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Baumrindenvlies: Das müssen Sie wissen

Baumrindenvlies
Natürliche Wandunikate

Baumrindenvlies: Aus der sich permanent erneuernden Rinde des ostafrikanischen Feigenbaums Mutuba entsteht durch ausschließlich handwerkliches Bearbeiten ein Baumrindenvlies, das als Wandbelag verwendet werden kann. Je nach Lichtsituation und Blickwinkel gewinnt das weiche, aber robuste Material die Anmutung von Leder oder die Leichtigkeit und Transluzenz eines zarten Organza-Stoffs.

Autorin: Susanne Sachsenmaier-Wahl | Fotos: Barktex

Es ist ein Material für Puristen und Menschen, die das Besondere suchen. Darüber hinaus ist es ein Garant für ein gesundes Wohnklima: das Baumrindenvlies, das teilweise auch als Rindentuch, Rindenvlies oder Rindenstoff bezeichnet wird. Es gilt als ältestes Textil der Menschheitsgeschichte. Der englische Begriff lautet „Bark Cloth“ und dieser Name war auch der Namensgeber für das ugandisch-deutsche Familienunternehmen von Mary Barongo und Oliver Heintz, das seinen Sitz im südlich von Freiburg gelegenen Ebringen hat. 1999 stieg das Unternehmen gemeinsam mit ugandischen Biobauern in die systematische Rindentuchproduktion ein. Das ehemalige Entwicklungshilfeprojekt sichert heute Hunderten ugandischen Handwerkerinnen und Bauernfamilien ein stetiges Einkommen, das, laut Oliver Heintz, deutlich oberhalb der ortsüblichen Löhne liege (mehr über das Unternehmen und seine Produkte finden Sie auf der Unternehmenswebsite www.barktex.com).

Ökologisches Produkt

Um das Baumrindenvlies herzustellen, wird die permanent nachwachsende Rinde des ostafrikanischen Feigenbaums Mutuba jährlich geerntet, ohne dabei den Baum zu fällen oder ihm zu schaden. „Ähnlich wie bei Kork, jedoch um den Faktor Acht schneller“, sagt Oliver Heintz. Anschließend wird die Rinde in einem arbeitsintensiven Verfahren tagelang mit einem Holzhammer geklopft, bis daraus allmählich ein Vlies entsteht (ein Video zur Rindenvliesherstellung finden Sie hier: https://rb.gy/r4t0w5). Ein äußerst ökologisches Herstellungsverfahren, wie Oliver Heintz ausführt: „Je Quadratmeter Bark Cloth wird produktionsseitig weniger als ein Liter Wasser benötigt. Da es ausschließlich mit Muskelkraft gefertigt wird und der Grundumsatz eines hart arbeitenden gegenüber dem eines in der Hängematte liegenden Menschen nur unwesentlich höher ist, ist seine Produktion quasi CO2-neutral. Wird die natürliche CO2-Bindung des Mutuba-Baums in die Ökobilanz einbezogen, wird die Rindentuchproduktion sogar CO2-positiv.“ Ein kleiner Wermutstropfen bleibt jedoch: „Der unvermeidliche Transport nach Europa schwächt den positiven Effekt leider etwas ab“, bedauert Heintz.

Das entstandene Produkt ist ebenfalls unbedenklich für Umwelt und Gesundheit. „Im Gegensatz zu den meisten anderen im Markt verfügbaren naturbasierten Lösungen enthält dieses sogenannte ‚Monomaterial‘ keinerlei Binder, Farben oder sonstige Additive. Chemisch betrachtet besteht es aus dem, was alle Baumrinden in veränderlichen Bestandteilen enthalten: Zellulose, Hemizellulose, Lignin und Spuren von Gerbsäure und Mineralien“, erfahren wir von Oliver Heintz.

Diverse Veredelungsverfahren

Trotz aller positiven Eigenschaften des Monomaterials hat es sich die Barongo-Heintz-Familie zur Aufgabe gemacht, dem traditionellen Rindentuch mehr Funktionalität bzw. Design zu verleihen, um modernen Ansprüchen zu genügen: Aus Bark Cloth wird BarkTex. „Durch diverse Ausrüstungsverfahren der Textil-, Holz-, Leder- und Kunststofftechnologie durchläuft das Rindentuch eine Metamorphose, die es noch schöner macht (BarkTex Aesthetics) und/oder ihm zusätzliche Funktionen verleihen (BarkTex Functionals)“, erklärt Heintz. Der Unternehmer führt einige beispielhafte Prozesse und Verfahren an: Färben (mit selbstgefertigten Naturfarben und Textilfarben), Bleichen, Metallisieren der Oberflächen mit Metallbronzen und Blattmetallen (z. B. Vergoldung), Wachsen und Ölen als ökologischer Schutz vor Abrieb und Anschmutzung, chemische Fleckschutzausrüstung bei besonders hohen Anforderungen an die Schmutzabweisung, Lackierung oder Overlay bei besonders hohen Anforderungen an den Abrieb oder Flammschutzausrüstung gemäß DIN 4102 B1 / DIN EN 13823 (schwer entflammbar). Speziell für den Einsatz als Wandbelag könnten auch Kaschierungen vorgenommen werden. „Zur einfacheren Anbringung an der Wand werden die Rindenstoffe gegen Mehrpreis auch mit einem Baumwollrücken kaschiert geliefert“, lässt uns Heintz wissen und ergänzt: „Dies ist jedoch zumeist nur bei Erstbestellern ohne jegliche Verarbeitungserfahrung der Fall. Erfahrene Verarbeiter verzichten in der Regel darauf.“

Einige dieser Prozesse werden im Studio in Deutschland umgesetzt. „Die meisten Verfahren bis hin zur Vergoldung erfolgen jedoch in unserer Manufaktur in Uganda – mit ausschließlich selbst gefertigten oder in Deutschland hergestellten Additiven. So wird vor Ort in Uganda ein möglichst hoher Mehrwert erzeugt und in einer strukturell schwachen Region Einkommen geschaffen“, erfahren wir von Oliver Heintz. Doch nicht nur für die ugandischen Arbeiter bringe dies Vorteile, sondern auch für den Kunden: „So können wir die extrem arbeitsintensiven Halbzeuge zu einem für alle Beteiligten fairen Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten. “

Handgefertigte Einzelstücke

Die Töne des ungefärbten Rindentuchs reichen von hellem Beige, Orange und Ocker über kräftiges Terrakotta und Rehbraun bis hin zu einem tiefen Rotbraun, erzählt uns der Firmenchef. „Ähnlich wie viele Holzprodukte dunkelt Baumrindenvlies bei starker Sonneneinstrahlung allmählich nach. Der bei vielen Textilien bekannte Effekt des Ausbleichens kommt hier dagegen nicht vor. Je länger ein fertiges Rindentuch nach seiner Herstellung der Sonne ausgesetzt wird, desto dunkler wird es. Wir lassen einen Teil der Produktion künstlich altern und nachdunkeln, indem wir die Rindenstoffe monatelang direktem Sonnenlicht aussetzen“, verrät uns Heintz.

Jedes Exemplar ist ein handgefertigtes Einzelstück. Die Rindenvliese zweier oder mehrere Bäume sind in Textur und Farbton stets etwas unterschiedlich. Damit sie als Wandbelag miteinander harmonieren, werden sie nach Bestelleingang, ähnlich wie bei Furnieren oder Lederhäuten, sorgfältig selektiert, um später in der Anwendung als Wandbelag eine stimmige Einheit zu ergeben. „Designer und Architekten schätzen den ausdrucksstarken Charakter, die einzigartige Textur und die sinnliche Haptik der Baumrindenvliese“, weiß Heintz und er fügt hinzu: „Je nach Lichtsituation und Blickwinkel gewinnt das weiche, aber robuste Material die Anmutung von Leder oder die Leichtigkeit und Transluzenz eines zarten Organza-Stoffs.“ Um größtmögliche Individualität bei der Raumgestaltung zu ermöglichen, hat der Kunde die Möglichkeit, eigene Designwünsche zu äußern. „Etwa ein Viertel unserer Produktion erfolgt nach Vorgaben unserer Kunden an das Format, die Töne/Farben oder das Dessin“, erzählt Heintz und weist auf ein weiteres Angebot seines Unternehmens hin: „Besonders hervorheben möchten wir die möglichen Extremformate nach Maß. Unseres Wissens gibt es keinen anderen Hersteller, der Formate liefern kann, mit denen ganze Wände und sogar mehrere Wände aus nur einem Stück bekleidet werden können – und dies auch noch ohne Rapport.“

Einsatzgebiete des Rindenvlieses

Die Anbringung funktioniert prinzipiell auf jedem saugfähigen Untergrund entweder direkt auf die Wand (z.B. auf Beton, Gipskartonwände) oder auf Trägerelemente wie diverse Holzwerkstoffplatten oder Akustikelemente/Akustikschäume. Darüber hinaus eignen sich die Rindenstoffe auch für gepolsterte Wände. „Im privaten Bereich finden die Wandbeläge überwiegend Einsatz in Wohn-, Schlaf- und Esszimmern, gelegentlich auch an Decken. Im Objektbereich werden sie gerne in der Gastronomie und Hotellerie (Zimmer und Lobby) sowie im Ladenbau in Schau- und Verkaufsräumen verwendet“, zählt Oliver Heintz die Einsatzgebiete des Baumrindentuchs auf. Dabei sei das Material äußerst flexibel einsetzbar: „Da Rindenvlies stark verfombar ist, können mit ein wenig Erfahrung auch Wände mit starken konvexen wie konkaven Rundungen, selbst völlig amorphe und runde Wände, auch mit Sicken, Kanten und Ecken damit bekleidet werden.“

Wir fragen Oliver Heintz, ob die Verwendung des Wandbelags auch in Feuchträumen wie Küchen und Bädern möglich ist. „Verschiedentlich gab es Projekte im Bereich Küche, z. B. bei verschiebbaren Wänden, die auf Knopfdruck zur Seite fahren und dann erst den Küchenblock freilegen. Ferner werden die Rindenvliese zwischen Glas- oder Acrylscheiben eingelegt, in Acryl oder Kunstharz eingegossen oder zu HPL Schichtlaminat weiterverarbeitet. In Malerbetrieben können sie auch lackiert oder mit einem Fleckschutzauftrag behandelt werden. Mit diesen Verfahren werden die Materialien bei weitgehender Beibehaltung ihrer optischen Natürlichkeit deutlich robuster gegen Abrieb, Feuchtigkeit und Anschmutzung“, erklärt uns der Unternehmer.

Verarbeitung des Wandbelags

Für den/die MalerIn ist natürlich besonders interessant, wie das Rindenvlies an die Wand kommt. „Je nach Beschaffenheit des Untergrunds empfehlen wir zur Anbringung direkt an der Wand die Verwendung von Dispersionsklebstoffen oder Glasfasergewebe- und Vliesklebstoffen auf Methylcellulose-Basis. Hier haben wir diverse Produkte unterschiedlicher Hersteller getestet und sprechen Produktempfehlungen aus“, sagt Oliver Heintz und er hat noch einen Gestaltungstipp parat: „Bei besonders porösen Rindenstoffen, die ein Hindurchsehen auf die Wand erlauben und damit einen besonderen Tiefeneffekt erzeugen, empfehlen wir zuvor eine Grundierung der Wand entweder Ton-in-Ton zu den Rindenstoffen oder mit einer völlig andersfarbigen Effektfarbe, die dann punktuell hindurchscheint. Den Klebstoffen kann bei Bedarf eine Beize im gewünschten Farbton hinzugefügt werden.“ In einem Café in Augsburg etwa wurde ein poröses Rindentuch auf einer in Gold gestrichenen Wand verklebt. Zusätzliche partielle Vergoldungen des Tuchs mit Schlagmetall unterstreichen den extravaganten Charakter.

In den meisten Fällen ist nach der Verklebung die Arbeit beendet. „Im privaten Bereich empfehlen wir für die meisten Projekte keine zusätzlichen Ausrüstungen zum Oberflächenschutz. Wir raten dazu, das Material so natürlich wie möglich zu belassen. Es hat sich herausgestellt, dass Baumrindenvliese nicht so stark und schnell anschmutzen, wie z. B. Baumwollstoffe. Wir vermuten dahinter den allgemein hohen Hygienefaktor von Holzprodukten“, erklärt der BarkTex-Firmenchef. „Optional kann ein wohlriechender Schutz gegen Abrieb und Feuchtigkeit, basierend auf Lanolin, Bienen- und Carnaubawachs appliziert werden. Auch Brandschutzausrüstungen empfehlen wir ausdrücklich nur bei besonders hohen Anforderungen im Objektbereich.“

Portfolio-Erweiterung für den Maler

Von Oliver Heintz möchten wir wissen, welche Voraussetzungen ein Malerbetrieb mitbringen muss, damit er das Baumrindenvlies verarbeiten kann. „Prinzipiell können die Rindenvliese von jedem Malerbetrieb appliziert werden, der mehr kann, als Raufasertapeten zu verlegen. Für Standardanwendungen bieten wir schriftliche Darreichungen und Kurzvideos an. Erstbesteller erhalten stets zusätzlich kostenfreies Bonusmaterial für Anwendungsversuche. Für komplexere Anwendungen bieten wir spezielle Schulungen an. Bei größeren Projekten bieten wir auch Hilfeleistung direkt vor Ort an und unterstützen erforderlichenfalls in der Werkstatt des Verarbeiters und am Projektort bei der Anbringung.“ Etwas mehr Know-how ist gefragt, wenn es über Standard-anwendungen hinausgeht. Auch daran arbeitet Heintz bereits: „Wir sind dabei, ein Netzwerk von etwa 20 bis 25 Malerbetrieben in Deutschland aufzubauen, denen wir Gebietsschutz anbieten. Diese werden bei uns mit einer Reihe von Vor-Ort- und Online-Schulungsangeboten so geschult, dass sie damit auch schwierigere Anwendungen wie konkave Rundungen oder die Verarbeitung über komplexe Sicken und Falze und auf exotische Untergründe beherrschen und den Aufwand und Verschnitt sicher kalkulieren können.“

Interessierte Malerbetriebe können sich auf der Website des Unternehmens (www.barktex.com) informieren und gegebenenfalls Kontakt aufnehmen. Dasselbe gelte, so Heintz, für den Fachhandel. „Bisher haben wir überwiegend direkt vertrieben. Erst vor etwa einem Jahr haben wir begonnen, auch über den Fachhandel zu vertreiben und eine recht erfolgreiche Vertriebskooperation mit der Firma Leyendecker HolzLand aus Trier und Wirz Tapeten Aarau/Schweiz begonnen. Trotz der derzeit wirtschaftlich widrigen Umstände entwickeln sich die Kooperationen recht erfolgreich.“

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