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Zeit verstrichen?

Betrieb & Markt
Zeit verstrichen?

Werner Schledt

„Ungenutzte Zeit ist unwiederbringlich dahin!“ Dieser Satz, ursprünglich Headline über jedweder Rationalisierungsmaßnahme, galt und gilt unverändert. Privat, wo Zeit haben immer mehr zu einem Luxusartikel mutiert und derjenige privilegiert ist, wer wirklich über Zeit für sich verfügt oder sie sich einfach nimmt. Sprüche wie „Träume nicht dein Leben, lebe deine Träume!“ begegnen einem immer häufiger. Und meist immer noch scheel betrachtet wird die immer schneller zunehmende Zahl derer, die sich so überfordern, dass sie schließlich Auszeiten nehmen müssen. Mehr als ein Drittel der Deutschen gibt inzwischen an, unter Zeitknappheit und -druck zu leiden. Kein Wunder also, dass Systeme und Lehrgänge für Zeitmanagement unverändert boomen. Dort lernt man Prioritäten zu setzen, Wichtiges von Dringendem zu unterscheiden, Puffer für Unvorhergesehenes einzuplanen und auch für Privates Luft zu lassen. Ich habe das früher in Seminaren selbst vermittelt – heute würde ich es ganz bestimmt nicht mehr tun. Mir war damals die „Rückfallquote“ zu groß. Eine namhafte amerikanische Arbeitswissenschaftlerin hält solche Seminare gar für völlig nutzlos und vergleicht Leute, die ihren Tag per Filofax steuern, mit Frauen, die nur Joghurt und Karotten essen, obwohl sie gar nicht zur Dickleibigkeit neigen. Sie hat nämlich festgestellt, dass nicht schlechtes Zeitmanagement den Stress verursacht – die Gehetzten führten sehr wohl Kalender und lebten auch danach – sondern eine Überlastung des Gehirns durch zu viele Informationen, übertragen zum Beispiel durch die riesige Flut von Mails und durch das permanente „Mäusekino“. Ich halte es inzwischen auch für viel erfolgversprechender, jemanden bei seinem Tagwerk eine Zeit lang zu begleiten und festzuhalten, was er tut, wichtiger noch: wie er’s tut. Das ergibt nämlich ganz individuelle Ansätze zur Entlastung – und Rationalisierungsansätze bringt es obendrein.
Zeit nehmen
Beschäftigt man sich speziell mit der Zeitwirtschaft in der Arbeitswelt, bleibt man zwangsläufig an der wichtigen Beobachtung von Parkinson hängen, der gesagt hat „Eine Arbeit dauert so lange, wie Zeit dafür vorhanden ist“. Das stimmt und das gilt für Selbstständige, Angestellte, Beamte, Arbeiter gleichermaßen. Nur sind die Folgen aus dieser Erkenntnis völlig unterschiedlich: Was verursacht der Selbstständige, der sich für ein Angebot „Zeit nimmt“ schon? Nicht mal kalkulatorischen Unternehmerlohn, jedenfalls keinen, den er auch geltend macht. Bei Angestellten, insbesondere bei denen, die Führungspositionen begleiten, ist es ähnlich. Wer sich über die Maßen Zeit nimmt für die Beratung von Kunden, die Vorbereitung eines Projektes, handelt meist eher richtig als falsch, auch wenn längst nicht jeder dieser Meinung ist. Das pauschale Entgelt für einen längeren Zeitraum macht’s möglich und bietet Spielräume. Kritisch wird’s bei den Subalternen. Nicht etwa, weil die ohne Zeitvorgaben zwangsläufig trödeln würden – „ein normaler Mensch arbeitet schließlich normal“ – sondern vielmehr deshalb, weil ein nicht limitiertes Zeitbudget zu „Überqualitäten“ führt, die niemandem nützen und nur kosten. Kein Zeitmaß heißt, es wird halt formuliert, korrigiert und verbessert, da steigt die Zahl der Mailempfänger stetig, da wird ausgedruckt und geschliffener ausgedrückt, abgespeichert, kopiert und verteilt, da laufen die Drucker heiß. Mit anderen Worten: Es wird nur noch auf Zeit gespielt. Wie sagte doch Francis Bacon: „Zeit ist das Maß der Arbeit, wie Geld das Maß der Waren ist.“ Das gilt nirgends mehr als an unseren Baustellen, wo immer noch Stundenlöhner arbeiten. Auch hier entstehen, wenn Zeitvorstellungen und -vorgaben fehlen und die Abläufe nachlässig überwacht werden, Überqualitäten, die allenfalls den Kunden erfreuen. Wo nach Stunden entlohnt und nach Quadratmetern abgerechnet wird, muss ein vernünftiger Zusammenhang zwischen Zeitbedarf und Mengenleistung hergestellt werden, müssen folglich Zeitvorgaben gemacht werden. Nur so kann der betriebliche Alltag erfolgreich gemeistert werden.
Zeit ermitteln
Das ist am Bau mit seinen individuellen, sich stetig verändernden Anforderungen, Techniken und Qualitätsstufen weit schwieriger als bei der industriellen Fertigung, wo man für Arbeitseinheiten, ja sogar Elemente von Handgriffen, allgemein gültigen Zeitbedarf mit wissenschaftlichen Methoden ermittelt und zur Kalkulation wie auch für die Zeitvorgabe verwendet. Sicher, aus den vielfältigen Erfahrungswerten, die zunächst in Handbüchern erschienen und inzwischen mit der einschlägigen Branchensoftware gekauft und betriebsindividuell modifiziert werden können, haben auch wir Maßgaben für Kalkulation und Zeitvorgaben, wenigstens theoretisch. Wie bemerkte vor längerer Zeit ein Unternehmer richtig: „Früher haben wir aus geschätztem oder bekanntem Zeitbedarf, den Kosten und einem Gewinnzuschlag unseren Preis kalkuliert. Heute ist es meist umgekehrt: Wir haben erst den Preis und müssen ihn gar nicht selten im Vergabegespräch noch unterbieten und dann schauen, wie wir nach Abzug der Kosten zu einem Gewinn kommen.“ Die gängigen Formeln zur Ermittlung der Zeitvorgaben in unserem lohnintensiven Handwerk, wie etwa: Angebotspreis minus Material geteilt durch Stundenverrechnungssatz, führen bei den heutigen Markt- und Kampfpreisen zu unrealistischen Zeitwerten, die von den Mitarbeitern auch mit viel Motivation und gutem Willen nicht erreicht werden können.
Zeit vorgeben
Zeitvorgabe ist aber Zielvorgabe. Und Ziele, die man vorgibt, müssen erreichbar sein, sonst frustrieren sie. Es ist wie beim Sport: Ich kann einen Hochspringer, der die zwei Meter schon drauf hat, dazu motivieren und bringen, mit mehr Übung und besserer Technik auch die Zweifünfzehn zu schaffen, aber niemals Zweifünfzig. Die Latte deutlich zu hoch zu legen führt nur dazu, dass sie vorsätzlich gerissen wird. Dass Kampfpreise also Basis der Ermittlung von Vorgabezeiten zu unerreichbaren Zielen führen, erschwert also dieses Procedere spürbar: Die rein rechnerischen Ergebnisse müssen nachträglich beurteilt und ggf. nach oben korrigiert werden. Das schmälert im ungünstigsten Fall den Verlust, führt aber auch zu Überlegungen, welche Möglichkeiten es gibt, einen Auftrag trotz mieser Preise noch befriedigend abzuschließen. Die Lösungsansätze liegen dabei fast immer in der Arbeitsvorbereitung, nie in der -geschwindigkeit. Intensität ist nämlich nicht gleich Wirksamkeit, und die kann man durch schnelleres Hin und Her so wenig steigern wie etwa beim Staubsaugen. Richtig und konsequent angewandt führt eine Zeitvorgabe zu wesentlich besseren Ergebnissen, sodass man am Ende sagen kann: „Nicht nur die Zeit verstrichen, sondern auch genug Farbe!“

kompakt
Relevantes für die Branche entdecken, Anstöße geben, manche Dinge auf die Schippe nehmen – genau das macht Werner Schledt in seiner Kolumne „Unverdünnt aufgetragen“. Der Autor war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbandsgeschäftsführer im hessischen Maler- und Lackiererhandwerk. Jetzt engagiert er sich als Marketingleiter der Frankfurter TREIBS Bau GmbH und schreibt aus praktischer und betrieblicher Sicht exklusiv für die
Malerblatt-Leser.
Werner Schledt
TREIBS Bau GmbH
Heinrichstraße 9-11
60327 Frankfurt/Main
Tel.: (069) 750010-310
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