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Die Macht der Gruppe

Betrieb & Markt
Die Macht der Gruppe

Die Gruppenzugehörigkeit beeinflusst das Verhalten von Mitarbeitern.

Thomas Scheld

Die Leistung im Unternehmen wird von den Mitarbeitern erbracht. Deshalb lohnt es sich, bei jedem Einzelnen genau hinzuschauen, um die Stärken und Schwächen zu erkennen und die Führung danach auszurichten. Mitarbeiterführung ist dann immer am Menschen und an der konkreten Situation orientiert (siehe Malerblatt 6/2008, S. 64/65, Beitrag: Softie oder Macho). Das alleine reicht aber noch nicht, denn in vielen Unternehmen sind mehrere Mitarbeiter beschäftigt. Einige haben unterschiedliche, andere gleich gelagerte Aufgaben. Einige verstehen sich besser untereinander, andere kommen überhaupt nicht miteinander klar. Die Mitarbeiter bilden Gruppen. Gruppen, das sind wichtige Einheiten im Unternehmen. Das ist mehr als die einfache Addition von Mitarbeitern. Gruppen sind eigenständige soziale Einheiten.
Gruppenbildung
Unter einer Gruppe versteht man Personen, die in einer bestimmten Zeitspanne häufig miteinander Umgang haben. Die Anzahl der Gruppenmitglieder ist dabei so gering, dass jede Person mit jeder anderen Kontakt ausüben kann. Man unterscheidet formelle und informelle Gruppen.
Formelle Gruppen werden ganz gezielt eingerichtet. Wenn Sie als Unternehmer beispielsweise mehrere Mitarbeiter auf eine Baustelle schicken, dann haben sie eine formelle Arbeitsgruppe gebildet. Bei der Zusammenstellung haben Sie das Ziel, die Baustelle erfolgreich abzuwickeln. Ganz anders verhält es sich bei informellen Gruppen. Hier finden sich mehrere Personen aufgrund von persönlichen Wünschen und Sympathiegefühlen zusammen. Vielleicht haben Sie in Ihrem Unternehmen schon einmal beobachtet, dass sich einige Mitarbeiter besonders gut verstehen. Vielleicht haben Sie drei Beschäftigte, die in ihrer Freizeit im gleichen Sportverein zusammen Fußball spielen. Und auch im Unternehmen verstehen sich diese drei sehr gut – beim Betriebsausflug sind sie immer zusammen und bei der Weihnachtsfeier auch. Sie sind ein eingeschworenes Team.
Normen und Sanktionen
Das ist für Ihr Unternehmen zunächst einmal kein Problem. Schließlich haben Sie als Unternehmer keinen Einfluss darauf, was Ihre Mitarbeiter in ihrer Freizeit tun und wer sich mit wem wie gut versteht. Und das ist auch gut so. Zu einem Problem für Ihr Unternehmen wird eine informelle Gruppe erst, wenn sie Normen und Standards entwickelt, die Ihren unternehmerischen Zielen zuwiderlaufen. Es könnte beispielsweise sein, dass Sie irgendwann einen der drei Mitarbeiter, nennen wir ihn Max, mit einem Auszubildenden auf eine Baustelle schicken und nach Bauende feststellen, dass Max die Arbeit enorm zügig und auf höchster Qualitätsstufe erledigt hat. Vielleicht hat Max auch alle Regiearbeiten bestens aufgeschrieben und vom Kunden abzeichnen lassen. Das verwundert Sie, denn normalerweise halten Sie Max eher für einen unterdurchschnittlichen Mitarbeiter, der zwar seine Arbeit erledigt, aber nie besonders hervorsticht. Und das ist er auch – immer dann, wenn er mit seinen Kollegen Klaus und Peter zusammen arbeitet. Das, was wir hier beschrieben haben, ist ein Beispiel für einen sozialen Standard. Das Gruppenmitglied Max verhält sich anders als die Einzelperson Max. Wenn Max in der Gruppe mit Peter und Klaus arbeitet, ist er bestenfalls Durchschnitt, arbeitet er mit anderen zusammen, ist er ein absoluter Könner. Solche Standards werden besonders häufig für Leistungen gebildet und dann laufen die Maßnahmen, die Mitarbeiter zu höheren Leistungen anspornen sollen, häufig ins Leere, weil sie am einzelnen Mitarbeiter ansetzen und dabei den Einfluss der Gruppe außer Acht lassen. Gruppen sanktionieren Abweichungen von ihren Normen und Standards, um ihre Mitglieder wieder „auf Linie“ zu bringen. Im Alltag beobachtet man beispielsweise Beschimpfung des Abweichlers („Du Schleimer willst dich wohl hervortun“) oder Kommunikationsausschluss (der Abweichler wird plötzlich von den anderen „links liegen gelassen“).
Gruppenstruktur
Auch ein weiteres Phänomen müssen wir beachten: die interne Sozialstruktur der Gruppe. Zunächst einmal entwickelt jede Gruppe eine Statusstruktur, d.h. es bildet sich eine Rangordnung der Gruppenmitglieder heraus. Da gibt es Gruppenmitglieder, denen man einen höheren Status beimisst als anderen. In unserem Beispiel könnte Peter derjenige sein, der in der Gruppe die Weichen stellt. Peter ist derjenige, der mit dem Kunden spricht, der den Fahrer vom Großhandel begrüßt und die Ware entgegennimmt. Er gibt abends im Büro die Tagesberichte ab. Und Peter entscheidet, wann Pause gemacht wird. Peter genießt in der Gruppe das höchste Ansehen, während Max morgens für die beiden Kollegen immer das Frühstück holt und abends die Arbeitsgeräte reinigt. Max steht in der Rangordnung ganz unten. Und deshalb werden von ihm andere Dinge als von Peter erwartet. Aus der Rangordnung ergeben sich bestimmte Verhaltenserwartungen der Gruppe an das jeweilige Gruppenmitglied.
Informelle Führungsstruktur
Peter ist quasi der Führer der Gruppe und zwar genau genommen der informelle Führer. Als einen solchen bezeichnet man ein Gruppenmitglied, das von der Gruppe eine Führungsrolle zugewiesen bekommt. Aktuelle Studien weisen nach, dass zumeist männliche, recht intelligente, gruppendienlich agierende Vielredner zum Gruppenführer und damit zum Star der Gruppe „gewählt“ werden. Diesem Schema entspricht Peter. Für Max bedeutet die Anerkennung von Peter, dass er niemals dessen Arbeitsleistung übertreffen wird. Und damit ist seine Arbeitsleistung auf der Baustelle abhängig von Peters Leistung – positiv wie negativ. Zum Problem wird der informelle Führer für das Unternehmen also genau zu dem Zeitpunkt, zu dem er nicht den Zielen des Unternehmens dient oder sogar zuwider handelt. Und damit verdient der informelle Führer die stetige Beachtung durch jede offiziell eingesetzte Führungskraft. Denn wenn informeller Führer und formell eingesetzte Führungskraft auseinander fallen, dann sind Probleme von vornherein vorprogrammiert.
Risikobereitschaft
Das führt uns zu der Frage, wie das Verhalten des Einzelnen von der Gruppe beeinflusst und natürlich auch, wie sich die Gruppe in bestimmten Situationen verhalten wird. Bleiben wir bei unserem Beispiel und stellen uns vor, Peter, Klaus, Max und ein weiterer Mitarbeiter sollen eine Baustelle abwickeln. Aufgrund schwieriger Untergründe und noch schwierigerer Kunden ist mit gewissen Problemen zu rechnen. Wird unsere Gruppe damit fertig werden? Normalerweise würde man erwarten, dass eine Gruppe tendenziell weit weniger risikofreudig entscheidet als Einzelpersonen, denn Kühnheit und Risikobereitschaft werden gewöhnlich Einzelpersonen und nicht Kollektiven zugeschrieben. Diverse Studien zeigen jedoch genau das Gegenteil: Gruppen sind weit risikofreudiger als Einzelpersonen. Das liegt daran, dass die Verantwortung für eine Entscheidung auf mehrere Schultern verteilt wird. Weil die Konsequenzen einer Handlung nicht von einem Einzelnen, sondern von der ganzen Gruppe getragen werden, ist die Gruppe zu einem höheren Risiko bereit.
Gruppendenken
Das ist ein Beispiel für kollektives Denken. Gruppen bilden eine Art „Korpsgeist“ heraus und neigen dazu, vorschnell Einmütigkeit herzustellen und im Widerspruch stehende Meinungen zu unterdrücken. Das Streben nach Einvernehmen ist dabei stärker als die Motivation, sich über ein Problem argumentativ auseinanderzusetzen und Alternativen zu erörtern. Der Teamgeist lässt das autonome und kritische Denken verstummen. Die Gruppe weist oder wertet Argumente und Fakten ab, die der Gruppenmeinung zuwiderlaufen. Und sie nimmt Außenstehende durchweg negativ wahr. Diese erscheinen ihr „zu dumm“, um sich auf eine ernsthafte Erörterung mit ihnen einzulassen.
In unserem Beispiel wird Peter zum Baustellenbeginn den „Fahrplan“ für die Baustelle vorgeben. Wenn er dabei feststellt, dass der Untergrund zwar nicht optimal ist, aber dennoch ausreicht, weil die Baustelle sonst nicht bis zum Wochenende fertig wird. Wenn Klaus diese Meinung teilt, dann wird Max sich dem beugen, obwohl er eigentlich weiß, das zusätzliche Arbeiten notwendig wären. Sollte nun der vierte – nicht zur Gruppe gehörende – Mitarbeiter Zweifel an der Gruppenmeinung äußern, so ist es sehr wahrscheinlich, dass seine Argumente ungehört verhallen werden. Denn die Gruppe hat sich entschieden.
(Wie die Führung von Gruppen optimiert werden kann, ist in einer der nächsten Ausgaben des Malerblattes zu lesen.)

kompakt
Im betrieblichen Alltag ist die Arbeit in der Gruppe an der Tagesordnung. Deshalb sollten Führungskräfte den Einfluss der Gruppe auf das Verhalten des Einzelnen genau kennen.
Thomas Scheld,
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