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Humboldt Forum mit rekonstruierter Fassade

Humboldt Forum
Barocke Schale, moderner Kern

Im Dezember 2020 wurde das wiederaufgebaute Berliner Stadtschloss eröffnet. Als Humboldt Forum genutzt, beherbergt es moderne Ausstellungsräume hinter präzise rekonstruierten, barocken Fassaden. Wie man die historische Farbgebung eines Bauwerks ermittelte, dessen letzte Reste vor 70 Jahren gesprengt wurden, lesen Sie hier.

Autor: Christian Schönwetter | Fotos: Keimfarben/Stephan Falk

Die Rekonstruktion der Gebäudehülle des heutigen Humboldt Forum bezieht sich auf den Zustand vor dem Zweiten Weltkrieg. Im Wesentlichen zeigte das Schloss damals die Fassaden, die nach Entwürfen des Baumeisters Andreas Schlüter entstanden waren. Ab 1699 hatte er aus dem Renaissanceschloss eine prunkvolle Barockresidenz nach italienischen Vorbildern geschaffen. Die Außenwände des jetzigen Wiederaufbaus kommen mit einem beachtlichen Querschnitt von mehr als einem Meter daher. Auf eine tragende Betonwand im Inneren (30 – 50 cm) folgt eine Dämmschicht (12 cm) und darauf wiederum die rekonstruierte Fassadenschicht (64 cm). Sie setzt sich hauptsächlich aus Ziegeln und plastischen Steinmetzteilen aus Sandstein zusammen. Den äußeren Abschluss der Ziegelflächen bildet ein Kalk-Zementputz (zwei Zentimeter). Insgesamt haben Handwerker 22.000 Sandstein-Werkstücke angefertigt, 2.828 figürliche Darstellungen und 513 Fenster nach historischem Vorbild. Der verwendete Sandstein stammt aus diversen Steinbrüchen in Sachsen und Schlesien.

Suche nach dem richtigen Farbton

Originale Bausubstanz war ebenso wenig vorhanden wie die originalen Bauunterlagen. Welche Quellen sollte man also stattdessen befragen? Als frühe bildliche Darstellungen kamen Radierungen in Frage, die Johann David Schleuen um 1750 erstellt hatte, allerdings sind sie nicht koloriert. Erst auf Gemälden des Biedermeier-Künstlers Eduard Gärtner von Anfang des 19. Jahrhunderts finden sich farbliche Darstellungen, die ein gelbliches Schloss zeigen, doch zu dieser Zeit war das Bauwerk schon über 100 Jahre alt. Auch eine vergleichende Rekonstruktion gestaltete sich schwierig: Die Fassaden des Rokoko-Schlosses Sanssouci in Potsdam beispielsweise präsentieren sich gelb, während etwa das barocke Zeughaus gegenüber des Berliner Schlosses einen rosafarbenen Anstrich trägt. Schließlich fand sich doch noch ein erhaltener Putzrest, der im Schloss Charlottenburg gelagert worden war. Dieses originale, ungefähr handtellergroße Fundstück zeigt einen quitteähnlichen Gelbton und konnte mit einem restauratorischen Gutachten auf 1820 datiert werden. Nach heutigem Wissensstand ist dies die früheste gesicherte Farbfassung, sodass man sich für diesen Ton entschied. Außerdem harmoniert er mit dem Sandstein von Säulen, Gesimsen, Fenstergewänden und Balustraden.

Humboldt Forum: Dem Original verpflichtet

Beim Anstrich wurde viel getan, um eine Anmutung zu erreichen, die einem historischen Erscheinungsbild möglichst nahekommt. Statt der heute gängigen Dispersionsfarben setzte man auf mineralische Produkte. Auf den Kalk-Zementputz wurde zunächst Soldalit als Grundton aufgetragen. Damit diese Schicht nicht zu deckend, sondern leicht wolkig wirkt, verdünnten die Maler die Farbe zu 50 Prozent mit Soldalit-Fixativ. Um zugleich eine Tiefenwirkung zu erzielen, wurde anschließend in zwei Arbeitsgängen die Restauro-Lasur, ebenfalls verdünnt, aufgetragen – wie früher mit der Bürste, so dass man den Fassaden den handwerklichen Entstehungsprozess ansieht. Auf vorspringenden Putzflächen kam dabei ein etwas anderer Gelbton zum Einsatz als auf den rückspringenden Flächen. Diese feine Differenzierung betont die Plastizität der Fassaden.

Entdeckung im Untergeschoss

Vor Baubeginn fanden archäologische Grabungen auf dem Grundstück des ehemaligen Schlosses statt. Dabei kamen Reste des Kellers und der Katakomben zu Tage, aber auch Reste eines alten Klosters, das dort einmal gestanden hatte. Die Mauerteile wurden gesichert, restauriert und mit einer Betondecke überspannt. Heute können Besucher dort tief in die Vergangenheit eintauchen und eine gesonderte Ausstellung über die Geschichte des Orts besichtigen. Die Decke erhielt einen schwarzgrauen Anstrich mit Optil, der sich unauffällig zurücknimmt und den Originalbauteilen und Exponaten den gestalterischen Vortritt überlässt.


PraxisPlus

Verwendete Produkte

  • Soldalit
  • Soldalit-Fixativ
  • Restauro-Lasur
  • Restauro-Fixativ
  • Optil

www.keim.com

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