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Exotische Pracht

Bautenschutz & Denkmalpflege
Exotische Pracht

Orientalisch-maurischer Baustil vereint mit phantasievollen Elementen wie aus 1001 Nacht – die aufwendig restaurierte „Rote Moschee“ im Garten des Schwetzinger Schlosses beeindruckt mit ihrer exotischen Pracht.

Malerische Paläste, Märchenerzähler, Basare mit feinen Gewürzen und kostbaren Teppichen – Bilder wie diese prägten westliche Vorstellungen und schufen den Mythos Orient. Seinen Höhepunkt fand das Interesse der Europäer am Orientalischen im späten 18. Jahrhundert. Besonders an deutschen Fürstenhöfen zelebrierte man mit schwärmerischer Begeisterung die Türkenmode, feierte türkische Feste und verkleidete sich mit Turban, Schleier und Pluderhosen. Auch der kunstsinnige pfälzische Kurfürst Carl Theodor war ein Anhänger der so genannten Turkomanie und ließ in seinem Schwetzinger Schlossgarten eine Moschee errichten.

Das von Hofarchitekt Nicolas de Pigage geplante und 1785 fertig gestellte Bauwerk steht im jüngsten Teil der Schwetzinger Gartenanlage, dem so genannten Türkischen Garten. Die prachtvolle Moschee besteht aus einem Zentralbau mit Kuppel, der von zwei schlanken, 37 Meter hohen Minaretten flankiert wird. Auf der Rückseite liegt ein ringsum von offenen Wandelgängen umschlossener Hof. Pigage hielt sich nicht streng an die Formensprache orientalischer Bauten, sondern bezog auch europäische Architekturelemente wie spitzbogige Fenster, Rundbogenarkaden und einen Säulenportikus in die Gestaltung mit ein.
Die Moschee hatte auch nie die Funktion eines islamischen Gotteshauses, sondern diente, wie die anderen Gartenstaffagen, als Kulisse und Stimmungsträger für höfische Lustbarkeiten. Dem vom Geist der Aufklärung geprägten Gesamtkonzept des Parks folgend, steht sie als Symbol für orientalische Weisheit und Toleranz.
Das Interieur ist reich an orientalischen Motiven: Die Böden sind mit Marmor-Mosaiken gestaltet, Wände und Decken zieren Stuckarbeiten, Malereien und Vergoldungen. Die Inschriften im Innenraum und an der Außenfassade haben keinen rein islamischen Charakter, sondern sind aus dem arabischen Raum entliehene, humanistisch-monotheistische Weisheiten. Die Inschriften an der Westfassade sind die einzigen, die einen deutlichen Bezug zum Koran haben und nicht übersetzt wurden. Außerdem finden sich Symbole und Zeichen der Freimaurer, wie zum Beispiel der fünfzackige, mit Strahlenbündeln umgebene Stern.
Aufwendige Sanierung
Über die letzten 200 Jahre hatte an der Moschee der Zahn der Zeit heftig genagt, so dass eine Renovierung unumgänglich war.
Die Instandsetzungsarbeiten standen unter strengen denkmalpflegerischen Auflagen, ebenso die notwendigen Ergänzungen und Nachbildungen stark verwitterter Bauteile.
Die Renovierung der Kuppel mit ihren elf Metern Durchmesser gestaltete sich als besonders schwierig. „Wie restauriere ich ein Dach, ohne dass ein Tropfen Regen den Innenraum beschädigt?“ – mit Problemen wie diesem werden Architekten und Handwerker häufiger konfrontiert. Eher selten jedoch muss man beim Abdecken des Daches feststellen, dass die darunter liegende Bausubstanz keinerlei Tragfähigkeit mehr aufweist. Daher stellte schon die Gerüststellung eine planerische und handwerkliche Herausforderung dar, denn das Schadensbild forderte ein freitragendes Raumgerüst über die 35 Meter hoch ragende Rotunde.
Weiter mussten vorausgegangene, unfachmännisch ausgeführte Reparaturen entfernt werden, die Holzkonstruktion wurde instand gesetzt und gebogene Dachsparren in ihrer Konstruktion ergänzt. Zur Stabilisierung und Verstärkung des Ringgebälks wurde eine Stahlunterkonstruktion eingezogen. Schadhafte Gauben ließ man gemäß der Erhaltungsvorgaben restaurieren und wieder einbauen.
Auch die Wandelgänge zeigten sich in einem maroden Zustand, ihnen fehlte ein statisches System. Die innere Holzkonstruktion ruhte lediglich auf zum Teil ausgewitterten Sandsteinen, so dass Wind und Wetter allmählich die Konstruktion verschoben hatten. Die hölzernen Stützen dienen nur der Dekoration und mussten im Zuge der Restaurierungsarbeiten durch Stahlwinkel verstärkt werden.
Obwohl das Bauwerk wie aus einem Guss wirkt, ist nur der Sockel aus Naturstein, das Mauerwerk darüber besteht aus Tuff und viele der Schmuckbilder und Verzierungen sind mit Mörtel gefertigt. Die durch Verwitterung und Versalzung teilweise tief greifend zerstörten Sandsteinelemente wurden saniert oder in erstklassiger handwerklicher Qualität nachgebaut.
Gipshaltige Reparaturmaterialien aus früherer Zeit, die für die massiven Versalzungen verantwortlich waren, wurden entfernt und gegen neu geformte Gesimsteile und Rosetten ausgetauscht.
Farbfassung
Abschließend wurde das gesamte Bauwerk mit einem neuen Anstrich versehen. Die Denkmalpflege empfahl eine Ausführung der Originalfarbigkeit mit hochwertigen Silikatfarben aus dem Hause Keimfarben. An wettergeschützten Stellen der Fassade waren unter jüngeren Putzschichten originale Farbschichten erhalten. Dank dieser Befunde ließ sich die historische Farbgebung, ein zartes Rosé, bestimmen. „Die Farbwirkung ist ganz wunderbar“, lobt Barbara Kollia-Crowell vom beauftragten Büro Crowell Architekten. “Während der Kirschblüte war genau der Effekt von Leichtigkeit und Eleganz da, den wir uns gewünscht hatten.“
Die Minarette und die Flächen direkt unter der Kuppel wurden mit Keim Purkristalat beschichtet, einer reinen Silikatfarbe für besonders langlebige und farbbrillante Fassadenanstriche. Die unteren Wandabschnitte erhielten einen Grundanstrich mit Keim Granital und anschließend zwei Lasurschichten mit Keo, Restauro-Lasur.
Granital ist hoch diffusionsfähig, extrem beständig und schützt mineralische Untergründe vor starker Witterungsbelastung, insbesondere durch die saure Atmosphäre. Restauro-Lasur schützt dank ihrer hydrophoben Ausstattung vor der Aufnahme von Wasser und Schadstoffen. Die Sandsteinteile wurden mit Silangrund vorbehandelt und anschließend mit Granital beschichtet.
„Höchste Handwerkskunst“, bescheinigt Barbara Kollia-Crowell allen an der Sanierung beteiligten Gewerken.
Auf die Karlsruher Architekten warten in den kommenden Jahren weitere Herausforderungen: Die Innenrestaurierung der Moschee, vor allem der mächtigen Kuppel, steht an. Auch hier müssen Putz und Malereien restauriert, erneuert und gegen Feuchtigkeit geschützt werden – natürlich mit Farben aus dem Hause Keim
Bauherr:
Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Mannheim
Architekten:
Crowell Architekten, Karlsruhe
Restaurator:
Firma Meschke, Obermarchtal
Ausführender Malerbetrieb:
Firma Glöckner, Hirschberg
Farbuntersuchungen:
Labor für naturwissenschaftliche Kunstgutuntersuchungen
Prof. Dr. habil. H.-P. Schramm, Dresden
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