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Die Grenzen der „farbigen“ Welt

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Die Grenzen der „farbigen“ Welt

Immer öfter wagen sich Bauherren, gemeinsam mit ihrem Maler, an eine farbige Gestaltung ihrer Fassade oder ihres Innenraums heran. Dabei kommen auch intensive Farbtöne ins Spiel. Deren Verarbeitung ist jedoch nicht immer ganz unproblematisch.

Alfred Lohmann, Caparol

Lange Zeit bestand die „farbige“ Welt vieler Kunden des Maler- und Stuckateurhandwerks fast ausschließlich aus Weiß. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Die Bandbreite an Farbtönen, die heute Interesse findet, ist gewaltig. Was mit einem vorsichtigen Herantasten an pastellige Töne begann, wurde zum beinahe selbstverständlichen Umgang mit intensiven Farben, wie etwa Rot und Orange, in der jüngeren Vergangenheit.
Diese Farbperioden sind seit jeher festzustellen. Deshalb benötigen Verarbeiter, je nach Trend, spezielles Know-how, um die vorherrschenden Farbtöne fachgerecht zu applizieren. Da Weiß lange Zeit hoch im Kurs stand, fehlt es heute nicht selten am nötigen technischen Wissen, um die Grenzen der farbigen Welt auszuloten und richtig zu bewerten. Der Mangel an Kenntnissen um die physikalisch bedingten Besonderheiten solcher Töne bereitet zunehmend Probleme. Hierzu gehört vor allem fehlendes Wissen um das Deckvermögen intensiver Farbtöne und den so genannten Schreibeffekt auf farbigen Flächen.
Deckvermögen
Das Deckvermögen, früher auch Deckkraft oder Deckfähigkeit genannt, bezeichnet die Fähigkeit eines Beschichtungsstoffs, die Farbe oder Farbunterschiede eines Untergrunds zu verdecken. Dies wird durch Pigmente erreicht und kann durch eine Kombination mit entsprechenden Füllstoffen erhöht werden.
Füllstoffe weisen grundsätzlich ein schlechteres Deckvermögen als Pigmente auf. Sie helfen allerdings, die Schichtdicke zu erhöhen. Füllstoffe besitzen eine Eigenfarbigkeit, die Farbtöne beeinflussen können. Deshalb werden sie bei intensivfarbigen Tönen nur begrenzt eingesetzt.
Das Deckvermögen hängt daher vor allem von den verwendeten Pigmenten, dem Farbton und der möglichen Schichtdicke des Anstrichs ab. Dabei zeigen weiße oder pastellige Farbtöne in der Regel ein hohes Deckvermögen. Pastellige Farbtöne werden aus einem weißen Basismaterial hergestellt. Dieses enthält neben einem hoch deckenden Weißpigment (Titandioxid) einen hohen Füllstoffanteil. So ergibt sich eine hohe Schichtdicke, die das Deckvermögen zusätzlich verbessert.
Für stark farbige Bautenfarben gibt es zahlreiche Pigmente. Sie bilden die wichtigste Komponente für das Deckvermögen und unterteilen sich in anorganische und organische Pigmente. Anorganische Pigmente werden heute weitestgehend aus Eisenoxid hergestellt. Sie besitzen ein gutes Deckvermögen und eine gute Lichtbeständigkeit, haben dabei jedoch keine sehr brillante Farbgebung. Statt dessen wirken sie eher erdfarben. Organische Pigmente werden synthetisch erzeugt. Sie sind feinteiliger und brillanter als anorganische, weisen aber häufig ein schlechteres Deckvermögen und eine weniger gute Lichtbeständigkeit als anorganische Pigmente auf.
Die heutige Farbwelt ist meist nur mit sehr brillanten Pigmenten zu realisieren. Daher werden organische Pigmente benötigt. Außerdem muss die Lichtbeständigkeit im Außenbereich durch das Bindemittel der Farbe (z.B. Reinacrylat) erreicht werden. Somit ist die maximale Pigmentzugabe begrenzt – mit dem Effekt eines schlechteren Deckvermögens.
Praxis-Tipp
Da auf Grund der physikalischen Gegebenheiten bei intensiven, brillantfarbigen Beschichtungen mit einem schlechteren Deckvermögen zu rechnen ist, schimmern Kontraste im Untergrund häufig auch nach mehreren Farbaufträgen durch. Die Beschichtung deckt deshalb häufig erst bei hoher Schichtdicke, die die Folge einer Vielzahl von Anstrichen ist. Mehrere Arbeitsgänge bedeuten jedoch höhere Kosten. In der Vergangenheit lösten die Verarbeiter dieses Problem durch einen deckenden, pastelligen Voranstrich, der in Richtung des gewünschten Farbtons lag. Danach reichte ein ein- bis zweimaliger Auftrag im Wunschfarbton.
Diese Vorgehensweise ist auch jetzt anzuraten. Heute werden die Farbtöne häufig über Mischanlagen hergestellt, wobei verschiedene Basismaterialien Verwendung finden. Die Basis für pastellige Farbtöne entspricht dabei nahezu einem Weißprodukt, jene für intensive Farbtöne ist dagegen transparent. So kann der Verarbeiter zum Vorstreichen unter intensiven Farbtönen den kräftigsten Ton im pastelligen Bereich wählen. Außerdem kann auch ein Voranstrich aus farbigem Beschichtungsmaterial unter Hinzugabe von Weißware (fünf bis zehn Prozent) dabei helfen, die gewünschte Deckfähigkeit zu erreichen.
Bindemittelreiche Latexbeschichtungen, gerade im glänzenden Bereich, können nur mit einer geringen Menge an Pigmenten oder Füllstoffen versetzt werden, um den Glanzgrad nicht zu beeinflussen. Daher weisen diese Produkte ein etwas schlechteres Deckvermögen als matte Werkstoffe auf. Durch den hohen Bindemittelanteil lassen sich diese Farben sehr gut verstreichen, womit zugleich eine geringere Schichtdicke einhergeht. Deshalb ist es ratsam, als Grundanstrich eine fein quarzgefüllte Grundierfarbe (z.B. einen Haftgrund) zu applizieren. Durch den griffigen Untergrund bleibt deutlich mehr Material liegen. Das Deckvermögen wird wesentlich verbessert. Der Haftgrund kann dabei auch in pastelligen Farbtönen verarbeitet werden.
Der „Schreibeffekt“
Neben dem Deckvermögen ist gerade im Innenbereich ein anderes Phänomen an matten, stark farbigen Flächen zu beobachten. Streift man z.B. mit einer Tasche oder einem anderen Gegenstand versehentlich über die Wandfläche, entsteht dort hellerer Abrieb, der häufig im Streiflicht glänzt. Der Grund: Jede deckende Farbe enthält bekanntlich neben Pigmenten Füllstoffe. Diese werden bei farbigen Beschichtungen von Pigmenten überlagert. Bei glänzenden Anstrichen werden die Pigmente durch das Bindemittel umhüllt, bei matten liegen sie dagegen an der Oberfläche frei. Bei Berührung oder Reibung matter Oberflächen werden die Pigmente so zu sagen zur Seite geschoben – die hellen Füllstoffe treten zu Tage.
Um diesen „Schreibeffekt“ zu vermeiden, empfiehlt es sich, bei intensiven Farbtönen von vornherein eine glänzendere Beschichtung zu wählen. Bereits bei seidenglänzenden Beschichtungen im Innenbereich treten die nachteiligen Folgen nicht mehr auf. Wünschen Kunden dennoch matte Beschichtungen, so sollten sie im Vorfeld über den negativen Schreibeffekt aufgeklärt werden.
Bekannte Phänomene
Viele physikalische Phänomene, mit denen sich der Handwerker zu beschäftigen hat, sind bei genauerem Hinsehen gar nicht neu. Nur ist das Wissen hierüber häufig verloren gegangen. Dies gilt auch für die Eigenschaften kräftiger Trendfarbtöne. Jene Kenntnisse bereit zu halten und weiter zu vermitteln, stellt deshalb eine wichtige Aufgabe dar. Nur so können Kunden richtig informiert und vor falschen Erwartungen bewahrt werden.

Praxis-Tipps
Um beim Umgang mit intensiven Farbtönen zufriedenstellende Ergebnisse erzielen zu können, sollten folgende Punkte beachtet werden:
  • Unter intensiven Farbtönen sollte ein pastelliger Voranstrich, der in Richtung des gewünschten Farbtons liegt, ausgeführt werden.
  • Unter bindemittelreichen (Latex-) Beschichtungen empfiehlt sich ein Voranstrich mit einer fein quarzgefüllten Grundierfarbe (z.B. Haftgrund). Dadurch lässt sich die Schichtdicke der Beschichtung und damit das Deckvermögen erhöhen.
  • Matte Innenbeschichtungen in intensiven Farbtönen neigen zum „Schreibeffekt“, da die Pigmente an der Oberfläche frei liegen und beim Vorbeistreifen zur Seite geschoben werden. Bei intensiven Farbtönen sollten daher mindestens seidenglänzende Beschichtungen eingesetzt werden.
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