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Rechtzeitig Alternativen suchen

Technik
Rechtzeitig Alternativen suchen

Ab 1. Januar 2007 dürfen nur noch Produkte in den Verkehr gebracht werden, die die vorgegebenen Lösemittel-Grenzwerte nicht überschreiten. Heinrich Bartholemy, Leiter der Technischen Informationsstelle des Maler- und Lackiererhandwerks, beantwortete dem Malerblatt Fragen zur neuen VOC-Richtlinie.

Herr Bartholemy, am 1. Januar 2007 tritt die erste Stufe der VOC-Richtlinie in Kraft. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für das Malerhandwerk?

Ab diesem Zeitpunkt dürfen nur noch Bautenfarben und Bautenlacke sowie Produkte für die Kfz-Reparaturlackierung in den Verkehr gebracht werden, die in der ChemVOCFarb-Verordnung festgelegte VOC-Limits nicht überschreiten. Hersteller dürfen also ab dem Stichtag nur noch verordnungskonforme Produkte für die Verwender im Maler- und Lackiererhandwerk produzieren. Die bis dahin produzierten nicht konformen Produkte dürfen nur noch in einer Übergangszeit von 12 Monaten gehandelt werden.
Schon zum Stichtag, spätestens aber mit Ablauf der Übergangszeit (betrifft nur die Lager-Restbestände), werden Maler und Fahrzeuglackierer bestimmte bewährte Produkte, auf deren Verarbeitung sie sich eingestellt haben, nicht mehr kaufen können. Außerdem werden sie feststellen, dass sich bekannte Produkte auf Grund von Rezepturänderungen bei der Verarbeitung und/oder ihrem Gebrauch anders verhalten.
Werden jetzt einige Produkte vom Markt verschwinden oder wird das „Ausdünnen“ erst mit Einführung der zweiten Stufe 2010 geschehen?
Schon mit Inkrafttreten der ersten Stufe am 1.1.2007 werden viele Produkte betroffen sein, weil sie die VOC-Limits nicht erfüllen. 2010 erwarte ich, dass ebenso viele Produkte wie bei der ersten Stufe zurückgezogen oder verändert werden.
Welche Produkte werden 2007 bzw. 2010 der Richtlinie zum Opfer fallen?
2007 sind die meisten Veränderungen bei den „klassischen“ Alkydharzlacken und den lösemittelverdünnbaren filmbildenden Lasuren (auch Dick- und Mittelschichtlasuren) zu erwarten. 2010 werden wieder die lösemittelverdünnbaren Alkydharzlacke und Lasuren betroffen sein, weil deren Lösemittelgehalt weiter um 100 g/l gesenkt werden muss. Das betrifft dann auch bestimmte Grundbeschichtungsstoffe und lösemittelverdünnbare 1K-Speziallacke. Für lösemittelverdünnbare Innenwand- und Fassadenfarben sowie lösemittelverdünnbare Multicolorbeschichtungsstoffe dürfte zum Jahresende 2009 die letzte Stunde geschlagen haben, da nach heutiger Erkenntnis die dafür geltenden niedrigen VOC-Limits niemals erreichbar sein werden.
Wie sehen Produkte künftig aus?
Zunächst sind es die wasserverdünnbaren Dispersionsfarben und Dispersionslackfarben, die schon jetzt überwiegend die Limits erfüllen. Bei den lösemittelverdünnbaren Produkten, die vor allem aus verarbeitungstechnischen Gründen (niedrige Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeiten) auch künftig unverzichtbar sein werden, geht zwangsläufig alles in Richtung High Solid.
Sind Einbußen hinsichtlich der Qualität oder Verarbeitung zu befürchten?
Da bin ich ganz sicher. Einerseits müssen wir davon ausgehen, dass heutige Beschichtungsstoffe oft eine über Jahrzehnte andauernde Optimierung erfahren haben. Zusätzlich wirkt sich jede Veränderung der Bestandteile auf die Verarbeitung und/oder die Eigenschaften der fertigen Beschichtung aus. Auch einem Koch gelingt es nur ausnahmsweise, mit geänderten Zutaten dieselbe Speise ohne geringste Änderung des Geschmacks zu „zaubern“.
Wie sollte der Maler bei seinen Kunden mit dieser Tatsache umgehen?
Der Maler wird in der Beratung viel häufiger als bisher die „Lackier- oder Lackqualität“ thematisieren und verbleibende Optionen sowie Grenzen aufzeigen müssen. Dies vor allem dann, wenn eine gewohnte Qualität mit einem neuen Produkt nicht erreicht werden kann, ein anderes Applikationsverfahren oder ein Produkt mit anderer Bindemitteltechnologie gewählt werden muss. Generell ist die nach den Regeln der Technik vertraglich geschuldete Ausführung an die verfügbaren Beschichtungsstoffe gebunden und sie wird gegebenenfalls neu zu bestimmen sein.
Welche Auswirkungen haben die neuen Produkte auf die Werkzeugauswahl und die Verarbeitungstechnik?
Viele neue Produkte verlangen auf ihr Fließ- und Scherverhalten genau abgestimmte Applikationswerkzeuge. Beispielsweise werden bei der Pinsel- und Rollenapplikation wasserverdünnbarer Lacke zunehmend Kunststoffborsten und kurzflorige Lackierroller zum Einsatz kommen. Allgemein, auch bei den Lösemittel-High Solids wird dicker aufgetragen.
Bei der Sprühapplikation ist eine Renaissance der Spritzsysteme mit Materialerwärmung vorstellbar. Die Reinigung der Spritzwerkzeuge erfordert bei dem Umstieg auf wasserverdünnbare Lacke zusätzliche Reinigungssysteme, die zwar weniger VOC-Emissionen verursachen, dafür jedoch Belastungen des Wasserpfads und mikrobiologische Probleme (Geruch!) mit sich bringen.
Was empfehlen Sie dem Maler, damit die Umstellung in der Praxis reibungslos über die Bühne geht – auch schon in Hinblick auf 2010?
Man muss raten, die neuen Produkte so früh wie möglich auf Veränderungen zu prüfen und ihre Verarbeitung zu üben. Trainings der handwerklich tätigen Mitarbeiter helfen, Fehlschläge zu vermeiden und die Zeit der Umgewöhnung zu verkürzen. Alterungsverhalten und Veränderungen der mit den neuen Produkten hergestellten Beschichtungen sind genau zu beobachten, da diese Erfahrungen neu erarbeitet werden müssen. Für künftig voraussichtlich nicht mehr verfügbare Produkte sind Alternativen zu suchen.
Kann in der Instandhaltung keine beschichtungstechnische Lösung mehr angeboten werden, kommt es gegebenenfalls zur Bauteilerneuerung. Ökologisch betrachtet ist das meist die schlechtere Wahl und der Maler kann an dieser Bauleistung nicht mehr partizipieren, wenn er sie nicht selbst ausführt.
Herr Bartholemy, herzlichen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Susanne Sachsenmaier- Wahl.
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