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Nicht wollen oder nicht können?

Farbe & Inspiration
Nicht wollen oder nicht können?

Farbigkeit in der Architektur wird oft auf einige plakative Farbtöne und viel Unbuntes reduziert. Können die Architekten nicht anders oder wollen sie einfach nicht?

Claudia Bau

Architekten und Farbkompetenz: Betrachte ich mir unsere gebaute Umwelt – alles Weiß, oder eine Wand rot, oder Rot kombiniert mit Grau, im Moment auch gerne alles Grün, aber doch am liebsten Sichtbetongrau in Sichtbetongrau – scheint es mit der Farbkompetenz nicht weit her zu sein.
Ohne sichtbare Notwendigkeit wird die Farbigkeit in der Architektur auf einige plakative Farbtöne und viel Unbuntes reduziert. Haben wir das verdient? Als Menschen sind wir seit Anbeginn auf die Farbigkeit der Natur angewiesen und sind daher in der Lage, auch mit dem ungeschulten Auge mehrere Hunderttausende Farbtöne zu unterscheiden. Die Farben der Natur sind vielfältig, subtil und immer harmonisch. Die Farben unserer gebauten Umwelt dagegen sind laut, eindimensional und meist chaotisch.
Diskrepanz
Wie entsteht diese Diskrepanz, zwischen dem was Farbe leisten kann und dem was umgesetzt wird? Betrachten wir uns die Ausbildung der Architekten, kommt Farbgestaltung nicht vor, gestern nicht und heute auch nicht, da sind alle Fakultäten konsequent. Aber die Farbe macht doch neben der Form einen Großteil unserer Wahrnehmung aus. Werden also Architekten nur in einem Teil unserer Wahrnehmung ausgebildet? Wenn ja, warum ist das so?
Aus den siebziger Jahren stammt eine interessante experimentelle Untersuchung von Prof. Dr. med. W. Blasius. Blasius fand heraus, dass Menschen entweder Formbeachter oder Farbbeachter sind und Mischtypen eher die Ausnahme. Das bedeutet, eine besonders gute Form- und Raumwahrnehmung geht einher mit größeren Einschränkungen in der Farbwahrnehmung und umgekehrt.
Wie kann man die unterschiedlichen Kompetenzen erkennen? Nach Blasius zeichnet sich der Formbeachter dadurch aus, dass er ein gut ausgeprägtes räumliches Sehvermögen besitzt, in Zeichnungen gerne linear arbeitet, und wenige Farben (meist Primärtöne) – so er sie überhaupt verwendet – nicht vermischt, sondern klar, meist mit Linien umrandet, voneinander absetzt. Der Farbbeachter dagegen besitzt meist ein eingeschränktes räumliches Sehvermögen, arbeitet gerne mit vielen Farbtönen, die er vermischt, laufen lässt und nicht eingrenzt.
Farb- und Formbetrachter
Geht man davon aus, dass der klassische Architekt ein gutes bis sehr gutes räumliches Sehvermögen besitzen sollte, wäre seine Fähigkeit der Farbbeachtung – im Umkehrschluss – eher weniger gut ausgebildet.
Verzichten deshalb so viele Architekten auf eine differenzierte Farbgebung? Und ist es vielleicht gerade die Verweigerung gegenüber dem Thema Farbe, die viele hochgelobte Gebäude für die Nicht-Architekten so unverständlich und wenig anregend machen? Und verstehen das die Fachleute nicht, weil hier Formbeachter Gebäude bewerten, die von Formbeachtern gebaut wurden, die wiederum von Formbeachtern ausgebildet wurden?
So gesehen könnte zum Beispiel der allumfassende Einsatz von Weiß bei Richard Meier eine völlig neue Bedeutung erhalten. Er kann Farbe nicht und das setzt er kompromisslos um. Aber ist Kompromisslosigkeit ein Zeichen für Qualität beim Dienst am Menschen? Ist kompromisslose Architektur human und erstrebenswert?
Subtile Farbgestaltung ist ein komplexes Thema und geht nicht nebenbei. Was liegt da näher als dass Formbeachter mit Farbbeachtern gemeinsam planen? Denn es gibt sie: Fachleute mit Farbkompetenz.
Und ich hoffe sehr, dass die Fähigkeit nur die „Hälfte“ wahrzunehmen in Zukunft nicht mehr als gestalterische Qualität verkauft wird.
Denn alles ist Form und Farbe.
In der Ausbildung der Architekten kommt die Farbgestaltung quasi nicht vor.

PRAXISPLUS

Dipl. Ing. Claudia Bau
Fachplanerin für Farbkultur
Tel.: (06134) 188948
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