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Heiter, weil farbig

Unverdünnt aufgetragen Mattes und Glänzendes aus dem Malerhandwerk
Heiter, weil farbig

Werner Schledt

Gelegentlich soll ich bei Betriebsübergaben in der Familie schlichten. Ich erzähle dann oft, wie Afrikaner Affen fangen: Sie teilen eine Kokosnuss in zwei Hälften, legen eine Apfelsine hinein und kleben sie wieder zusammen. Dann bohren sie ein Loch in die Schale, gerade so groß, dass ein Affe hineinlangen kann. Der Affe riecht die Apfelsine, langt in die Kokosnuss, kann seine Hand aber nur dann wieder rausziehen, wenn er die Apfelsine loslässt. Da er das nicht will, fängt er sich praktisch selbst. Loslassen ist oft die Lösung. Sie merken: Ich halte bei Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit Betriebsübergaben meist zu den Jungen.
Reiseeindruck aus dem Süden: Buntes Bozen? Mitnichten: Heiter, weil farbig. Über die auf warme Töne reduzierte Palette hinaus (freilich in vielen Abstufungen) ist es auch die Freude am Dekorieren, die südliche Städte so angenehm anmuten lässt. Selbst an neuen Fassaden überbieten sich die Maler mit ihren Einfällen für schmückendes Beiwerk – und auch aus dem Pinsel schreiben können sie noch. Gewiss, die eine oder andere, über das Begleiten der Architektur hinausgehende Arbeit hält kritischer Betrachtung nicht stand. Trotzdem drängt sich die Frage auf, ob hier bei uns nicht doch etwas verloren gegangen ist. Überbieten mit Gestaltungsideen tun sich hier eher wenige. Unterbieten bei den Preisen dagegen mehr.
Michael Suda, Professor für Umweltpolitik, würzt seine Vorlesungen immer wieder mit humoristischen Einlagen. So zum Beispiel arbeitet er mit Kuscheltieren und lässt schon mal mitten in der Vorlesung einen fiktiven Bekannten auf seinem Handy anrufen und fragen, was heute in der Vorlesung drankommt. So kann er unterhaltsam seine Themengliederung präsentieren. Suda beklagt, dass in der zwanghaften Ernsthaftigkeit foliengetakteter Power-Point-Präsentationen die Spontaneität unterdrückt werde, wohingegen Lachen Emotionen frei setze und die Kreativität steigere, wodurch sich der Stoff besser verankere. So einer wie Professor Suda täte auch manchen Berufs- und Meisterschulen gut.
Viel Farbe gibt’s auf der documenta (13) nicht zu sehen. Aber beim Besuch erinnerte ich mich wieder an die Geschichte, die mir ein Kasseler Kollege erzählt hat: Er war dem damals noch weithin unbekannten Verpackungskünstler Christo als helfender Handwerker zugeteilt und musste Nacht für Nacht dessen spektakuläres Objekt „5600 Cubicmeter package“ vom Publikum nur „Phallus“ genannt, flicken, in den übermütige Jugendliche immer wieder „einen Platten gestochen“ hatten. Der Malermeister lud Christo auch zum Essen ein und fragte dabei, ob dieser ihm als „Dankeschön“ für seine Einsätze nicht eine kleine Arbeit überlassen könne. Christo schaute sich um und verpackte schlitzohrig die nagelneue und damals sehr teure Rechenmaschine. Der Kollege hat das verfremdete und signierte Objekt bis heute nicht ausgepackt. Es ist ihm lieb – und inzwischen auch teuer– geworden.
Noch dazu: Star der diesjährigen documenta ist zweifellos Thomas Bayrle, der fast die ganze documenta-Halle bespielt, wie man das heute nennt. Der exzellente Maler und Zeichner hat wohl das Talent seines Vaters geerbt. Der war ebenfalls Maler und hat in jungen Jahren als wissenschaftlicher Grafiker Expeditionen in Abessinien begleitet. Später war er einer meiner geschätzten Berufsschullehrer. Also wenigstens ein Maler-Enkel auf der documenta.
Schön ist auch die Geschichte unserer Malergesellen, die im Museum für moderne Kunst ein Objekt mit Trockenbauelementen einhausten. „Ihr könnt das Material in Raum III lagern, der ist völlig leer und der Boden schon mit Milchtütenpapier abgedeckt“, meinte Meister G. Ich wurde hellhörig. War der mit Milchtütenpapier ausgelegte Raum nicht ein Kunstobjekt? War er. Und auch der andere, in dem einen ganzen Monat lang die Wände mit Dispersionsfarbe abwechselnd schwarz und dann wieder weiß angelegt wurden. Sage noch einer, die Maler seien keine Künstler.
Die Köchin im Stamm-Bistro ist wirklich gut und auf asiatische Fertiggerichte via Mikrowelle nicht angewiesen. Deshalb offeriert sie seit Kurzem täglich ein Mittagessen wie bei Muttern. Beim Nachtisch ging der Berater mit mir durch und ich habe ihr empfohlen, sie solle doch ihre Gäste, meist Grüppchen Berufstätiger, die Speisekarte machen lassen und einfach fragen, was sie gerne mal essen möchten und das dann anbieten. Das nenne man Erfüllung des dominanten Kundenwunsches. Hat sie prompt gemacht. Im Betrieb bin ich als Berater nicht immer so erfolgreich.
Der eigene Name ist jedem wichtig. Jemanden nach seinem Namen fragen, sich den merken und Kunden mit ihrem Namen ansprechen sollte eigentlich Standard sein. Die Kette, bei der ich mir die Haare schneiden lasse, hat ihre Mädchen darauf getrimmt: Sie fragen jedes Mal, wie ich heiße und schreiben das sogar auf ein Karteikärtchen. Bloß: Mit meinem Namen angesprochen hat mich noch nie eine. Angeordnet ist halt noch nicht getan. Wie bei uns.
Norbert Dieter leitet nicht nur einen der erfolgreichsten Ausbildungsbetriebe des Malerhandwerks, sondern betreibt – vielleicht weil er auch bekannter Karnevalist ist – eine witzige Art der Kundenpflege: In kurzen Abständen schickt er ihnen ebenso aktuelle wie lustige Mails oder Clips. So, unmittelbar nach der Teppichaffäre des Herrn Niebel, ein Foto von Claudia Roth, bekleidet mit ihrer Jacke im Teppichmuster, und der Sprechblase „Herr Niebel, so schmuggelt man einen Teppich!“ Witze sind vielleicht wirksamer als Werbebriefe. Frage mich nur, wo er die alle hernimmt.
Ist mir wieder mal untergekommen: „Ein gut organisierter Betrieb funktioniert sogar dann, wenn der Chef da ist.“

PRAXISPLUS

Relevantes für die Branche entdecken, Anstöße geben, manche Dinge auf die Schippe nehmen – genau das macht Werner Schledt in seiner Kolumne „Unverdünnt aufgetragen“. Der Autor war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbandsgeschäftsführer im hessischen Maler- und Lackiererhandwerk. Jetzt ist er Geschäftsführer der Schledt & Schledt GmbH und schreibt aus praktischer und betrieblicher Sicht exklusiv für die Malerblatt-Leser.
Werner Schledt
TREIBS Bau GmbH
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