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Guerilla-Marketing

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Guerilla-Marketing

Werner Schledt

„Guerilla-Marketing“ – was verbirgt sich dahinter? Ganz einfach: Es werden Taktiken angewandt, die Amerikaner – wer sonst – aufs Marketing übertragen haben und insbesondere den mittelständischen „Einzelkämpfern“ als spezielle Methode zur Kundenwerbung empfehlen und durch Spezialagenturen anbieten.
Wir waren neugierig und haben einen entsprechenden Lehrgang gebucht. Die Teilnehmerliste symptomatisch für mittelständische Neugier auf Neues: Wir waren die einzigen Handwerker und auch nicht überrascht, dass die Beispiele ganz überwiegend aus den Bereichen Produktverkauf bzw. Shopping kamen. Aber sie waren ausnahmslos originell. Hier eines der schönsten: Eine Pizzakette erobert amerikanische Städte mit gewaltigen Etats flächendeckend und konsequent dadurch, dass sie sich voll auf den Service und dabei nur auf einen einzigen Punkt konzentriert, weil sie weiß, dass ihr Produkt nichts besonderes und folglich absolut austauschbar ist. Also: Power statt Pizza.
Power statt Pizza
Deshalb platziert sie ihre Pizzerien so dicht, dass jeder Kunde innerhalb von 30 Minuten bedient wird. Also 10 Minuten Ofen- und 20 Minuten Fahrzeit. Die Zielgruppe, überwiegend Berufstätige und Singles, bestellt nach der Arbeit aus dem Auto. Bis die Kunden zuhause sind, ist die Pizza auch da. Klappt das mal nicht, kriegen sie die Pizza umsonst. Die Halbstundenzusage ist die einzige Werbebotschaft die verkündet wird, z.B. durch klotzige, ganzseitige Anzeigen in den „Gelben Seiten“, wo die Mitbewerber mit nur ein paar Zeilen stehen. Klassische „Goliath-Werbung“ also (Immerhin wird man als Handwerker wieder daran erinnert, dass man sich mit unverwechselbarem Dienst erfolgreicher profilieren kann, als mit austauschbarer Leistung).
Mit List und Tücke
Wie aber behauptet sich der alteingesessene kleine Pizzabäcker gegen die vermeintlich übermächtige Konkurrenz? Mit List und Tücke! Er lässt überall einfache Handzettel verteilen mit dem Angebot: „Bringt mir die ganzseitige Anzeige von „Power-Pizza“ (Name frei erfunden) aus den „Gelben Seiten“ und Ihr kriegt zwei Pizzen gratis!“ Nach kurzer Zeit sind die Anzeigen aus den Telefonbüchern raus. Aus.
Vielleicht noch die Kevin-Geschichte: Der Betreiber eines Szene-Lokals, nennen wir es „Gray“, weiß, dass viele seiner Wunschgäste mit Vornamen Kevin heißen. Woher? Er hat recherchiert, welcher Name Mode war, als die für ihn interessanten Jahrgänge geboren wurden. (Wer männliche Kunden um die 70 ansprechen will, wird sicher bei den Adolfs fündig). Also erhalten alle Kevins der Stadt Urlaubsgrüße von „Claudia“, die u.a. schreibt, dass sie in zwei Wochen zurück ist und sich sehr aufs Wiedersehen freut. Die Karte bringt die Kevins ins Grübeln und deren Ehefrauen und Freundinnen auf den Plan. Der Erklärungsnotstand dauert knapp vierzehn Tage, dann kommt die zweite Karte: „Lieber Kevin, nun sind es nur noch drei Tage und ich kann es kaum erwarten Dich zu sehen. Wie wär’s am Freitag um 20.00 Uhr im „Gray“? Küsschen, Claudia“. Wohin gehen die Kevins (und ihre Partnerinnen) am Freitag? Richtig: ins „Gray“. Und wen treffen sie dort: Viele junge Männer, alle mit Vornamen Kevin, samt Anhang. Das „Gray“ ist proppenvoll und die gutgelaunten Gäste feiern eine riesige Fete – und erzählen am nächsten Tag all ihren Freunden Bekannten davon. Das, was der kleine Pizzabäcker und der Betreiber des Lokals da gemacht haben, ist ein Stück „Guerilla-Marketing“. Ihre Maßnahmen überraschend, listig, kreativ – und sicher auch ein bisschen illegal. Sie sind aber wirksam, werden durch Mundpropaganda verstärkt und kosten fast nichts. Die Beispiele beschreiben anschaulich die Taktik der Guerillas, die diesem speziellen Marketing den Namen gaben.
Guerillas behaupten sich gegen gewaltige, geordnete Armeen, die hervorragend ausgestattet sind und sich auf herkömmlichen Straßen und Schienen für jedermann sichtbar bewegen. Sie vertrauen auf dauernde Präsenz.
Brain statt Budget
„Einzelkämpfer“ dagegen haben nur geringe Ressourcen, personell wie finanziell. Sie müssen auf überraschende Aktionen statt überkommene Kampagnen setzen, auf Maßnahmen also, die persönlichen Mut und Einsatz erfordern, nachhaltig beeindrucken – wie unser kleiner Pizzabäcker.
Diese erfolgreiche Taktik bedingt natürlich Kreativität. Motto: „Brain statt Budget!“ Und ein bisschen aggressiv – witzig sowieso – darf’s natürlich auch sein. Referentenzitat: „Wenn’s in der Firma nicht richtig kracht, sondern alle sagen, das ist schön, geschmackvoll und solide, dann wird’s mit Sicherheit ein Flop.“ Wo genau die Grenze zwischen „Überrollkampagnen“ und „Überraschungsmarketing“ liegt muss man nicht unbedingt wissen. Vielleicht überschreiten „Guerillas“ bisweilen die Grenzen der Legalität (etwa bei ungenehmigten Auftritten oder wildem Plakatieren), und nehmen für den Preis des Erfolgs schon mal ´ne Ordnungsstrafe in Kauf. Aber mir scheint, dass es primär auf außerordentliche Einfälle und Mut zu deren Umsetzung ankommt. „Wenn keiner schreit, ist’s mit Sicherheit nicht Guerilla!“
Was draus machen
Machen wir was draus? Drei Dinge haben wir mitgenommen. Erstens: Hinsichtlich einer ganzen Reihe unserer bisherigen Maßnahmen wurden wir bestätigt (Der Einsatz von „Sandwich-Männern“ morgens und nach Feierabend an den Ein- und Ausfallstraßen zur Mitarbeiterwerbung war ebenso nachhaltig wie der Versand von vermeintlichen Urlaubsgrüßen an Hausbesitzer oder das Engagement eines „Sherlok-Holmes“ zum Aufspüren von Lehrlingen). Zweitens: Wir werden uns in Zukunft vehementer durchzusetzen versuchen, wenn den Mitarbeitern eine Maßnahme „zu schräg“ ist und die kritischen Stimmen als Gütemerkmale werten. Drittens: Wir suchen systematisch nach weiteren frischen und frechen Aktionen. Im Dezember haben wir ein „wirksames Mittel gegen die Schweinegrippe“ offeriert: „WW“ (Wonniges Wohnen im so schön renovierten Heim, dass man gar nicht mehr raus geht). Verteilt wurden Handzettel samt einer Mundschutzmaske an ausgesuchten U-Bahn-Stationen, wo Berufstätige aus unseren Zielgebieten vom Bus in die Bahn wechseln. Die Verteiler strahlten Kompetenz aus: Sie waren als Ärzte maskiert. Der Aufwand für diese Aktion war vergleichsweise gering und die Gebühren für die Erlaubnis entsprechen der Höhe des Bußgeldes bei spontanem Handeln.
Warum sollen wir nicht auch mal Pflastermaler engagieren oder uns von den russischen Akkordeonspielern in den U-Bahnen zu einer originellen Aktion inspirieren lassen? Solche Ideen haben wir viele – aber alle verraten wir nicht.

kompakt
Relevantes für die Branche entdecken, Anstöße geben, manche Dinge auf die Schippe nehmen – das macht Werner Schledt in seiner Kolumne „Unverdünnt aufgetragen“.
Der Autor war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbandsgeschäftsführer im Maler- und Lackiererhandwerk. Jetzt engagiert er sich als Marketingleiter der TREIBS Bau GmbH und schreibt exklusiv aus betrieblicher Sicht für Malerblatt- Leser.
Werner Schledt
TREIBS Bau GmbH
Heinrichstraße 9–11
60327 Frankfurt/Main
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