Startseite » Betrieb & Markt »

Geklaut

Betrieb & Markt
Geklaut

Werner Schledt

„Geklaut?“ Die Reporterin war sichtlich erstaunt über meine spontane Antwort auf ihre Frage, wie wir denn auf die Idee gekommen seien, als erster Handwerksbetrieb der Region einen Karrieretag zu veranstalten. Die Idee stammt in der Tat aus dem Hause Schmid, warum also sollte ich mich mit fremden Federn schmücken? Gute Ideen sind es allemal wert übernommen zu werden. (Dass dies auf breiter Ebene geschieht ist aus vielerlei Gründen ohnehin nicht zu befürchten.) Für uns war der erste Karrieretag ein Experiment, an das wir uns langsam herantasteten.
Per Du
Per Du angesprochen haben wir Schülerinnen und Schüler, vornehmlich unserer drei Partnerschulen, die wir auch bei den Praktika bevorzugt behandeln, die bald vor dem Abschluss stehen, Freude am Gestalten und Werken haben und vielleicht mit dem Gedanken spielen, ihre Karriere im Handwerk zu starten – natürlich auch deren Eltern. Gleichfalls angesprochen wurden auch Lehrlinge, die von ihren Ausbildungsbetrieben nicht übernommen werden. Zielgruppen waren ebenso Gesellen, Vorarbeiter und Meister, die weiterkommen wollen, deren Betrieb aber dazu keine Aufstiegsmöglichkeit bietet. Dass daran einige wenige Anstoß genommen haben und unsere Innung sich außerstande sah, auf die Veranstaltung hinzuweisen, war vorhersehbar, aber für uns kein Grund, diese Zielgruppe auszulassen: Strebsame Aufstiegsmöglichkeiten und Karrierechancen aufzuzeigen ist schließlich nichts anderes als eine Personalanzeige aufzugeben oder sonstwie Mitarbeiterwerbung zu betreiben.
Einstieg
Jetzt ging’s an Titel und Themen. Wir entschieden uns für „Einstieg und Aufstieg“ als Titel und wollten folgende Themen anbieten: Praktikum – der erste Schritt von der Theorie in die Praxis – Lehre im dualen System – Ausbildung in einem „Ausgezeichneten Ausbildungsbetrieb“ – Geselle, Vorarbeiter und was weiter? – Wege zur Meisterschaft – Finanzielle Förderung der Aus- und Weiterbildung – Bachelor – Unser Angebot für Abiturienten – Löhne und Gehälter im Branchenvergleich. Umfang und Ausführlichkeit der einzelnen Themen legten wir erst endgültig fest, nachdem wir Status und Interessen der Teilnehmer kannten, die mit der Anmeldung angaben, ob sie sich für ein Praktikum, eine Lehre im gewerblichen oder kaufmännischen Bereich oder eine Ausbildung mit Studium interessierten. Entsprechende Angaben erhielten wir auch von gewerblichen Mitarbeitern und Meistern, sodass wir die Schwerpunkte besser festlegen konnten.
Der mit einer betriebsindividuellen Karriereleiter und Fotos unserer After- Work-Aktivitäten illustrierte Flyer enthielt noch ein paar spezielle Hinweise, z.B. auf unsere Firmenzeitung, die Mitgliedschaft in der Aktionsgemeinschaft „Ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb“ sowie auf die geselligen und sportlichen Aktivitäten. Nicht zu vergessen: Die Beschreibung der Anfahrt- und Parkmöglichkeiten – und natürlich die Anmeldung.
An Adressaten
Jetzt legten wir die Adressaten fest. Wir versandten die Flyer mit kurzen individuellen Anschreiben in entsprechender Stückzahl an unsere Partnerschulen – als Test auch an ein Gymnasium – an die Berufsschule, sämtliche hessischen Innungen, die Handwerks- kammer, die Agentur für Arbeit, den Meistervorbereitungslehrgang, unsere wichtigsten Händler und natürlich auch an Tageszeitungen und die Fachpresse. Selbstverständlich stellten wir die Einladung auch in unsere Homepage. Nun harrten wir der Dinge, waren von Flop bis furios auf alles gefasst – und legten schließlich fürs Erste einen akzeptablen Start hin: Mehr als 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer meldeten sich an, dazu die Agentur für Arbeit, zwei Mitbewerber und auch die regionale Tagespresse.
Nach Plan
Ab jetzt lief’s nach Plan: Fast alle Teilnehmer hatten sich für den Vormittag, mehr als die Hälfte davon auch für individuelle Einzelgespräche am Nachmittag angemeldet. Zur Einführung stellte der Chef das Unternehmen vor und illustrierte Punkte wie die Strategische Ausrichtung, Zahlen und Daten, Produkte und Märkte, Referenzkunden und -projekte, die Betriebsorganisation, vor allem natürlich die Karrieremöglichkeiten und nicht zuletzt auch unsere Angebote zu „Work-Live-Balance“ vor. Bei der anschließenden, moderierten Talkrunde waren für die unterschiedlichen Teilnehmergruppen zuständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Tisch, die über ihre eigenen Erfahrungen in Beruf und Betrieb berichteten und die Fragen aus dem Forum kompetent beantworteten. Es macht schon einen Unterschied, ob z.B. einer das Modell Duales Studium nur vorträgt oder ein junger Mitarbeiter, der diese Ausbildung gerade absolviert, direkt berichtet. Überrascht hat uns bei der anschließende Führung durch den Betrieb das Erstaunen der Besucher über soviel EDV in einem Handwerksbetrieb und die Vielfalt der technischen Geräte und Maschinen im Lager. Da wurden Bilder korrigiert. Für die parallelen Einzelgespräche nach der Mittagspause, die bisweilen länger als die vorgesehenen 30 Minuten dauerten, hatten wir den Teilnehmern „passende Partner“ zugeordnet und für die Gesprächsführung ein Formblatt vorbereitet. Auf ihm wurden z.B. Fakten und Daten für Eignungs- und Einstellungstests, angegebene Qualifikationen und Ziele notiert und auch danach gefragt, wodurch der Teilnehmer auf unseren Karrieretag aufmerksam wurde. Dabei zeigte sich, dass Präsenz im Stadtbild durch Fuhrpark, Bauschilder und spezielle Aktionen, wie unsere Stuntmen an Ein- und Ausfallstraßen, und vor allem auch die Homepage für größere Aufmerksamkeit sorgen als Druckerzeugnisse.
Bilanz gezogen
Unser erster Karrieretag war ein Erfolg: Mit rund der Hälfte der Teilnehmer, die natürlich auch informative Tischvorlagen kriegten, die wir aus unserer Homepage zusammengestellt hatten, wird es individuelle Vorstellungsgespräche geben. Die regionale Presse hat ausführlich berichtet – unsere Mitarbeiterzeitung natürlich auch. Den Zusatznutzen fürs Image haben wir ohnehin. Natürlich gab’s hinterher eine Manöverkritik des Vorbereitungsteams mit Verbesserungsvorschlägen. Ja, wir werden wieder zu einem Karrieretag einladen. Und wenn auch Sie die Idee „klauen“ wollen: Aber gern!

kompakt
Relevantes für die Branche entdecken, Anstöße geben, manche Dinge auf die Schippe nehmen – genau das macht Werner Schledt in seiner Kolumne „Unverdünnt aufgetragen“. Der Autor war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbandsgeschäftsführer im hessischen Maler- und Lackiererhandwerk. Jetzt engagiert er sich als Marketingleiter der Frankfurter TREIBS Bau GmbH und schreibt aus praktischer und betrieblicher Sicht exklusiv für die
Malerblatt-Leser.
Werner Schledt
TREIBS Bau GmbH
Heinrichstraße 9–11
60327 Frankfurt/Main
Tel.: (069) 750010-310
Fax: (069) 750010-340
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 5
Ausgabe
5.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de