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Goldene Zeiten

Farbe & Inspiration
Goldene Zeiten

Es schimmert. Es leuchtet erhaben. Und es irritiert. Gold an Fassaden zeitgenössischer Bauten ist mehr als ungewöhnlich und taucht doch vermehrt auf. Ein Rückfall in feudale Zeiten? Mitnichten.

Andrea Grunau

Natürlich ist es kein echtes Gold, das da strahlt, sondern goldfarbenes Eloxal auf industriell produzierten Metallpaneelen. Und damit wären wir schon beim ersten, grundlegenden Unterschied zu goldglänzenden Kuppeln oder zum goldenen Zierrat des Barock. Der nächste: Die goldene Fassade von heute ist nicht Ausdruck von Luxus oder Reichtum, sondern dient der Abgrenzung vom Mainstream. Denn mit Gold kann man die stärkste Wirkung erzielen – obwohl die Anwendung meist hitzige Diskussionen über den Sinn und Zweck begleiten. Allein deswegen ist die Entscheidung zur Farbe Gold spannend. Aber – und da sind sich die Architekten einig – es geht immer um Angemessenheit.
Goldglänzende Haut
Das schwierige Unterfangen, einen modernen Neubau in den denkmalgeschützten Teil der Grazer Altstadt zu integrieren, haben die ortsansässigen Architekten von Innocad mit Bravour gelöst. Dort bauten sie sich ihren eigenen Firmensitz, bezeichnenderweise mit dem Titel „Golden Nugget“. Die vier Grazer entwarfen nicht nur gebaute Corporate Identity, sondern auch ein Wohnhaus, das sich glanzvoll in seiner Umgebung aus ockerfarbenen Gründerzeitbauten präsentiert und gleichzeitig die Straßenfront zu einem homogenen Ganzen schließt. Es sieht fast so aus, als ob das Haus in eine zweite Haut geschlüpft ist. Sieben goldene Quadrate bilden den kreativen Bausatz des Firmenlogos und finden sich in den Formen der Fenster an der Fassade wieder. Das Büro von Innocad liegt im Erdgeschoss: Goldgestrichene Stehpulte, bedruckte Wandelemente und Vorhänge im Wechsel mit goldenen Deckenflächen und rauem Sichtbeton unterstreichen die Unternehmenspräsenz und den kommunikativen Charakter zur Straße. Hier soll keine Opulenz dargestellt werden, wie Professor Markus Schlegel von der HAWK Hildesheim bereits 2006 zum Goldtrend im Innenraum bemerkte, sondern auf eine angemessene Art und Weise die Corporate Identity fortgeführt werden.
Studenten im Goldrausch
Was bedeutet es, wenn sich ein Hochschulgebäude in Gold präsentiert? Es ist der Reichtum an Ideen und Kreativität, den das neue Institut für Kunst und Design in Halle nach außen präsentiert. Anderhalten Architekten gaben der Erweiterung des ehemaligen DDR-Gebäudes aus den fünfziger Jahren ein Goldgewand, das im bewussten Kontrast zu dem frisch gekrönten, grau verputzten Altbau steht und einen noch größeren zur angrenzenden Bankiersvilla von 1909 bildet, die ebenfalls zum Hochschul-Ensemble Burg Giebichenstein gehört – und das das „Bizarre“ zum Stilprinzip erhoben hat. Die schimmernde Fassade der Erweiterung erinnert an ein Relief: die goldfarbenen, um bis zu sieben Zentimeter verspringenden Aluminiumelemente vermitteln im Zusammenspiel mit Licht und Schatten immer wieder neue Eindrücke.
Sonne, Mond und Sterne
Im modernen Sprachgebrauch wird der Begriff „Goldenes Zeitalter“ oft im Sinne einer Glanzzeit nur eines einzelnen Phänomens verwendet. Gemeint ist, dass die betreffende Erscheinung ihre Vollendung oder ihre stärkste Wirkung erreichte. Anlass für den Bau des Besucherzentrums „Arche Nebra“ der Züricher Architekten Holzer Kobler ist die mehr als 3000 Jahre alte Himmelsscheibe, auf der Sonne, Mond und Sterne dargestellt sind. Sie gilt als die weltweit älteste konkrete Himmelsdarstellung aus der Bronzezeit. Am Fuße des Mittelberges in Wangen bei Nebra werden vorgeschichtliche Darstellungen des Kosmos sowie archäologische Funde ausgestellt. Das voluminöse Ausstellungsgebäude ist eine Referenz an die goldene Sonnenbarke, einem Element auf der Himmelsscheibe. Der schwarze Sockel mit darüber liegender Glasfuge trägt den 60 Meter langen und 15 Meter breiten goldglänzenden Kubus scheinbar schwebend gen Himmel. Stolz präsentiert er die wertvolle Fracht und richtet seinen Blick in die Ferne. Der Besucher kann den Aussichtsturm als Fundort der Scheibe durch ein großes Panoramafenster betrachten und vielleicht fühlt er sich auch an einen himmlischen Ort versetzt.
Goldene Skulptur
Sogar Ästhetik-Professoren preisen den Hang zum Gold, weil er – ganz im ökologischen Sinne – Langlebigkeit bedeutet. Trotzdem gibt es gebaute Projekte, die nur für kurze Zeit im Glanz ihrer Pracht erstrahlen und dann in ihrer unmittelbaren Nutzung ausgedient haben. Der temporäre Informationspavillon „switch+“ der Architektengruppe modulorbeat war Teil der internationalen Kunstausstellung „Skulptur Projekte Münster 07“. Auf einem freien und bisher ungenutzten Platz zwischen dem Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte und dem Projektbüro der Ausstellung entwarfen die Münsteraner einen zwölf Meter hohen, aus zwei Quadern zusammengesetzten Bau, der allseitig mit einer goldschimmernden Metallhaut verkleidet war. Dessen Oberfläche nahm zunächst die Farbe des vom Künstler Martin Schmidl gestalteten Schriftzugs am gegenüberliegenden Gebäude des Ausstellungsbüros auf. Und reagierte dann mit Farbe, Materialität und den runden Perforationen auf das Relief der Lichtinstallation „Silberne Frequenz“ an der gegenüberliegenden Museumsfassade. Das hatte der Künstler Otto Piene in den 70er-Jahren gestaltet. Hinterfragt man den Namen „switch+“, erklärt sich die Funktion des Pavillons wie von selbst. Der zur Straßenseite gewandte untere Teil der Fassadenhälfte ruht auf Gleitrollen und konnte so verschoben werden, dass sich die beiseitigen Eingänge schlossen oder öffneten. Die dabei entstandenen unterschiedlichen „Weichenstellungen“ dienten den Passanten als Wegeempfehlungen. Nach dem Rückbau wurde das Bauwerk vom Hersteller der Fassade vollständig recycelt. Geblieben sind ein paar goldene Erinnerungsplättchen.

kompakt
Golden Nugget, Graz
Bauherr: 99 Plus Projektentwicklung und Bauträger GmbH, Graz
Architekten: Innocad Planung und Projektmanagement GmbH, Graz
Standort: Grazbachgasse 65 a, Graz
Institut für Kunst und Design, Halle
Bauherr: Landesbetrieb Bau Sachsen-Anhalt, Niederlassung Süd, Halle/Saale
Architekt: Anderhalten Architekten, Berlin
Standort: Campus Design, Neuwerk 7, Halle
Arche Nebra Besucherzentrum, Wangen/Sachsen-Anhalt
Bauherr: Kreisverwaltung des Burgenlandkreises, Naumburg/Saale
Architekt: Holzer Kobler Architekten, Zürich
Standort: An der Steinklöbe 16, Wangen
switch+
Bauherr: Skulptur Projekte Münster 2007
Architekten: Modulorbeat, Münster
Ehemaliger Standort: An der Rothenburg 30
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