wollen.
Die Freisprechrede, die in diesem Jahr Themen wie verlängerte Lebensarbeitszeit, Vorruhestand, empfundener oder tatsächlicher Leistungsdruck, Stress und Burnout aufgreift, ist mit „Lust statt Frust“ überschrieben und ermuntert zu Lust an Leistung und Freude am Leben anstelle von Missmut und Verdrossenheit.
Auch zur Verwendung des Redemanuskripts, das zudem die Visualisierung und Illustration von Kernsätzen mittels Folien oder Beamer vorsieht, gibt es Tipps. Zwei ganz wichtige: Erstens „Eine Rede ist keine Schreibe!“, und zweitens „Lesen Sie sich die Rede vorher mindestens einmal laut vor“. Der Redner soll schließlich vortragen, nicht vorlesen oder gar nur ablesen.
Um zu erreichen, dass über die Feier in der Presse positiv berichtet wird, gibt es nicht nur Hinweise zum erfolgreichen Umgang mit Journalisten, sondern auch vorformulierte Einladungen, Tipps für die Ausstattung der Pressemappen und auch eine To-do-Liste zur Information und Betreuung der Pressevertreter nach der Veranstaltung.
Zum Freisprechpaket, das samt geringfügig modifizierter Rede auch dort eingesetzt werden kann, wo nicht die Innung, sondern vielleicht eine Kreishandwerkerschaft die Feier gewerkübergreifend durchführt, gehört selbstverständlich auch eine peppig gestaltete Karrieremappe, die sich freilich speziell an Maler und Lackierer richtet und jedem Prüfling ausgehändigt wird. Sie enthält – natürlich zuoberst – ein Glückwunschschreiben und den Extrakt der Rede, jetzt modifiziert als „Schreibe“. Zur Headline mit der Aufforderung: „Lesen Sie es. Wichtiger: Leben Sie es!“ haben sich die Hessen diesmal noch was Besonderes einfallen lassen und den Redeausdruck an entscheidenden Stellen um Einschübe ergänzt, bei denen der Prüfling aktiv werden soll. So kann er an einer Stelle z.B. eintragen, welche Qualifikation er anstrebt und welche Schritte dazu bis wann nötig sind, an einer anderen, dass er für das, was ihm Staat und Gesellschaft schon geboten haben, vielleicht was zurückgibt, indem er sich auch ehrenamtlich engagiert, bei wem und ab wann. Zuletzt schließlich auch der Vorschlag aufzuschreiben, wann er überprüft, ob seine formulierten Ziele unverändert sind und er noch auf dem richtigen Weg dorthin ist. Ein Experiment, gewiss, aber ein paar ausgedeutete Probanden werden sicher berichten, ob’s ihnen was gebracht hat und fester Bestandteil der Karrieremappe werden soll.
Die unterschiedlichen Karrieremöglichkeiten in unserem Handwerk sind ebenfalls Thema der Mappe. Beginnend mit der Qualifizierung zum Gesellen für Restaurierungsarbeiten, über die Berufsakademien, die Meistervorbereitung, die Ausbildung zum Betriebswirt des Handwerks bis hin zum Hochschulzugang für Handwerker sind alle Weiterqualifizierungs- und Karrieremöglichkeiten beschrieben und alle Anbieteradressen aufgelistet. Abgerundet wird die Karrieremappe mit Informationen über Stipendien und Förderungen, wie Meister Bafög, Bildungsprämien und Qualifikationsberatung.
Wer das Freisprechpaket des LIV Hessen nutzt, hat auch bei der Vorbereitung und Durchführung der Freisprechfeiern mehr Lust als Frust.

PRAXISPLUS
Relevantes für die Branche entdecken, Anstöße geben, manche Dinge auf die Schippe nehmen – genau das macht Werner Schledt in seiner Kolumne „Unverdünnt aufgetragen“. Der Autor war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbandsgeschäftsführer im hessischen Maler- und Lackiererhandwerk. Jetzt ist er Geschäftsführer der Schledt & Schledt GmbH und schreibt aus praktischer und betrieblicher Sicht exklusiv für die Malerblatt-Leser.
Werner Schledt
TREIBS Bau GmbH
Heinrichstraße 9–11
60327 Frankfurt/Main
Tel.: (069) 750010-310
Fax: (069) 750010-340
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 5
Ausgabe
5.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de