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Grau in Grau am Bau

Betrieb & Markt
Grau in Grau am Bau

Grau in Grau am Bau
Foto: Florian Kunde / Adobe Stock

Fachleute warnten, die Regierung hat unbeirrt 400 000 neue Wohnungen pro Jahr versprochen, aber es wurden im vergangenen gerade mal 270 000. Die Immobilienweisen im Zentralen Immobilienausschuss prognostizierten jetzt in ihrem Frühjahrsgutachten für dieses Jahr nur noch 150 000. Auch das Ifo-Institut geht bis 2026 von einem weiteren Rückgang der Neubauwohnungen um ein Drittel aus. Alarmierende Zahlen vor dem Hintergrund, dass in den nächsten Jahren nicht wie jetzt schon 600 000, sondern mehr als 800 000 Wohnungen fehlen werden. Die hinlänglich bekannten Gründe wurden im genannten Frühjahrsgutachten mit einer alarmierenden Zahl belegt: 37 Prozent der Herstellkosten sind Staatsquote für Abgaben, lahmende Baugenehmigungen, Bürokratie, unzählige Bauvorschriften und nicht zuletzt ein undurchsichtiger Förderungsdschungel. Baupräsident Peter Hübner hat jetzt vorgerechnet, dass man bei den derzeitigen Rahmenbedingungen, dazu zählen auch Grundstückspreise und Zinsen, selbst Sozialwohnungen nicht mehr unter 18 Euro pro Quadratmeter bauen kann, und auch auf die stetig wachsenden Forderungen, zum Beispiel von Umweltschützern und Sozialverbänden, als weitere Kostentreiber hingewiesen.

Gut, das Zitat ist reißerisch verkürzt. Wörtlich hat der Präsident der Immobilienweisen gesagt: „Wer in dieser Lage Wohnungen baut, geht bankrott“. Zur Lage hat er nämlich vorgetragen, dass die Kosten für eine Schwarze Null mittlerweile bei 21 Euro pro Quadratmeter liegen und erst bei einem darüberhinausgehenden Mietpreis Gewinn erzielt werden kann. Die Politik hat ihre Versprechungen in den Sand gesetzt. Wer will auf Sand bauen? Investoren werden’s nicht – und Mieter können’s nicht.

Felix Austria

Auch in Österreich ist’s am Bau duster. Um die Krise zu bewältigen, haben Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertreter dort einen spektakulären Plan erarbeitet: Der Staat soll den Bau oder Erwerb des ersten Eigenheims mit bis zu 1000 000 Euro bezuschussen, die auch bei Aufnahme einer Hypothek als Eigenkapital gelten. Letzteres auch vor dem Hintergrund, dass in unserem Nachbarland für einen Baukredit ein Eigenkapital-Anteil von 20 Prozent zwingend ist und die Kreditraten 40 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigen dürfen. Mit dem Plan soll der Immobilienerwerb forciert und die Baubranche unterstützt werden. Glückliches Österreich – wenn’s denn so kommt. Schließlich gehört auch Österreich zu den Ländern mit einem geringen Anteil an Immobilieneigentümern. Nur etwa jeder Zweite unserer Nachbarn ist Wohnungseigentümer. Wir liegen allerdings noch hinter Österreich auf dem vorletzten Platz vor dem Schlusslicht Schweiz, wo Wohnungseigentum aber traditionell keinen hohen Stellenwert hat und man sprichwörtlich sagt: „Schweizer Hausbesitzer sind mit ihrer Immobilie nur zwei mal glücklich. Beim Erwerb – und beim Verkauf“. Spitzenreiter beim Wohnungseigentum, das mag überraschen, sind, mit großem Abstand zu den letzten Drei, ärmere Länder: Rumänien, vor der Slowakei, Ungarn, Polen und Bulgarien.

Eigentum bringt zu viele Pflichten

In unserem reichen Land sind beileibe nicht nur die Rahmenbedingungen für die geringe Eigentumsquote verantwortlich. Bei einer repräsentativen Umfrage an Studenten zum Thema Erwerben oder Mieten? kamen Argumente wie: Aufwand schon bei der Suche zu groß, lästiger Notarkram und Verhandlungen mit der Bank, Eigentum bringt zu viele Pflichten. Letzteres stimmt freilich: Wer – vorzugsweise bei einer Gesellschaft – zur Miete wohnt, braucht sich um nichts zu kümmern, nicht um Raten und Tilgung, nicht um Erhaltung und Reparaturen, nicht um Schnee räumen oder Rasenmähen, und nicht einmal um die Treppenreinigung. Und statt der Diskussionen in der Eigentümerversammlung genügt ein Anruf beim Vermieter, und der muss sich kümmern. Und nicht zu vergessen: Die Vorteile des Mieterschutzes und der Mietpreisbremsen. Sich selbst nicht kümmern wollen liegt – nicht nur beim Wohnen – im Trend. Was heißt das für uns?

Stagnation bedeutet: Deutlich weniger Standard-Aufträge im Neubaubereich, aber zunehmend mehr im Baubestand. Ein Modernisierungsschub könnte auch die EU-Entscheidung sein, dass ältere Häuser nun doch nicht auf ein Mindestenergieniveau saniert werden müssen. Modernisierung im Baubestand ist aufwendiger, aber auch vielfältiger und interessanter. Individuelle Aufträge erfordern mehr breites technisches und gestalterischen Know-how, hohe Beratungskompetenz und -zeit, en jour sein, auch im kurzlebigen Förderungsbereich und gute Vernetzung mit Partnern anderer Gewerke bei der Ablaufplanung und Koordinierung. Unter diesen Voraussetzungen werden für gut vorbereitete Betriebe durch den Rückgang bei Neubauten die Aufträge nicht knapp. Fachkräfte bleiben’s freilich.

Wie man den Wohnungsleerstand vorantreibt

Jetzt, wo die Kinder aus dem Haus sind, wollte die Eigentümerin, die im dritten Stock ihres viergeschossigen Miethauses lebt, die Wohnung darüber, in der die zwei Kinder groß wurden, modernisieren und vermieten. Für den Einbau größerer Dachflächenfenster hat sie redlich einen Bauantrag gestellt. Kein Problem, sagte der Vertreter des Bauamtes, – aber der Trittschall ist zu hoch. Den Vorschlag, einen dicken Teppichboden zu verlegen, lehnte er ab und bestand auf einer Verdoppelung des Estrichs und damit auch auf der Verkürzung aller Türstöcke und Türen. Weil das Wassergeräusch zu laut sei, verlangte er außerdem eine Isolierung der Rohre, nicht nur in dieser, sondern in allen Wohnungen des Hauses. In dem Haus hat sich noch nie jemand über Trittschall oder Wassergeräusche beschwert. Die Entscheidung fiel der alten Dame dann auch nicht schwer: Die Wohnung bleibt leer – wie so viele.

Dem von mir betreuten Flüchtling hat die Behörde mitgeteilt und nachgewiesen, dass die Verrechnung der ihm zustehenden Sozialleistungen mit seinem Arbeitslohn ein Guthaben von fünf Euro und dreizehn Cent ergeben habe. Der Brief hat 17 Seiten.


PraxisPlus

Autor Werner Schledt war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbandsgeschäftsführer im hessischen Maler- und Lackiererhandwerk.

Werner Schledt

Gangstraße 35 c

60388 Frankfurt/Main

werner@schledt.de


Andreas Mattner

Wer baut, geht bankrott“


Stagnation am Bau – Weniger Standardaufträge“

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