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Lektionen in Farbe

Farbe & Inspiration
Lektionen in Farbe

Leuchtendes Rot, pralles Blau oder intensives Grün: Heute präsentieren sich Schulen nicht mehr grau und langweilig, sondern licht, frisch und heiter.

Andrea Eschbach

Die Zukunft beginnt heute. Und zwar mit der Bildung des Nachwuchses. Aber moderne Bildung braucht nicht nur innovative Konzepte, sondern auch das passende Umfeld – in Farbe. Die sollte natürlich nicht bloße Dekoration sein, sondern den Bau begleiten, ihn akzentuieren, die Anforderungen der Nutzer unterstützen, auf die Sinne wirken und motivieren. Wie das aussehen kann, zeigen drei Beispiele aus der Schweiz.
Kurz vor der deutschen Grenze, in Basel-Riehen, steht im Wohnquartier „Hinter Gärten“ ein rot leuchtendes Gebäude. Das Schulhaus des Architekturbüros Daniele Marques verbindet Gebäude und Farben zu einem stimmigen Ganzen. Die 2006 gebaute Primarschule „Hinter Gärten“ passt sich mit den drei Geschossen für die Klassenräume und dem angeschlossenen niedrigen Bauteil der beiden Turnhallen in die Wohnumgebung ein. Die Schule reagiert auf ihre Umgebung, denn in Basel sieht man im Stadtbild häufig roten Sandstein und gebrannten Ziegel. Im Waldstück oberhalb der Schule, wo die Kinder häufig spielen, findet man ebenfalls roten Lehm. Diese Farben nimmt der grobe, kräftig rote Kellenputz der Außenfassade wieder auf. „Wenn die rote Erde nass wird, färbt sie auf die Kleider der spielenden Kinder ab. Sie sehen dann ein bisschen aus wie ihr Schulhaus“, sagt Jörg Niederberger.
Der Künstler aus dem schweizerischen Niederrickenbach war verantwortlich für das Farbkonzept der Schule. Er lässt Farbe und Architektur „ineinander verschlaufen“. Das Ergebnis ist beeindruckend: Die Längsseiten der Turnhalle und die Stirnseiten des Schulhauses sind in Ziegelrot gehalten, die Längsseiten des Klassentrakts und die Querseiten der Turnhallen leuchten in warmem Orangerot. An den Kanten treffen sich die Farben. Im Inneren geht es farbenfroh weiter: Die Treppenhäuser sind intensiv grün, die Korridore tiefblau, die gelben Klassenzimmer werfen durch Oberlichter bunte Schatten in die Korridore. Je nach Tageszeit und Lichtverhältnissen zeichnen sich die Farben der Innenräume durch die Fenster ab. Die größte Überraschung sind jedoch die Klassenzimmer selbst: Denn nicht nur Wände und Böden der Zimmer strahlen leuchtend gelb, sondern auch Möbel, Leuchten und selbst die Waschbecken – als wäre gerade ein Sprinkler losgegangen und hätte alles mit Farbe überzogen. „Mit meinen Konzeptionen versuche ich, Heiterkeit zu erzielen, eine lichte und frohe Stimmung“, sagt Niederberger. „Ich wünsche mir, dass die Schüler gern in ihr Schulhaus gehen – vor allem auch in der trüberen Jahreszeit“.
Wie diese Farbenpracht wohl altern wird? Jörg Niederberger gibt zu bedenken, dass man diese Frage bei Beige und sonstigen Schmutzfarben nicht stellen würde: „Dort würde man keine Verunreinigungen befürchten“. Für die Aussenfassade erwartet er eine „frische Patina“. Leider wurde aus Kostengründen der Putz nicht vollständig durchgefärbt, schon bald zierten erste weiße Abnutzungserscheinungen die Mauern.
Zwei Erweiterungen
Während das Schulhaus in Riehen eine Art Farbkaleidoskop darstellt, sieht es in Zürich Hardau anders aus. Das Quartier ist geprägt von hoher Verkehrsbelastung und Wohndichte sowie raren Grünflächen. Seit einigen Jahren arbeitet man an der Aufwertung des Quartiers; die Erweiterung des Primarschulhauses und der benachbarten Berufswahlschule BWS Hardau ist ein Teil davon. Die von Otto Glaus 1963/64 gebaute Berufswahlschule steht mit ihrer an Le Corbusier orientierten Architektur unter Denkmalschutz. Den niedrigen, um verschiedene Höfe gruppierten Sichtbetonbau ergänzte das Züricher Architekturbüro EM2N durch einen langgestreckten Riegel aus Sichtbeton. Das Obergeschoss teilt sich in fünf Klassenzimmer mit Gruppenraum und einen multifunktionalen Korridor. Das gelblichgrüne Glas der Klassentüren setzt einen kräftigen Farbakzent im sonst zurückhaltenden Bauwerk. Auch Toiletten und Garderoben stehen als höhlenartige Räume mit blau gestrichenem Glasfaserbelag in starkem Kontrast zu den lichten Schulräumen.
Der Erweiterungsbau der Primarschule setzt auf eine markantere Farbgebung. Er erweitert das bestehende Schulhaus um drei Klassenzimmer, Gruppenräume, Leseinsel, drei Kindergärten und drei Tageshorte. Wie die Berufswahlschule wird auch hier der Innenausbau durch einfache und robuste Materialien geprägt. Hartbetonböden und Sichtbeton im Korridorbereich kontrastieren mit den warmen Oberflächen der Schulzimmer. Die schlichten Klassenräume sind weiß gestrichen, graues Linoleum bedeckt den Boden. Für das Farbkonzept wurde auch hier mit Monika Kiss Horvarth eine Künstlerin beigezogen.
In Anlehnung an die Blautöne der bestehenden Primarschule beschlossen Farbberaterin und Architekten nach Versuchen mit unterschiedlichsten, teils recht bunten Farbkombinationen, die Erweiterung mit den Umfassungsmauern in einem intensiven Blau zu gestalten. Um die Geste des zusammenbindenden Farbbandes um die beiden Schulgebäude zu stärken, sind die Querwände in einem hellen Blau gestrichen worden. Der Haupteingang, die Kindergarteneingänge und die drei Lichthöfe wurden – in Komplementärkontrast zum Blau des Baus – mit einem kräftigen Orange markiert. Das Farbkonzept wurde auf sämtliche Bauteile angewendet: Selbst Fensterrahmen und Fensterbänke wurden in der Farbe der verputzten Fassade gestaltet.
Industriebau wird Schule
Im Juli 2007 bezogen die Beratungsdienste für Ausbildung und Beruf Aargau und die Kantonale Schule für Berufsbildung ein ehemaliges BBC-Werkshaus am Stadtrand von Baden. Das Farb- und Gestaltungskonzept für den Umbau des Berufsbildungszentrums Schmiede entstand 2006 als Diplomarbeit am Zürcher Haus der Farbe. Von 14 Abschlussarbeiten wählte ein Beurteilungsgremium vier zur Überarbeitung aus, nach einer Präsentation wurde das Konzept von Claudia Walter zur Ausführung bestimmt. Die Abschlussarbeit der Farbgestalterin aus Illnau zielt darauf, dem Gebäude eine lebendige Farbgestaltung zu geben. Die Farbverteilung ist an die unterschiedlichen Raumfunktionen gebunden – aufgeteilt in Erschliessungszone, Berufsberatung, Berufsbildung und Aufenthaltsbereiche. Eine Besonderheit ist, dass die Farben jeweils in das nächste Raumvolumen oder die Wandfläche übergehen und damit eine Verbindung zwischen den Raumfunktionen schaffen. „Die Farbe sollte von einem Raum in den anderen überfließen“, erklärt Claudia Walter. Verwendet wurden nach einer Auflage der Stadt Baden mineralische Farben.
Die hellgraue Farbe des dreigeschossigen Gebäudes integriert sich in die zurückhaltende Farbigkeit des ehemaligen Industrieareals. Ein rot akzentuierter Haupteingang signalisiert die Öffnung nach innen. Das Rot zieht sich in die Eingangshalle weiter und begleitet den eintretenden Besucher über die Haupttreppe zu den Vorplätzen. Dunkelgraue Türzargen bilden Kontraste und schaffen einen eigenen Rhythmus. Das Farbkonzept sorgt im weitläufigen Gebäude für Übersichtlichkeit und Orientierung. Im Erd- und Zwischengeschoss des Gebäudes herrscht eine warme Grundstimmung. Dort vermitteln im Infozentrum grünblaue Decken Ruhe, in den Beratungsbüros sorgt das sanfte Hellgelb der Decken für eine sonnige Raumstimmung. Die hellen Schul- und Lehrerzimmer in den darüberliegenden Stockwerken nehmen die Farben der Umgebung auf. „Beim Betreten der gelbgrün gestrichenen Korridore erfahren die Sinne der Nutzer Ablenkung“, sagt Claudia Walter. „Ich war selbst überrascht, wie präsent diese Farbe nun ist“.
Für Farbkonzepte stellen Schulen eine besondere Herausforderung dar. Jörg Niederberger: „Es geht darum, Farbkomposition und Architektur so in Einklang zu bringen, dass sich eine Einheit bildet“. Und sich Schülern wie auch Lehrern eine Art Heimat auf Zeit öffnet – freundlich, überraschend und natürlich motivierend.

kompakt
Primarschule Hinter Gärten, Basel-Riehen
Architektur: Marques AG, Daniele Marques, Luzern
Farbkonzept: Jörg Niederberger, Niederrickenbach
Primarschule und Berufswahlschule, Hardau
Architektur: EM2N, Zürich
Farbkonzept: Monika Kiss Horvarth, Zürich
Ausführung: Klaus Baumberger AG, Zürich
Berufsbildungszentrum Schmiede, Baden
Architektur: Roman Fischer, C+K Architekten, Küsnacht
Farbkonzept: Claudia Walter, Illnau
Ausführung Innenraum: Meier Schmocker AG, Bellikon
Ausführung Fassade: Rolf Zünd, Baden
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