Startseite » Gestaltung » Farbe & Inspiration »

Cocktails im Sakralbau

Farbe & Inspiration
Cocktails im Sakralbau

Die so genannte Profanisierung, also die Umwidmung sakraler Bauten zu weltlichen Zwecken, ist zwar kein neues Phänomen, sorgt aber immer wieder für Aufsehen. Etwa dann, wenn eine Kirche zum Restaurant wird. So geschehen mit der Bielefelder Martini-Kirche.

Randolf Jandt, SigmaKalon

Nicht selten müssen heute Gotteshäuser wegen zu hoher Unterhaltskosten aufgegeben werden, ersten Kirchen droht sogar der Abriss. Da ist es erfreulich, dass sich in Bielefeld eine Umnutzung ergeben hat, die die Kirche als Ort der Begegnung erhält, wenn auch unter anderen Vorzeichen.
Kurzer Exkurs in die Geschichte
Ende des 19. Jahrhunderts wurden in der neugotischen Martini-Kirche die ersten Gottesdienste abgehalten – die Kirche bestand damals nur aus einem Mittelschiff und der Sakristei. Das südliche Seitenschiff und der Glockenturm kamen erst später, am Anfang des 20. Jahrhunderts dazu. In den 1950er Jahren dann wurde das Seitenschiff nach Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg erneuert.
Den massiven Backsteinbau mit gotischen Stilelementen an Fenstern und Stützpfeilern bedeckt ein als Holzsprengwerk konstruiertes Satteldach – wobei das Mittelschiff mit einer zusätzlichen, brettverkleideten Holzkonstruktion in der Höhe begrenzt wird. Den Chorraum hingegen schließt eine gemauerte Kreuzgewölbedecke ab.
In den Jahren 1975 bis 2002 nutzt die griechisch-orthodoxe Gemeinde das Bauwerk, wobei das Interieur wesentlich verändert wird. Und in den 80er Jahren muss der vormals 43 Meter hohe Turm aus statischen Gründen bis auf 18 Meter zurückgebaut werden.
Etwas über hundert Jahre nach der Einweihung des Gotteshauses findet man im ehemaligen Kirchenraum das Restaurant „GlückundSeligkeit“.
Die Pacht übrigens geht an den evangelischen Kirchenkreis und an die örtliche Gemeinde, was die lokale seelsorgerische Arbeit absichert. Ein interessantes Modell also.
Rückbau und Erneuerung
Rund zwei Millionen Euro hat der Bielefelder Gastronom Fiolka in den neun Monate währenden Umbau der Kirche investiert, wobei strikt auf den Erhalt der ursprünglichen Atmosphäre geachtet und Rückbaumaßnahmen vorgenommen wurden. So erinnern bunte Fenster mit Bibelmotiven an die originäre Bedeutung des Gebäudes. Der bis zu 17 Meter hohe Innenraum ist heute in vier Gastronomiebereiche unterteilt. Im Haupt- und Seitenschiff bietet das erdgeschossige Restaurant 213 Sitzplätze an sowie eine 15 Meter lange Bar. Auf der zweiten Ebene des Seitenschiffes wurde ein zweiter, tagungsähnlicher Restaurantbereich für 60 Gäste geschaffen, auf der Orgelempore entstand eine edle Clublounge für 45 Personen mit Blick in das Kirchenschiff..
Licht- und Farbeffekte
Viel natürliches Licht verleiht dem renovierten Kirchenraum ein besonderes Flair. Die erhaltenen großen Kirchenfenster wurden um ein neues, blaues Rundfenster an der Ostseite ergänzt. Behutsam installierte, künstliche Lichtquellen betonen mit Farbeffekten das profilierte Mauerwerk der Wände, die selbst einen zarten Grauanstrich tragen. Mit zusätzlichen Rot- und Goldtönen setzte man an einigen Stellen besonders effektvolle Akzente. Zuvor jedoch galt es, zahlreiche Wasser- und Putzschäden zu beseitigen, die sandgestrahlten und grundierten Wände erhielten vor der Endbeschichtung eine markante Struktur per aufgebürstetem Streichfüller. Die gleiche Vorbehandlung erfuhren die Wandflächen der Treppenaufgänge – allerdings folgte dem Dispersionsanstrich im Ton des Untergrundes eine weitere, metallisierende Beschichtung. Das Material, ein vielseitiger polychromer Beschichtungsstoff, wurde im Spritzverfahren verarbeitet. Übrigens auch in den neu eingerichteten Toilettenbereichen, die zuvor einen wässrigen Haftgrund und eine Glattspachtelung mit Glättputz erhielten.
Nach der Umwidmung der neugotischen Martini-Kirche entfaltet sich in dem einstigen Sakralbau ein einzigartiges Flair aus Alt und Neu. Bewusst belassen hat man die stilbildende historische Holzdecke des Kirchenschiffs, das Erd- und Obergeschoss des Seitenschiffs wurden zum Hauptschiff hin geöffnet. Die hölzerne Orgelempore ersetzte man durch einen Stahlbetonbau. Der Gastronomiebetrieb will ein Ort der Lebensfreude für alle Altersgruppen sein, das soll auch der Name „GlückundSeligkeit“ signalisieren.

INTERNET
Mehr Eindrücke des ungewöhnlichen Baus und detaillierte Hinweise auf die verwendeten Materialien finden Sie auf unserer Website www.malerblatt.de

Bauherr:
Living Event GmbH, Bielefeld
Architektur Umbau:
Brunsarchitekten, Bielefeld
Ausführung:
Malerbetrieb Bethel, Bielefeld
Standort:
Die ehemalige Martini-Kirche steht in der Bielefelder Artur-Ladebeck-Str. 57, das Restaurant GlückundSeligkeit ist täglich ab 9 Uhr geöffnet, an Sonn- und Feiertagen ab 10 Uhr.
Produkt des Monats
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 4
Ausgabe
4.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de