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Menschen faszinieren

Betrieb & Markt
Menschen faszinieren

Es gibt nicht wenige Malermeister, die ein breites Leistungsspektrum bieten können – das von Andreas Benzing ist allerdings einzigartig.

Ulrich Schweizer

Seit 1985 besitzt er den Meisterbrief, den er sich in Lahr erarbeitete. Aber davor schon verließ Andreas Benzing aus dem südbadischen Müllheim als Malergeselle die ausgetretenen Pfade – und legte danach noch ein paar Schippen drauf. „Seit Februar habe ich einen Malerlehrling, welchen ich „Erklärling“ nenne.“ Andreas Benzing kann mit so einem Satz mehr sagen als andere mit einer 10-minütigen Rede: Dieser Mensch ist ihm wichtig, dieser junge Mann soll immer noch besser werden und für sich persönlich wie auch für seinen Ausbildungsbetrieb wachsen und reifen. Dass der Azubi, der so bewusst nicht genannt wird, später einmal nach Luxemburg, nach Italien und nach Japan gehen soll, um sich sein berufliches Wissen ein Stück weit auch in fremden Ländern abzuholen, das wundert keinen, der den Lehrherrn auch nur ein bisschen kennt. Und wenn es um den Menschen geht, dann macht der weit Gereiste keine Unterschiede. Das spürt man innerhalb von Sekunden, wenn er von seinem Mitarbeiter spricht, der die Maluntergründe herstellt: „Der Viorel But ist für mich Gold wert – er ist ein Genie, wenn es um den Untergrund geht. Es ist unglaublich schön, auf diesen perfekten Flächen weiterarbeiten zu dürfen.“
Was Andreas Benzing selber alles schon unternommen und erfolgreich durchgezogen hat, das findet auch auf einem zehnseitigen Artikel keinen Platz. So ist es wenig befriedigend, es auf engem Raum trotzdem zu versuchen. Einer Perlenkette gleich soll eine Reihe von Stichworten den Anstoß geben, der eigenen Fantasie freien Lauf zu lassen: 1984 wurde er als Geselle nach New York eingeladen, wo er mit der Handwerkskammer Hamburg war und wo er beispielsweise mit Jochen Stotmeister eine Baustelle besichtigen konnte. Ein Jahr arbeitete Andreas Benzing bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mexiko-City, wo er Malerarbeiten ausführte und Tagungstische lackierte. Er arbeitete bei Indianern, gestaltete einen Stand auf einer Landwirtschaftsmesse, fuhr von Mexiko mit dem Frachtschiff nach Bremen und entfernte auf der sechswöchigen Reise Rost am Schiff und lackierte manchen Quadratmeter der schwimmenden Baustelle. 1984 und 1985 landete Andreas Benzing im elterlichen Betrieb in Schwenningen.
Ferne Stationen
Vom Schwarzwald ging es dann aber bald wieder auf zu neuen Ufern: nach Braunschweig, um dort als Siebdrucker zu arbeiten. Bei den Verkehrsbetrieben Braunschweig gestaltete er zehn Monate lang Omnibusse. Nach der Meisterprüfung kam der Wahl-Südbadener über ein Stipendium der Karl-Duisberg-Gesellschaft für zwei Jahre nach Sao Paulo in Brasilien und engagierte sich dort für Glasurit im Labor bei der Bindemittelforschung. Dass er „nebenher“ auch als Übersetzer tätig war, versteht sich fast schon von alleine. Die Ergebnisse eines Forschungsauftrags „Verhalten von Acrylharzen unter subtropischen Einflüssen“ trug er in der Abschlusspräsentation auf Portugiesisch vor. Den ihm angebotenen Fünf-Jahres-Vertrag schlug er aus, blieb dafür aber auf seiner Südamerikatour noch für einige Zeit in Chile hängen. Es folgte der große Sprung nach Australien, wo Andreas Benzing via Siebdruck T-Shirts für Harley Davidson gestaltete. In Sydney leitete er Baustellen, bei denen Betonsanierungen im großen Stil ausgeführt wurden. Um Vorarbeiter, also „leading hand“ werden zu können, musste er Mitglied der Gewerkschaft der Gerüstbauer werden. 1990 kehrte Andreas Benzing zurück nach Deutschland und zog nach Müllheim: „In Südbaden sind Klima und Mentalität so, wie es mir gefällt – da fühlte ich mich sofort wohl.“
Auch mit seinem eigenen Betrieb suchte der quirlige Malermeister nicht die geregelten, „normalen“ Aufträge. Es hätte für ihn wohl die Gefahr bestanden, an Langeweile zu sterben – und den grausamsten aller Tode wollte er keinesfalls riskieren. Mit einem Meisterkollegen, der ebenfalls selbstständig war und eine ähnliche One-man-Show betrieb, tat er sich zusammen und renovierte im Elsass Schlösser und die Synagoge in Sulzburg, mit Vergoldung des Thora-Schreins. „Gefühlt kilometerweise maserierten wir damals Balken. Trotzdem hat mich die Kirchenmalerei total gefesselt. Wir durften Farbtöne mischen und waren begeistert davon, wie gut die alten Meister arbeiteten.“
Weil Andreas Benzing sehr kommunikativ ist, sehr hilfsbereit sowie sozial eingestellt und weil er über dies hinaus über eine gesunde Neugierde verfügt, traf und trifft der Menschenfreund mehr interessante Leute als die meisten anderen Handwerker. Und so ist nach dem einen „schrägen Auftrag“ meist schon der nächste garantiert. Im Jahr 1994 hatte er Kontakt zu angehenden Floristikmeistern und gestaltete ab dato fast sechs Jahre die Hintergrundflächen für Shows, für Präsentationen, für Meisterprüfungen. Dieses Engagement zog dann die Gestaltung von Ausstellungsräumen bei Blumenhändlern nach sich. Als Dozent gab Andreas Benzing auch Kurse an der Blumenschule in Amberg, wo er den Teilnehmern zeigte, wie sie farblich für ihre Blumenarrangements die passenden Hintergründe erstellen können. Dass der unglaublich vielseitige Malermeister auch Floristen aus Japan kennenlernte – das war quasi nur eine Frage der Zeit. In Tokio und Osaka unterrichtete er japanische Floristen und bekam eine Übersetzerin zur Seite gestellt.
Offene Menschen
Richtig ruhig war das Fahrwasser nicht, durch das Andreas Benzing seinen Betrieb lotste. Auch nach den ganz turbulenten Phasen kehrte nicht etwa Ruhe ein. Sein Ehrgeiz bestand unter anderem darin, jedem Kunden das gesamte Malerspektrum aufzuzeigen und ihn dabei fachmännisch zu beraten: „Ich machte die Interessenten auf alte Techniken aufmerksam, führte Stucco antico vor, zeigte Marmorimitationen, Ornamente, dekorative Bordüren. Auch Kunden, von denen man das nicht erwartet hatte, bekamen große und glänzende Augen. „Über diesen Weg kamen so ungewöhnliche Aufträge zustande, wie sogar ich selber diese beim Betreten des Kundenhauses nie erwartet hätte. Die Menschen sind meist offener, als man denkt. Wer die Interessenten mit Herzblut für seine Arbeit begeistert, der hat sie gewonnen und kann ihnen das nicht Alltägliche ebenfalls schmackhaft machen.“
Wenn ein Malermeister Ideen hat, auf die sogar die selbsternannten Kreativen aus Agenturen oder Werbeabteilungen nicht kommen, dann spricht sich das via Flüsterpropaganda herum. Über einen so entstandenen Kontakt kam Andreas Benzing an einen Auftrag, in Cannes einen Messestand für den Hersteller edler Zigarren, Davidoff, zu gestalten – und das via Malertechniken und Illusionsmalerei.
Fast bodenständig hört es sich an, wenn Andy Benzing „back to the roots“ geht und auch in seiner Wahlheimatstadt Müllheim Orte verschönert. Die Cocktailbar “Circo Loco“ bot dem Malerbetrieb Benzing die Chance, sich bei der Gestaltung einzubringen. Entstanden ist ein „Gesamtkunstwerk“ von oben bis unten, was der Geschäftsführer Simon Geiger genau so erzählt. Von sandgestrahlten Bruchsteinwänden im Keller über Marmorierungen im Eingangsbereich bis zur gespritzten Decke war im Gebäude des Restaurants fast alles vertreten.
Fruchtbare Kooperation
Andreas Benzing weiß aber auch, wo seine Grenzen sind oder, positiver ausgedrückt, wo andere noch bessere Ergebnisse erzielen. Und so holt er sich von Fall zu Fall selbstständige Kollegen und auch mal Künstler zu Hilfe, um beispielsweise ein Deckengemälde oder eine Illusionsmalerei in einer Winzergenossenschaft bestmöglich übergeben zu können. Und wenn es sein muss, organisiert sich der Malermeister auch Könner aus völlig anderen Gewerken, so in der Heimatstadt mit einem Orgelbauer: Von der Stadt Müllheim kam die Bitte um eine Idee zum Jubiläum „1200 Jahre Müllheim“. Täglich sollte „irgendetwas“ an den hohen Geburtstag der Stadt erinnern. Gemeinsam entwarf man eine Art übergroße „Sanduhr“, in der dreimal täglich eine Kugel herunterfällt. Der Orgelbauer konstruierte den Mechanismus, Andy Benzing stellte den Rest her und ersann den Sinnspruch, der auf diesem „Gerät“ zu lesen ist: „Was hier zerrinnt, dort gewinnt.“ Dieser Auftrag war eine riesige Herausforderung – technisch wie auch gestalterisch. „Als wir die Idee dieser „Kugel-Uhr“ in die Praxis umsetzten, da wurde mir immer wieder vor Augen geführt, dass die Zukunft eben als Basis die Vergangenheit benötigt. Das Eine hat ohne das Andere keinen Bestand.“ Bei der „Kugel-Uhr“, so Andreas Benzing im Rückblick, „da hat sich die Summe meiner Fähigkeiten niedergeschlagen.“ Und so schließt sich der Kreis: „Mein „Erklärling“, der Daniel Fouillet, bekommt während seiner dreijährigen Lehrzeit mein gesamtes Wissen vermittelt – und auch er soll das dann einmal weitertragen.“ Seine Philosophie und seine ganzen Stationen zeigen eines: Andreas Benzing kann Menschen faszinieren – und die Menschen ihn.

kompakt
Unglaublich, welche Stationen Malermeister Andreas Benzing alle durchlief, in welchen Ecken der Welt er schon arbeitete, welches Wissen und welche Erfahrungen er dabei sammeln konnte. Der Müllheimer Unternehmer lässt seine fachlichen wie seine sozialen Fähigkeiten sowohl den Kunden als auch den Mitarbeitern zugute kommen.
Kunstraum Benzing
Andreas Benzing
Maler- und Lackierermeister
Zizinger Weg 1
79379 Müllheim-Vögelsheim
Tel.: (07631) 14508
Restaurant und Cocktailbar „Circo Loco“ mit Malerarbeiten von Andreas Benzing:
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