Startseite » Betrieb & Markt »

Nur nicht nein sagen

Betrieb & Markt
Nur nicht nein sagen

Der Einsatz von Leiharbeitern schafft nicht nur Flexibilität, sondern erweitert auch das Angebotsspektrum.

„Neulich haben wir ein Jubiläumsfest für neunzehn langjährige Mitarbeiter veranstaltet“, die Stimme am anderen Ende der Leitung klingt stolz. „Sechs davon sind immerhin schon über 20 Jahre bei uns beschäftigt.“ Armand Lemberger schwärmt: „Die Mitarbeiter fühlen sich gut aufgehoben bei uns und in unserer Branche. Ein Imageproblem kennen wir hier nicht.“ Wesentlicher Grund hierfür sei das seit Jahren praktizierte Prinzip des „Equal Pay und Equal Treatment“, des Gleichbehandlungsgrundsatzes von Leih- und Stammarbeitnehmern in tariflichen Fragen. „Was in Deutschland seit dem 1. Januar diesen Jahres Gesetz ist, wird auf dem französischen Arbeitsmarkt schon seit Jahren praktiziert.“ Armand Lemberger ist Agenturleiter des französischen Zeitarbeitsunternehmens France Interim mit Sitz in Straßburg, das circa 90 Prozent seiner Mitarbeiter in Betriebe des Baunebengewerks nach Deutschland entleiht. Die seit Dezember 2003 bei uns in Kraft getretene Mindestlohn-Regelung besagt zudem, dass einem Leiharbeiter mit (Maler-) Gesellenbrief der gesetzliche Mindestlohn von 10,53 Euro (9,20 Euro in den neuen Bundesländern) zusteht, wenn er entsprechende Tätigkeiten im Einsatzbetrieb ausführt. „Fälle wie letztes Jahr in Mecklenburg-Vorpommern, wo Arbeitnehmer für 2,24 Euro Stundenlohn beschäftigt und verliehen wurden, gehören nun hoffentlich der Vergangenheit an“, hofft Reiner Löffler, Tarifexperte beim Hauptverband Farbe, Gestaltung, Bautenschutz in Frankfurt. „Dem Firmenchef des Ein- satzunternehmens muss klar sein, dass er für die Einhaltung dieser Mindestlohn-Regelung genauso verantwortlich ist, wie für die Abführung der Sozialbeiträge durch die Zeitarbeitsfirma.“ Bei neuen Geschäftsbeziehungen sollte man sich grundsätzlich eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen lassen. Allerdings gibt dies keine hundertprozentige Sicherheit vor Risiken, die sich auch vertraglich nicht ausschließen lassen. Allenfalls ist hier eine zusätzliche Absicherung über eine Einstandspflicht des Zeitarbeitsunternehmens, für den Insolvenzfall gesichert mittels Bürgschaft, denkbar. Solange in Deutschland ein Haftungsrisiko existiert, müsse man vor allem eines beherzigen: Niedrige Preise sind Indiz für einen möglichen Gesetzesverstoß. „Wenn bei einem Mindestlohn von 10,53 Euro ein Leiharbeitnehmer für deutlich unter 18,- Euro angeboten wird, dann stimmt was nicht“, warnt Reiner Löffler. „Preise um die 20,- Euro je Stunde sind für Malergesellen mindestens notwendig.“ Dies bestätigt auch ein Blick auf den Tarifüberblick der Firma Adecco. Was für deutsche Entleiher gilt, ist auch für ausländische Zeitarbeitsunternehmen bindend. Dazu Armand Lemberger: „Als Entsender ausländischer Arbeitskräfte nach Deutschland unterliege ich den dortigen gesetzlichen Bestimmungen, das heißt, auch unsere Mitarbeiter haben Anspruch auf den tariflichen Mindestlohn. Unsere Tarife für Maler bewegen sich daher zwischen 17,-/18,- Euro für Malerhelfer und bis 23,-/24,- Euro für qualifizierte Facharbeiter.“

Sklavenhändler-Image abgelegt
„Unser Image ist besser geworden, und schwarze Schafe werden es nun schwieriger haben“, zeigt sich Manfred Brücks von der Branchengröße Adecco überzeugt. „Die neuen tariflichen Regelungen und die regelmäßigen Kontrollen der Arbeitsämter zeigen Wirkung.“ Zum positiven Image beigetragen habe auch, dass die Qualifikation der Leiharbeitnehmer zunimmt. „Zur Zeit ist es leicht, gutes Personal zu finden“, so Manfred Brücks. Immer öfter melden sich bei ihm hochqualifizierte Facharbeiter, die über das Arbeitsamt oder Zeitungsinserate derzeit keinen Job finden können. Dieser primäre Arbeitsmarkt schrumpfte in den letzten drei Jahren erheblich. Der Adecco Stellenindex veranschaulicht dies deutlich. Dabei steigt der Anteil der Gruppe 45+ stetig. Doch gerade für diese Altersgruppe sieht Manfred Brücks gute Vermittlungschancen. „Diese Mitarbeiter sind auf Grund ihrer teilweise jahrzehntelangen Erfahrung für den Einsatzbetrieb oft wertvoller als jüngere Leiharbeiter und entsprechend gesucht.“ Oft würden solche Arbeitskräfte vom Einsatzbetrieb abgeworben, „in guten Zeiten bis zu 35 Prozent“, bedauert Brücks, ist aber Realist: „Es ist eben ein großer Vorteil der Zeitarbeit, Mitarbeiter ohne großes Risiko ausgiebig testen zu können, bevor man ihnen eine Festanstellung anbietet.“
Marktchance Flexibilität
Welches Unternehmen kann es sich heutzutage noch leisten, in saisonbedingt ruhigeren Zeiten seine Mitarbeiter durchzufüttern? Früher, ja früher, da hat man im Winter Treppenhäuser ausgemalt, Schablonen geschnitten, Pinsel zurückgebunden und wer weiß was alles – aber heute? Heutzutage ist gut beraten, wer seine Kernmannschaft schlank hält und Auftragsspitzen durch Subunternehmen oder Kooperationen mit Kollegenfirmen abdeckt. Gerade auch die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern ist eine gute Möglichkeit bei Konjunkturschwankungen flexibel zu reagieren. Wolfram Kümmel ist da gleicher Meinung. Der Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes für Stuckateure in Baden-Württemberg beklagt daher das Arbeitnehmer-Überlassungsverbot für seine Branche und sieht darin einen echten Wettbewerbsnachteil.
Alles aus einer Hand
Zeitarbeit ist jedoch nicht nur bei Personalengpässen eine gute Alternative. Um wettbewerbsfähig zu bleiben sind Unternehmen oft gezwungen, dem Kunden Leistungen anzubieten, die nicht zu den Kernkompetenzen gehören. Es ist erstaunlich, mitunter bizarr und witzig, mit welchen Arbeiten Maler und Stuckateure beauftragt werden. Eine frühere Malerblattumfrage brachte es an den Tag: Maler montieren Waschbecken, bringen Holzdecken an oder betonieren Außentreppen – sie fällen aber auch Bäume, reinigen Schwimmbecken, mähen Wiesen oder pflastern Weinkeller. Wie reagieren Sie auf solche Anfragen? Können Sie „Nein“ sagen?
Natürlich ist die Bereitschaft zum bedingungslosen Kundenservice durch die natürliche Grenze der eigenen Geschicklichkeit beziehungsweise die der Mitarbeiter eingeschränkt. Aber deshalb gleich ablehnen? Was hält Sie davon ab, in solchen Fällen das erforderliche Know-how einzukaufen? Wünscht der Kunde beispielsweise die Holztüren nicht nur neu lackiert, sondern auch gleich gangbar gemacht, vielleicht gekürzt oder mit neuen Beschlägen versehen, dann beschäftigen Sie doch kurzfristig einen Schreiner! Werden Sie beauftragt, in die von Ihnen abgehängte Decke neue Strahler einzubauen, einen Elektriker! Möchte der Auftraggeber im Zuge der Renovierungsarbeiten alle Rollladengurte austauschen, lohnt sich vielleicht die Entleihung eines Jalousiebauers. Grundsätzlich ist, soweit handwerksrechtlich zulässig, gegen eine geringfügige Ausführung branchenfremder Leistungen nichts auszusetzen, und die kurzfristige Beschäftigung von (Leih-) Fachkräften aus anderen Branchen macht durchaus Sinn. „Ab einem gewissen Volumen sollte man jedoch lieber eine Handwerkerkooperation eingehen“, so Reiner Löffler. Doch das ist ein anderes Thema.
Josef Schneider
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 5
Ausgabe
5.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de