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Weiß und Blau

Farbe & Inspiration
Weiß und Blau

Bald ist es soweit: Die „Farbe – Ausbau & Fassade“ macht München für fünf Tage zum Mekka des Maler- und Stuckateurhandwerks. Doch München ist mehr – ein kleiner Rundgang in der bayerischen Metropole.

Armin Scharf

Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei – das gilt selbstverständlich auch für die legendäre Weißwurst, die man in Bayern nur zu gerne jenen Fremden serviert, die des Auszuzelns nicht so recht firm sind. Die Weißwurst ist natürlich keineswegs strahlend weiß, genauso wenig wie ein bayerischer Leberkäse Leber enthält. Also ist wieder alles relativ. Das gilt auch für München, wo bayerische Tradition mit der internationalen Weltläufigkeit im stetigen Wettstreit liegt. Da ragt der „Dom zu unserer lieben Frau“, auch als Frauenkirche bekannt, mit seinen beiden kloßförmigen Turmhauben 99 Meter in den doch überraschend blauen Himmel empor. Blau der Himmel und weiß die Wurst, weißblau die bayerischen Landesfarben. Und die sind allgegenwärtig: Auf Bierdeckeln, Fahnen, Speisekarten, ja selbst Busse und Bahnen sind bayerisch gefärbt. Wobei das geschulte Auge interessiert eine Mutation des Blaus erkennt: Nicht mehr stumpf und kalt erscheint es auf den neueren Fahrzeugen des Nahverkehrs, sondern ins rötliche verschoben, mithin wärmer, ansprechender und moderner. Dafür wiederum empfangen die meisten U-Bahnstationen im Zentrum die Fahrgäste im Stil der späten 1960er- bis 1970er-Jahre. Gedecktes Grün, dunkles Blau, natürlich Beige und Orange dürfen da nicht fehlen. Und wer sich mit der U3 zum Olympiazentrum im Norden aufmacht, dem begegnen dort noch immer die nach wie vor frischen, leuchtenden Bunttöne der Olympiade von 1972. Leider hat das ehemalige Studentendorf mit seinen unzähligen schmalen Reihenhäuschen seine farbigste Phase hinter sich, entstanden wohl aus dem Bedürfnis der Bewohner nach einer lebensbejahenden Umgebung, wenn schon die Häuschen zutiefst marode waren. Waren; denn das, was nun dort steht, ist eine Kopie. Weil die Substanz massiv geschädigt war, riss man die denkmalgeschützten Bauten ab und baute sie schlicht neu auf. Momentan werden die eng gereihten Flachdachbauten nach und nach wieder bezogen, betonsichtig wie einst. Nur die Türen und Orientierungsschilder bringen Farbe in die Gässchen, wobei die Türfarben der Orientierung dienen und dem bereits erwähnten Corporate Design entnommen sind.
In Sichtweite zu dieser wiederhergestellten Vergangenheit trifft man auf ein mächtiges Zeugnis der Gegenwart: eine silbrig schimmernde, eigentümlich verschwurbelte Bauskulptur. Es ist die BMW-Welt, die hier unmittelbar neben der Zentrale des Autobauers gelandet ist und sich im Inneren als genauso verschwurbelter, gigantischer Showroom für die Fahrzeuge entpuppt. Während Autofans hier fasziniert über die auf Hochglanz polierten aktuellen Modelle streicheln, ist der nüchterne Zeitgenosse etwas enttäuscht. Denn letztlich wird in der futuristischen Hülle „nur“ eine über hundert Jahre alte Technik zelebriert. Übrigens starten von hier aus auch Führungen durch das benachbarte Werk – Voranmeldung erwünscht.
Silberschimmer hier, steinerne Schwere beim neuen Jüdischen Zentrum – unterschiedlicher könnten zwei nahezu zeitgleich entstandene Projekte kaum sein. Doch nicht minder faszinierend sind die grob behauenen Travertinblöcke, die sich zu einer mächtigen Mauer türmen und die Synagoge wie eine Schatztruhe umschließen.
Und die Farbe? Ja, man begebe sich zu den Pinakotheken, wo das flatterbunte Museum Brandhorst mit zeitgenössischer Kunst lockt. Schmale und unterschiedlich beschichtete Keramikstäbe bilden die äußere Fassadenschicht, die mit der darunterliegenden eigentlichen Wetterhülle ein nicht nur polychromes, sondern auch flirrend-wechselndes Farbspiel in die Umgebung schickt. Man muss das Museum schon bewusst umrunden, um zu erkennen, wie differenziert die einzelnen Fassadenteile gestaltet sind. Drumrumlaufen lohnt sich auch an einem anderen Objekt, dem Mira-Einkaufszentrum im Norden Münchens (U Dülfertstraße). Die eigentlich banale Konsumkiste mit noch banalerem Innenleben erhielt eine Blechfassade aus vertikal gefalteten, farbig beschichteten Elementen. Das wäre nicht besonders erregend, doch tragen die beiden Seiten unterschiedliche Farben. Das heißt, die Fassade sieht von links betrachtet anders aus als von rechts – und im Vorbeilaufen wechselt die leuchtende Farbigkeit. Man kann das vordergründig effektheischend nennen, aber die Idee verleiht der Kiste ein wenig ästhetischen Glanz.
Weit zurückhaltender sind da natürlich die Klassiker, die Leo von Klenze im 19. Jahrhundert rund um den Odeonsplatz plante. Sie sind steinsichtig oder in warmen, zurückhaltenden Gelbnuancen beschichtet – beispielsweise das Leuchtenberg-Palais. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat dazu eine kleine Broschüre herausgegeben, die alle Klenze-Objekte zeigt – zu haben in der Touristeninfo im Rathaus.

praxisplus
München ist mehr als Bier, Weißwurst und Schwabing. Nicht nur zeitgenössische Kunst lockt den Besucher in die Metropole, sondern auch die Architektur – modern oder klassisch. Und natürlich spielt dabei die Farbe eine große Rolle. Sei es an Gebäuden oder als Branchenhighlight auf dem Münchener Messegelände vom 24. bis 27. März.
BMW-Welt Werksführungen nach Voranmeldung (Tel: 0180 2118822), die Führungen sind kostenpflichtig. www.bmw-welt.com
Museum Brandhorst www.museum-brandhorst.de
Jüdisches Museum www.juedisches-museum.de
Deutsches Museum www.deutsches-museum.de
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